Am Donnerstag fand in Stuttgart die erste Solidaritätskundgebung von Palästinensern mit Anti-Hamas-Protesten statt. Organisiert wurde sie vom Gaza Youth Movement.
Unter dem Motto »Frieden und Freiheit für Gaza, weg mit der Hamas« versammelten sich knapp fünfzig Demonstranten auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Die geringe Teilnehmerzahl erklärt sich damit, dass wegen berechtigter Sicherheitsbedenken keine Werbung für die Veranstaltung gemacht wurde. Denn auch in Deutschland und Europa beobachten die Hamas und deren Unterstützer ihre Gegner sehr genau.
Einschüchterungen und konkrete Bedrohungen haben fast alle Palästinenser aus dem Gazastreifen, die sich gegen die Hamas in Europa positionieren, schon erlebt. Vor allem aber haben diejenigen Angst, sich zu exponieren, deren Familienangehörige noch im Gazastreifen leben, denn es ist immer wieder vorgekommen, dass die Hamas Druck auf sie ausübt oder sie sogar bestraft: Sippenhaftung gehört bei autoritären Regimes im Nahen Osten zum üblichen Repertoire der Repression.
Angst vor Hamas
Damit dürfte auch eine in sozialen Medien oft gestellte Frage, warum es so selten zu solchen Kundgebungen in Deutschland kommt, zum Teil beantwortet sein: Viele aus dem Gazastreifen nach Europa geflüchtete Menschen vermeiden es ihre Ansichten öffentlich zu äußern. So geht es ihnen wie unzähligen Syrern oder Irakern vor ihnen, die wussten, dass der lange Arm der brutalen Geheimdienste ihrer Länder auch nach Europa reicht und sie immer auch das Wohlergehen ihrer zu Hause gebliebenen Verwandten berücksichtigen mussten.
Dennoch waren erstmals auf deutschen Straßen recht ungewöhnliche Slogans, die sich gegen die Hamas richteten und für Frieden und Koexistenz mit Israel warben, zu sehen
Unorganisierte Opposition
Aber anders als die gut vernetzte Szene, die mit ihren roten Dreiecken und From the River to the Sea-Slogans keine Probleme hat, Demonstrationen oder andere Aktionen auf die Beine zu stellen, sind die in Opposition zur Hamas Stehenden kaum organisiert und verfügen nur über geringe finanzielle Mittel, um eine Kundgebung zu organisieren.
Nur ein Spendenaufruf im Vorfeld sowie die aktive Unterstützung solidarischer Menschen aus Baden-Württemberg haben daher diese Aktion ermöglicht. Auf Hilfe der Palästina-Solidarität kann das Gaza Youth Committee heute genauso wenig zählen wie während der von ihm organisierten Proteste im Jahr 2019. In diesen Kreisen werden die Anti-Hamas-Proteste im Gazastreifen weitgehend totgeschwiegen, passen sie so doch gar nicht in das »Yalla, Yalla, Intifada bis zum Sieg«-Weltbild. Eher gilt als Verräter, wer es wagt, gegen die Hamas aufzutreten.
Entsprechend zeigten sich auch viele Passanten in Stuttgart überrascht, denn das, was sie sahen, passte so gar nicht zum Bild, welches Palästina-Demonstrationen sonst vermitteln. Wie die Veranstalter berichteten, kam es zu vielen Kontakten und Diskussionen, wobei sowohl Zuspruch als auch scharfe Ablehnung artikuliert wurden.
Aber ein Anfang ist nun gemacht und weitere Aktionen in anderen Städten sind in Planung; diesbezügliche Anfragen gibt es aus Berlin und anderen Städten. Man hoffe, Stuttgart sei der Startschuss, um in Europa hörbar die Forderungen jener zu verbreiten, die für ein Ende des Hamas-Regimes auf die Straße gehen. Eine davon lautet, wie auf einem der allesamt dreisprachigen (deutsch, arabisch, hebräisch) Plakate stand: »Wir fordern die EU auf, die Demonstranten im Gazastreifen und nicht die Hamas zu unterstützen.«




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Der Artikel erschien zuerst auf JungleBlog.