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Sudan: Was bedeutet die RSF-Kontrolle über El Fasher?

Mehr als 62.000 Sudanesen sind nach der Eroberung von El Fasher aus der Stadt geflohen
Mehr als 62.000 Sudanesen sind nach der Eroberung von El Fasher aus der Stadt geflohen (© Imago Images / Anadolu Agency)

Der sudanesische Bürgerkrieg ist in eine neue Phase getreten, nachdem die Schnellen Eingreiftruppen die Kontrolle über El Fasher, die wichtigste Stadt in der Region Darfur, übernommen haben.

Die paramilitärischen Schnellen Eingreiftruppen (RSF) gaben vergangene Woche bekannt, nach über einjähriger Belagerung und heftigen Kämpfen die Kontrolle über das Hauptquartier der 6. Division in El Fasher übernommen zu haben, das der zentrale Stützpunkt der regulären Streitkräfte in der Stadt war. In einer Erklärung gaben die RSF an, »dem Feind« schwere Verluste zugefügt und große Mengen an militärischer Ausrüstung zerstört und beschlagnahmt zu haben. Wenige Stunden später verkündeten sie die Übernahme »der vollständigen Kontrolle über El Fasher«.

Die sudanesischen Streitkräfte gaben zunächst keinen offiziellen Kommentar zur Lage ab; einen Tag später bestätigte Armeechef Abdel Fattah al-Burhan jedoch den Rückzug aus der Hauptstadt von Nord-Darfur. Zeitgleich appellierte er in einer Fernsehansprache an den Durchhaltewillen seiner Truppen: »Die Streitkräfte sind in der Lage, den Sieg zu erringen, und wir können das Blatt wenden.« Die Armee sei in der Lage, solange weiterzukämpfen, bis »wir dieses Land gesäubert und diese Söldner eliminiert haben«.

Der Gouverneur der auf der Seite der regulären Regierung stehenden Region Darfur Minni Minawi forderte nach dem RSF-Vormarsch den »Schutz der Zivilbevölkerung« in der Stadt, die wegen der langen Belagerung von einer Hungersnot betroffen ist. Zugleich wurden Meldungen von summarischen Hinrichtungen durch RSF-Mitglieder bekannt, was die Angst vor einer Wiederholung der genozidalen Verbrechen aufkommen lässt, die im Jahr 2004 von den Dschandschawid-Milizen, eine RSF-Vorgängerorganisation, in Darfur begangen wurden.

Neue Lage

Die Kontrolle über El Fasher bedeutet, dass die Schnellen Eingreiftruppen nun alle fünf Bundesstaaten Darfurs unter ihrer Kontrolle haben, womit das Land nun de facto in einen von den regulären Streitkräften kontrollierten Osten und einen von den RSF kontrollierten Westen geteilt ist.

El Fasher ist die historische Hauptstadt Darfurs und stellt nicht nur das politische, kulturelle und militärische Zentrum der Region dar, sondern dient auch als wichtiges Tor zum Nordsudan und zu den Nachbarländern. So liegt die Stadt an einem strategisch wichtigen geografischen Knotenpunkt, der den Sudan mit dem Tschad, der Zentralafrikanischen Republik und Libyen verbindet, sodass ihre Kontrolle zu einem Verhandlungspfand mit regionalen Auswirkungen wird.

Der Militärforscher Al-Amin Muhammad al-Tayeb ist der Ansicht, dass der RSF-Sieg in El Fasher nicht nur ein begrenzter militärischer Triumph ist, sondern ein entscheidender Schritt, der die Zukunft des Landes bestimmen könnte. So könnte die Entwicklung »zu einer neuen administrativen und politischen Realität im Westen des Sudans führen, wodurch möglicherweise der Weg für eine modifizierte Version des libyschen oder jemenitischen Modells geebnet würde«, womit sich al-Tayeb auf die mögliche Teilung des Landes mit zwei Regierungen und zwei Armeen bezieht.

Nach seiner Einschätzung bedeutet der Fall El Fashers die Kontrolle der Schnellen Eingreiftruppen über den gesamten westlichen Streifen des Landes von Darfur bis Kordofan und damit die Sicherung der westlichen Verteidigungslinie. In einem Gespräch mit Al Jazeera schloss al-Tayeb erneute Kämpfe in den zentralen Bundesstaaten oder einen erneuten RSF-Angriff auf die sudanesische Hauptstadt Khartum nicht aus, es sei denn, die Armee kann sie aus Nord-Kordofan vertreiben.

Der sudanesische Autor Osman Mirghani schätzte in einem Artikel in der saudischen Zeitung Asharq Al-Awsat ebenfalls, dass der Fall von El Fasher erhebliche Auswirkungen auf den gesamten Kriegsverlauf und dessen Ausgang haben könnte.

Die Bedeutung der Stadt beschränke sich nicht nur auf seine historische Bedeutung, sondern »auch auf seine strategische Lage als Verbindung zwischen Nord-, Zentral- und West-Darfur und als wichtiger Transitpunkt nach Tschad, Libyen und Ägypten«. Von El Fasher aus »bedrohen die Schnellen Eingreiftruppen nun Gebiete im Zentrum des Sudans, darunter auch die Hauptstadt Khartum«. Diesem Szenario könne die sudanesische Armee nicht tatenlos zusehen und werde demnach weiterkämpfen, um jegliche Sezessionsversuche in Darfur zu verhindern.

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