Eskalation im Gazastreifen

Bei gezielten Angriffen im Gazastreifen wurde u.a. ein ranghohes Mitglied des Islamischen Dschihad getötet. (© imago images/ZUMA Wire)
Bei gezielten Angriffen im Gazastreifen wurde u.a. ein ranghohes Mitglied des Islamischen Dschihad getötet. (© imago images/ZUMA Wire)

Nach Tagen voller Drohungen des Islamischen Dschihad und Anspannung im Grenzgebiet griff Israel Ziele im Gazastreifen an.

Im Zuge einer gezielten Aktion haben die israelischen Sicherheitskräfte im Westjordanland in Dschenin, der palästinensischen »Hauptstadt des Radikalismus«, letzten Montag Bassam al-Saadi festgenommen, ein hochrangiges Mitglied des Palästinensischen Islamischen Dschihads (PIJ). Der 62-Jährige gilt als Anführer und Begründer des Palästinensischen Islamischen Dschihads im Westjordanland. Im Laufe seiner terroristischen »Karriere« wurde er sieben Mal verhaftet und saß insgesamt fünfzehn Jahre in israelischen Gefängnissen ein.

Wie die Jerusalem Post berichtete, kam es im Verlauf der Razzia zu heftigem Widerstand seitens palästinensischer Terroristen, die den Zugriff auf al-Saadi verhindern wollten. Der Dschihadist wehrte sich zwar mit allen Kräften, letztlich aber erfolglos gegen seine Festnahme. Zusätzlich gelang es den israelischen Einsatzkräften, seinen Schwiegersohn Ashraf Zidan Molmad Aljada und vierzehn weitere Verdächtige zu verhaften. Ihnen allen wird vorgeworfen, Anschläge gegen Israel geplant zu haben.

Laut dem israelischen Rundfunk konnten schon in den vergangenen zwei Wochen zwanzig palästinensische Terroristen im Flüchtlingslager Dschenin festgenommen werden. Außerdem entdeckte die Armee ein mit Sprengstoff präpariertes Auto, das mit ziemlicher Sicherheit für einen Selbstmordanschlag in Israel eingesetzt werden sollte.

Unmittelbar nach dem Zugriff auf al-Saadi ließen die Al-Quds-Brigaden, der militärische Flügel des PIJ, durch einen Sprecher ausrichten, dass »alle Streitkräfte der Organisation in höchster Alarmbereitschaft und bereit [sind], nach der Aggression gegen Scheich Bassam al-Saadi und seine Familie in Dschenin zu reagieren«.

Höchste Alarmbereitschaft

Daraufhin errichteten die israelischen Sicherheitskräfte Straßensperren nahe der Grenze zum Gazastreifen, die, wie der Kommandeur der Gaza-Division, Nimrod Aloni, in einem Video des Militärs erklärte, »so lange wie nötig fortgesetzt« werden. Israel befürchtet, dass es jederzeit zu Vergeltungsanschlägen und gewaltsamen Protesten des PIJ kommen könnte, um die Verhaftung von Bassam al-Saadi zu rächen. Auch wurden Autobuslinien kurzfristig eingestellt, Straßenkreuzungen blockiert und grenznahe Gemeinden abgeriegelt. Die Maßnahmen werden auf jeden Fall bis über das Wochenende aufrechterhalten. Die Gaza-Division der israelischen Verteidigungskräfte soll laut IDF mit Artillerie, Pioniertruppen, Infanterie, Panzer- und Spezialeinheiten verstärkt werden.

Wie der israelische TV-Sender Channel 12 unter Berufung auf eine nicht genannte palästinensische Quelle berichtete, soll die im Gazastreifen regierende Hamas-Terrorgruppe einige Mitglieder des Islamischen Dschihad festgenommen haben, um einen Angriff auf Israel zu verhindern.

Verteidigungsminister Benny Gantz, der am Dienstag gemeinsam mit IDF-Generalstabschef Aviv Kochavi die Westbank besuchte, fand gegenüber dem Palästinensischen Islamischen Dschihad klare Worte, wie das jüdische Wochenmagazin tachles berichtete: »Unsere Politik ist klar: Wir werden unsere operativen Aktivitäten fortsetzen und jene schädigen, die bestrebt sind, den Terrorismus aufrechtzuerhalten und die Bürger Israels zu schädigen.«

Nach bereits vier Tagen der verschärften Sicherheitsmaßnahmen wächst in der Bevölkerung im Grenzgebiet zum Gazastreifen der Unmut über die Einschränkungen, die das tägliche Leben massiv behindern. Ein Bewohner von Sderot sagte: »Es ist eine Schande, dass wir in eine Situation geraten sind, in der die Verhaftung eines Terroristen die Ortschaften rund um den Gazastreifen lahmlegt.«

Premier Lapid äußerte am Donnerstag Verständnis für die Beschwerden der Menschen. Sein Büro ließ ausrichten, Israel »wird nicht eine Lage akzeptieren, in der Terrorgruppen das tägliche Leben der Bewohner stören«. Was die Regierung konkret zu tun gedenke, um diese Lage zu ändern, ging aus der Stellungnahme nicht hervor.

Neuer Krieg?

Das wurde allerdings am frühen Freitagabend klar: Die israelische Armee unternahm Luftangriffe auf Ziele im Gazastreifen, bei denen u.a. der hochrangige PIJ-Kader Tayseer Jabari getötet wurde. Die Bevölkerung im Grenzgebiet wurde aufgefordert, in der Nähe ihrer Schutzräume zu bleiben. Mit gutem Grund: Im Laufe des Abends feuerten Terroristen aus dem Gazastreifen Dutzende Raketen nach Israel, von denen einige vom Abwehrsystem Iron Dome abgefangen wurden. Die IDF setzten ihre Angriffe auf Ziele im Gazastreifen fort.

In einer ersten Stellungnahme sagte Premier Lapid am Abend, die israelischen Operationen würden »so lange dauern, wie es nötig ist«. Man werde es terroristischen Gruppen nicht erlauben, »das Geschehen im Grenzgebiet zu diktieren. Wir werden keine Bedrohung unserer Zivilbevölkerung dulden.« Israel sei »nicht an einem größeren Konflikt in Gaza interessiert, wird aber auch nicht davor zurückschrecken«.

Ob der Schlagabtausch am Freitagabend der Auftakt zu einer längeren militärischen Konfrontation, oder aber nach ein paar Stunden wieder vorüber sein wird, war zu Redaktionsschluss nicht abzuschätzen.

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