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Saudi-Arabiens geopolitische Schachzüge 

Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman führt den Vorsitz beim arabischen und islamischen Gipfel in Riad
Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman führt den Vorsitz beim arabischen und islamischen Gipfel in Riad (© Imago Images / Xihnua)

Kann man dem Saudi-Arabien angesichts der internen und externen Probleme zutrauen, dass es seine angestrebte Rolle als zentraler Akteur im Nahen Osten ernsthaft ausfüllt?

Amine Ayoub 

Saudi-Arabien hat sich seit Langem als zentraler Akteur im Nahen Osten positioniert mit dem Ziel, die regionale Stabilität und die globale Geopolitik zu beeinflussen. Der arabische und islamische Gipfel in Riad Anfang dieses Monats, auf dem Kronprinz Mohammed bin Salman zentrale Themen der muslimischen Welt ansprach, rückte diese Rolle noch stärker in den Fokus. 

Während das Königreich jedoch versucht, komplexe geopolitische Spannungen zu bewältigen wie etwa seine problemüberschatteten und sich doch entwickelnden Beziehungen zum Iran, seine Kritik an Israel und seine Beteiligung an anhaltenden Konflikten wie im Jemen, stellt sich die Frage, ob man Saudi-Arabien zutrauen kann, einen dauerhaften Frieden zu vermitteln; insbesondere, wenn seine eigenen internen und externen Probleme, einschließlich seiner Menschenrechtsbilanz, weiterhin ungelöst bleiben.

Saudische Wende?

Im Mittelpunkt des Gipfeltreffens in Riad stand die Diskussion über eine palästinensische Eigenstaatlichkeit und den anhaltenden Konflikt mit Israel. In einer bemerkenswerten Abkehr von seiner bisherigen diplomatischen Linie nahm bin Salman eine entschlossenere Haltung ein, indem er die Handlungen Israels im Gazastreifen offen verurteilte und Israel des »Völkermords« an den Palästinensern beschuldigte. Er betonte, die internationale Gemeinschaft müsse sicherstellen, dass Israel die Souveränität des Iran respektiere und signalisierte damit eine mögliche Änderung der Haltung Saudi-Arabiens gegenüber Israel und eine Annäherung an Teheran.

Diese Haltung schien eine klare Abkehr von früheren Gesprächen zur Normalisierung der saudischen Beziehungen zu Israel zu sein, die während der ersten Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Donald Trump Priorität besaßen. Während Saudi-Arabien bislang Interesse an der Anerkennung Israels im Austausch für Sicherheitsgarantien und regionale Stabilität bekundet hatte, insbesondere angesichts der gemeinsamen Besorgnis über den Iran, machte die Rhetorik des Königreichs auf dem Gipfel in Riad die wachsenden Brüche in seiner Außenpolitik deutlich. Diese Verschiebung ist insbesondere angesichts der Tatsache von Bedeutung, dass die von China vermittelte Annäherung Saudi-Arabiens an den Iran im Jahr 2023 die regionale diplomatische Landschaft bereits verändert hat.

Die wachsenden Beziehungen Saudi-Arabiens zum Iran und seine Kritik an Israel deuten auf eine unabhängigere Außenpolitik hin, die weniger von den Vereinigten Staaten abhängig ist als in den letzten Jahrzehnten. Dies macht die Rolle des Golfstaats als potenzieller Friedensvermittler komplexer. Während Riads Versuche, die Diplomatie wie zum Beispiel bei der Förderung des Dialogs mit dem Iran und seinen regionalen Verbündeten wiederzubeleben, von einigen begrüßt wurden, bleibt dessen Fähigkeit, unparteiisch zu vermitteln, insbesondere im israelisch-palästinensischen Konflikt, eine offene Frage.

Kritik und Misstrauen

Die Vertrauenswürdigkeit Saudi-Arabiens als Vermittler in regionalen Konflikten muss im Hinblick auf seine internen und externen Probleme bewertet werden. Einerseits ist das Königreich durch seinen geopolitischen Einfluss, der durch den enormen Ölreichtum und seine strategische Position am Golf gestärkt wird, ein wichtiger Akteur bei der Gestaltung regionaler Entwicklungen. Andererseits werfen seine Regierungsführung und Einstellungen in Sachen Menschenrechtsfragen Bedenken hinsichtlich seiner Fähigkeit auf, sich für einen echten Frieden einzusetzen, bei dem das Wohlergehen der einfachen Bevölkerung, insbesondere der in Konfliktgebieten lebenden Menschen, im Vordergrund steht.

