Sollte es wegen des Ausscherens der Orthodoxen aus der Regierungskoalition zu Neuwahlen kommen, könnte der ehemalige Ministerpräsident Naftali Bennett, so er kandidiert, als Sieger hervorgehen.
Die nächsten Wahlen in Israel wären planmäßig im heurigen Herbst oder im Februar 2026 beziehungsweise, wie Regierungskreise sagen, nach dem Sieg über die Hamas und der Befreiung der Geiseln abzuhalten gewesen. Dass das Erreichen beider Ziele Israel vor ein kaum lösbares Dilemma stellt, wurde auf Mena-Watch schon des Öfteren erörtert. (Hier oder hier.)
Dass sich der Krieg gegen die Hamas bereits monatelang hinzieht, liegt nicht nur an der Stärke und Hartnäckigkeit der Hamas, die ihre Kontrolle über den Gazastreifen um jeden Preis aufrechterhalten will, sondern auch an der zu geringen Anzahl einsetzbarer israelischer Soldaten. Während manche Israelis bereits drei- oder viermal als Reservisten einberufen wurden, sind streng orthodoxe Israelis (Haredim) immer noch vom Wehrdienst befreit.
Laut einem Urteil des Obersten Gerichtshof Israels ist das momentan praktizierte System der Befreiung streng Orthodoxer vom Militärdienst jedoch rechtswidrig – und diese Entscheidung konnte nun nicht durch ein von der Knesset zu erlassendes Gesetz umgangen werden, wie es von den streng orthodoxen Regierungsparteien Thora-Liste (Agudat Israel, askenasisch) und Shas (sefardisch) gefordert worden war.
Die Thora-Liste hat sieben und Shas elf Mandate im Parlament, womit beide zusammen die Regierung stürzen könnten. Nachdem die Mandatare der Thora-Liste nach Konsultation ihrer Rabbiner erklärten, einen Antrag der Opposition nach sofortigen Neuwahlen unterstützten zu wollen, erwarten einige von Shas dieselbe Entscheidung.
Kehrt Bennett zurück?
Die Vorgangsweise der zwei Parteien wurde nicht zuletzt von Yuri Edelstein provoziert, der als Vorsitzender des Knesset-Komitees für Außen- und Verteidigungspolitik für den von Thora-Liste und Shas geforderten neuen Gesetzesentwurf zur Befreiung Orthodoxer verantwortlich gewesen wäre.
Das Likud-Mitglied Edelstein, das zu den innerparteilichen Gegner Netanjahus gehört, verzögerte die Behandlung des Gesetzes ständig, während seitens der Militärbehörden Einberufungen verschickt wurden, die von den betroffenen Haredim allerdings teilweise ignoriert wurden. Edelstein, der selbst religiös ist, konnte laut seinen Aussagen aus Gewissensgründen nicht anders handeln – auch wenn diese zu einem Zerbrechen der Koalition führen sollte.
Sollte es nun tatsächlich aufgrund des Ausscherens der Orthodoxen aus der Regierungskoalition zu Neuwahlen kommen, könnte der ehemalige Ministerpräsident Naftali Bennett, falls er sich – wonach es im Moment stark aussieht – entschließt, mit einer neuen Liste zu kandidieren, als Sieger hervorgehen und die meisten Mandate erhalten. In Israel scheinen die Karten gerade neu gemischt zu werden.