Der Iran verstößt seit Jahren gegen das Atomabkommen von 2015. Die Aktivierung der UN-Sanktionen ist ein Test für die Glaubwürdigkeit der internationalen Gemeinschaft.
Daniel Roth
Anfang September begann der dreißigtägige Countdown bis zur automatischen Wiedereinführung der UN-Sanktionen (Snapback-Mechanismus) gegen den Iran. Ausgelöst durch Großbritannien, Frankreich und Deutschland, den sogenannten E3-Staaten, war diese längst überfällige Entscheidung eine Reaktion auf die wiederholten Verstöße Teherans gegen das Atomabkommen von 2015. Jetzt kommt es darauf an, dass Europa standhaft bleibt und den Prozess zu Ende führt.
Als Reaktion warnte der iranische Außenminister Abbas Araghchi die E3-Staaten, entweder ihren Kurs zu ändern oder sich auf »destruktive Folgen für die Region und darüber hinaus auch auf »einer ganz neuen Ebene« gefasst zu machen. Dass diese unverblümte Drohung über eine der größten europäischen Tageszeitungen, dem britischen Guardian, verbreitet wurde, zeigt, wie zuversichtlich Teheran geworden ist, sich erneut durch Druck und Manipulation seiner Verantwortung entziehen zu können. Vor allem setzt es darauf, dass Europa zuerst einknickt.
Totes Abkommen
Dieses Selbstvertrauen ist nicht über Nacht entstanden. Der Iran verstößt seit Jahren erheblich gegen das Atomabkommen, den Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA): Er reichert Uran weit über sechzig Prozent an, installiert moderne Zentrifugen, behindert internationale Inspektionen und verschleiert nicht deklarierte Nuklearstandorte. All dies ist unbestritten. Bislang wurde jedoch nur mit händeringendem Kopfschütteln und leeren Warnungen reagiert, aus Furcht, jede Durchsetzung würde »das Abkommen zunichte machen«.
Aber das Abkommen ist bereits seit Mai 2018 tot, als sich die Vereinigten Staaten daraus zurückgezogen hatten. Was übrig bleibt, ist ein hohles Gerüst, das der Iran nicht mehr respektiert und das die internationale Gemeinschaft nicht mehr durchsetzt. So zu tun, als wäre es anders, belohnt nur die Strategie Teherans, Zeit zu schinden und zu täuschen.
Als die Vereinigten Staaten 2020 versuchten, Snapback-Sanktionen auszulösen, wurde dieses Vorhaben aus verfahrenstechnischen Gründen blockiert. Aber diese rechtliche Debatte verdeckte eine tiefere Wahrheit: Zu lange hat Europa Untätigkeit der Integrität vorgezogen. Dieses Schweigen gab dem Iran Raum, sein Programm auszuweiten, seine Verpflichtungen zu verletzen und so zu handeln, als seien die Regeln des JCPOA optional.
Die E3 unternehmen nun das, was schon vor Jahren hätte getan werden müssen, aber die Arbeit ist noch nicht beendet. In den nächsten Wochen ist mit weiteren Drohungen seitens des Irans, mit Versuchen, Zwietracht zu säen und mit »dringenden« Aufrufen zur Wiederaufnahme der Gespräche zu rechnen. Nichts davon ändert etwas an der Tatsache, dass der Iran das Abkommen in einer fern aller Vorstellungswelt liegenden Weise gebrochen hat. Die Snapback-Maßnahme sollte keine weitere Verhandlungsrunde ermöglichen, sondern die Konsequenzen für die jahrelange Nichteinhaltung durch den Iran sicherstellen.
Test für Glaubwürdigkeit
Der Snapback ist nicht nur ein rechtlicher Mechanismus, er ist ein Test für die Glaubwürdigkeit der internationalen Gemeinschaft. Ist der UN-Sicherheitsrat nicht in der Lage, die von ihm verabschiedeten Resolutionen durchzusetzen, sendet er eine klare Botschaft an andere potenzielle Akteure von Proliferation: Vereinbarungen haben keine Wirkung.
Hier geht es nicht nur um Anreicherungsgrade oder Inspektionen. Das regionale Verhalten der Islamischen Republik – die Bewaffnung Russlands mit Drohnen für seinen Krieg in der Ukraine und die Unterstützung von terroristischen Stellvertretergruppen im gesamten Nahen Osten – ist Teil desselben Musters. Teheran nutzt diplomatische Zurückhaltung aus und untergräbt gleichzeitig aktiv die globale Sicherheit.
Wird argumentiert, Sanktionen würden nur die Spannungen verschärfen, wird auch verschwiegen, dass die Beschwichtigungspolitik das iranische Atomprogramm nur beschleunigt hat. Das JCPOA basierte auf Verifizierung und Konsequenzen. Fallen diese weg, verliert auch das Abkommen seinen Wert.
Die E3-Staaten haben nun einen mutigen und notwendigen Schritt unternommen, müssen aber der Versuchung widerstehen, auf der Suche nach einem »diplomatischen Durchbruch«, den der Iran nicht einzuhalten gedenkt, einen Rückzieher zu machen. Dies ist kein Moment für Kompromisse und Beschwichtigung. Es ist ein Moment der Rechenschaftspflicht.
Daniel Roth is research director at United Against Nuclear Iran and a managing director of the Counter Extremism Project. (Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)