Intern wird Saudi-Arabien wegen seiner Menschenrechtsbilanz immer wieder kritisiert. Die Unterdrückung politischer Dissidenten durch die Regierung, die Behandlung von Frauen und Minderheiten sowie die Anwendung harter Maßnahmen gegen Aktivisten und Journalisten, darunter die aufsehenerregende Ermordung des Washington-Post-Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018, sind nach wie vor wichtige Konfliktpunkte. 

Diese Probleme haben viele dazu veranlasst, das Engagement Saudi-Arabiens für die universellen Menschenrechte infrage zu stellen, insbesondere, wenn seine Außenpolitik oft nicht von ethischen, sondern pragmatischen und autoritären Prioritäten angetrieben zu sein scheint.

So steht beispielsweise der von Saudi-Arabien seit 2015 geführte Krieg im Jemen wegen der verheerenden humanitären Krise im Mittelpunkt der internationalen Kritik. Zehntausende Menschen sind gestorben und Millionen weitere wurden vertrieben, doch es gibt kaum Anzeichen einer Lösung. Die von Saudi-Arabien angeführte Koalition wurde wegen Kriegsverbrechen angeklagt, darunter wahllose Luftangriffe, bei denen Zivilisten getötet und lebenswichtige Infrastrukturen angegriffen wurden, was das Image des Königreichs als Friedensförderer weiter verschlechterte.

Dieser Widerspruch zwischen der selbstgewählten Rolle Saudi-Arabiens als Friedensstifter auf der Weltbühne und seinen repressiven Taktiken im eigenen Land und bei ausländischen Interventionen lässt Zweifel aufkommen, ob das Königreich ein verlässlicher oder unparteiischer Akteur bei der Konfliktlösung ist.

Skepsis und Diskussion

Die jüngste Rhetorik Saudi-Arabiens, insbesondere auf dem Gipfel in Riad, unterstreicht seinen Wunsch, seine Rolle in der Region neu zu gestalten. Es ist jedoch wichtig zu prüfen, ob diese Bemühungen von einem echten Engagement für den Frieden angetrieben werden, oder ob sie Teil einer umfassenderen geopolitischen Strategie sind. Die Verurteilung Israels durch bin Salman und seine Forderung nach internationalen Maßnahmen zum Schutz der Souveränität des Irans mögen zwar die sich entwickelnde Beziehung Riads zu Teheran widerspiegeln, könnten aber auch als Versuch angesehen werden, Macht und Einfluss in einer unbeständigen Region zu festigen.

Darüber hinaus hat die zunehmende Abhängigkeit Saudi-Arabiens von China als diplomatischem Partner es dem Land ermöglicht, wichtige Abkommen mit dem Iran auszuhandeln, was eine Abkehr vom Westen signalisiert. Diese Abkehr könnte zwar dazu beitragen, die Spannungen in der Region abzubauen, bedeutet aber auch, dass die Bemühungen Saudi-Arabiens zur Konfliktlösung von seinen strategischen Allianzen beeinflusst werden könnten, was seine Fähigkeit, als neutrale Partei zu agieren, einschränkt.

Die Rolle des Königreichs im israelisch-palästinensischen Konflikt ist ein weiteres Beispiel für diese Komplexität. Einerseits ist Saudi-Arabien seit jeher ein lautstarker Verfechter der Rechte der Palästinenser, andererseits unterstreicht seine Bereitschaft, die Beziehungen zu Israel im Austausch für Sicherheitsvereinbarungen und andere Vorteile zu normalisieren, den transaktionalen Charakter seiner Diplomatie. 

Die offensichtliche Diskrepanz zwischen der Verurteilung israelischer Aktionen im Gazastreifen durch den Kronprinzen und seinem Interesse an einer Normalisierung der Beziehungen zu Israel vor nur wenigen Monaten zeigt, dass die saudi-arabische Außenpolitik oft eher von wechselnden geopolitischen Interessen als von einer konsequenten ethischen Haltung bestimmt wird.

Damit Saudi-Arabien als Vermittler eines dauerhaften Friedens wirklich Profil entwickeln kann, müsste es sein Engagement für eine unparteiische Konfliktlösung ohne Hintergedanken unter Beweis stellen und seine Bereitschaft zeigen, sich mit seinen eigenen internen Menschenrechtsproblemen auseinanderzusetzen. Bis solche Veränderungen eintreten, wird die Fähigkeit des Landes, einen bedeutenden Friedensprozess anzuführen, insbesondere in seiner eigenen Nachbarschaft weiterhin Anlass zu Skepsis und Diskussionen geben.

Amine Ayoub ist ein in Marokko ansässiger Politikanalyst und Autor. (Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)

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