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Scharfe Kritik am Chefankläger des ICC

ICC-Chefankläger Karim Khan bei der Bekanntgabe seines Antrages auf Haftbefehle gegen Israels Premier Netanjahu und Verteidigungsminister Gallant. (© imago images/UPI Photo)
ICC-Chefankläger Karim Khan bei der Bekanntgabe seines Antrages auf Haftbefehle gegen Israels Premier Netanjahu und Verteidigungsminister Gallant. (© imago images/UPI Photo)

Britische Juristen kritisieren: Die Vorwürfe des ICC-Chefanklägers Karim Khan gegen israelische Politiker sind allesamt falsch.

Die UK Lawyers for Israel (UKLFI) haben sich in einem Brief an Karim Khan gewandt, den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (International Criminal Court/ICC). Darin warnen sie Khan, dass er mit seinem Antrag auf die Ausstellung von Haftbefehlen gegen Israels Premier Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant, den er im Mai dieses Jahres eingereicht hat, die Regeln des Gerichts breche.

Die Zeitung Algemeiner fasste die Vorwürfe gegen Khan zusammen: »Er verstößt gegen diese Vorschriften, indem er das Gericht in die Irre führt, ursprünglich erteilte Auskünfte nicht aktualisiert und berichtigt und keine Informationen und Beweise vorlegt, welche die Beschuldigten entlasten.«

Die Lawyers for Israel erinnern Khan in ihrem Brief daran, dass er »verpflichtet [ist], unparteiisch zu handeln, objektiv nach der Wahrheit zu suchen, entlastende Umstände zu untersuchen, das Gericht nicht irrezuführen und dem Gericht alle Beweise offenzulegen, die Unschuld beweisen oder nahelegen.«

Khan hat auch gegen seine Verpflichtungen verstoßen, weil er nach seinem Antrag auf Haftbefehle dem Gericht neuere Informationen vorenthalten habe, welche die erhobenen Vorwürfe entkräften. Der Geschäftsführer der britischen NGO fand deutliche Worte: »Jede Phrase, jeder Satz der von [Khan] veröffentlichten Zusammenfassung seiner Anträge auf Haftbefehle ist falsch. Wir haben es mit einer Travestie zu tun, die dem Ankläger von Alfred Dreyfus zur Ehre gereichen würde«, so Jonathan Turner unter Verweis auf den berüchtigten Prozess, bei dem ein französisch-jüdischer Offizier auf Basis gefälschter Beweise verteilt wurde.

Vorwürfe widerlegt

In ihrem 24 Seiten langen Brief an Khan widerlegen die Lawyers of Israel die Anklagen gegen Netanjahu und Gallant, die Khan vor den ICC bringen will. So sei schlicht falsch, dass Israel je eine »totale Blockade« über den Gazastreifen verhängt und damit absichtlich eine humanitäre Katastrophe ausgelöst habe. Unmittelbar nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 war zwar gelegentlich von einem solchen Embargo die Rede gewesen, es sei aber nie es sei umgesetzt worden: »Die objektiven Fakten sind, dass Gaza-Stadt oder der Gazastreifen nicht vollständig [von der Außenwelt] abgeschnitten wurden und die drei Grenzübergänge von Israel nicht vollständig geschlossen wurden, jedenfalls nicht für längere Zeit.«

Auch die angeblich vorsätzlich im Gazastreifen herbeigeführte Hungersnot, wegen der Netanjahu und Gallant verhaftet und vor Gericht gebracht werden sollen, habe nie stattgefunden. Wie mittlerweile bekannt ist, waren die Prognosen aus dem Frühjahr über bevorstehendes, massenhaftes Hungersterben schlicht falsch, weil sie auf unzutreffenden Daten beruhten. Obwohl es seine Pflicht gewesen wäre, das Gericht darüber zu informieren, dass ein wesentlicher Bestandteil seines Antrags auf Haftbefehle sich damit erübrigt hatte, habe Khan nichts dergleichen getan.

Dies treffe auch auf einen weiteren Punkt zu, die Tötung von Mitgliedern der Hilfsorganisation World Central Kitchen durch die israelische Armee, die Khan als Kriegsverbrechen vor Gericht bringen möchte. Wie auch eine australische Untersuchung des Vorfalls gezeigt hat, war die (irrtümliche) Tötung der betroffenen Personen zwar ein Fehler, aber kein Kriegsverbrechen, und gegen die verantwortlichen Soldaten seien disziplinarische Schritte unternommen worden. Auch darüber habe Khan das Gericht nicht informiert.

Problem nicht nur für Israel

Dass Karim Khan auf Basis von Vorwürfen, die von Anfang an falsch waren oder aber mittlerweile entkräftet wurden, weiterhin Haftbefehle erwirken wolle, sei ein Problem, das weit über den Fall Israel hinausgehe, sagt UKLFI-Chef Jonathan Turner:

»Wenn die Staatsanwaltschaft auf der Grundlage falscher Anschuldigungen Haftbefehle erlassen kann, ist niemand vor dem Risiko einer Verhaftung und möglicherweise jahrelanger Haft in Den Haag sicher; selbst, wenn er letztendlich freigesprochen wird.«

Sollte Khan auf die Vorwürfe nicht angemessen reagieren, wollen sich die Lawyers for Israel direkt an den ICC und das britische Bar Standards Board wenden, das die Einhaltung der Verhaltensstandards für Rechtsanwälte in Großbritannien überwacht. (Khan ist britischer Anwalt.)

Khans Vorgehen gegen Netanjahu und Gallant ist insofern seltsam, als er sich dabei genau jenes Verhaltens bedient, das er vor einigen Jahren noch scharf kritisiert hat. Der ICC, schrieb Khan im Jahr 2013, verhalte sich mehr wie ein »Thinktank als ein Gericht« und sei »mit der Realität von strafrechtlichen Ermittlungen und Gerichtsverfahren nicht vertraut«. Es bedürfe »signifikanter Reparaturen«, ohne die »die internationale Justiz und die Glaubwürdigkeit des ICC« in Gefahr seien, schrieb Khan drei Jahre später. Sein heutiges Verhalten zeigt, wie recht er damals hatte.

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