Saif al-Adel: Neuer al-Qaida-Anführer lebt im Iran 

Wurde nach al-Zawahiris Tod zum neuen al-Qaida-Chef: Said al-Adel
Wurde nach al-Zawahiris Tod zum neuen al-Qaida-Chef: Said al-Adel (Quelle: FBI)

Wie der UN-Sicherheitsrat kürzlich berichtete, sei der im Iran lebende ägyptische Ex-Militär Saif al-Adel nach der Tötung Ayman al-Zawahiris zum neuen Anführer von al-Qaida geworden. 

Die Vereinigten Staaten und ein Bericht der Vereinten Nationen haben letzte Woche bestätigt, dass der ehemalige ägyptische Offizier der Spezialeinheiten, Saif al-Adel, nach der Tötung von Ayman al-Zawahiri im Juli 2022 die Führung der al-Qaida übernommen hat. 

Die sunnitische Terrororganisation selbst hat ihren neuen Anführer noch nicht offiziell bekannt gegeben, da die Taliban in Afghanistan nicht zugeben wollen, dass al-Zawahiri durch eine amerikanische Rakete in einem Haus in Kabul ums Leben kam, heißt es in dem UN-Bericht. Schließlich beweise »die Anwesenheit von Zawahiri im Zentrum von Kabul eine anhaltende und kooperative Beziehung zwischen al-Qaida und den Taliban«, während die Taliban den USA und anderen versichert haben, keine Personen oder Gruppen zu beherbergen, die den Westen oder seine Verbündeten von afghanischem Territorium aus bedrohen.

Der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, erklärte am vergangenen Mittwoch, der im Iran lebende ägyptische Staatsbürger Saif al-Adel sei nach der Tötung al-Zawahiris neuer Anführer von al-Qaida geworden. »Unsere Einschätzung stimmt mit jener der Vereinten Nationen überein, dass sich der neue de-facto-Führer von al-Qaida, Saif al-Adel, im Iran aufhält«, so der Sprecher weiter: »Das Angebot eines sicheren Hafens für al-Qaida ist ein weiteres Beispiel für die weitreichende Terrorunterstützung durch den Iran und seine destabilisierenden Aktivitäten im Nahen Osten und darüber hinaus.«

Der Ausschuss des UN-Sicherheitsrats, der die Sanktionen gegen den Islamischen Staat und al-Qaida überwacht, veröffentlichte am vergangenen Dienstag einen Bericht, in dem es heißt, aufgrund der beschränkten Nachrichtenlage sei es zwar schwierig, zu endgültigen Schlussfolgerungen über »die Frage der Nachfolge und deren Auswirkungen auf die von der Gruppe ausgehende Bedrohung« zu kommen, aber in den im November und Dezember stattgefundenen Diskussionen habe eine Reihe von Mitgliedsstaaten die Ansicht vertreten, Saif al-Adel agiere »bereits als faktischer und unangefochtener Anführer der Gruppe« und stehe »vorerst für Kontinuität«. 

Iran weist UNO-Bericht zurück

Die meisten Mitgliedstaaten, so die Vereinten Nationen weiter, seien der Ansicht, einer der Hauptfaktoren für die Weigerung al-Qaidas, die Neubesetzung der Führungsposition und die Rolle al-Adels öffentlich zu verkünden, sei sein »Aufenthalt im Iran, der al-Qaida vor große religiöse, konfessionelle und operative Probleme stellt«. Obwohl sich al-Qaida von der heftigen antischiitischen Rhetorik des Islamischen Staates distanziert hat, ist ihre Ideologie immer noch in einer konfessionellen Feindschaft verwurzelt, die schiitische Muslime – und damit die Mehrheit der Iraner – als Ketzer und Feinde der sunnitischen Mehrheit betrachtet.

Die Tatsache, dass al-Qaida trotz grundlegender ideologischer Differenzen mit der schiitischen Regierung in Teheran in der Vergangenheit kaum iranische Interessen ins Visier nahm, hat Raum für Spekulationen über mögliche Verbindungen und Austauschbeziehungen zwischen den beiden Seiten gelassen. So erklärte etwa US-Außenminister Mike Pompeo im Januar 2021, al-Qaida habe im Iran »eine neue Heimatbasis« gefunden, da Funktionäre der Islamischen Republik der Gruppe erlaubt hätten, »ihr operatives Hauptquartier auf iranischem Territorium einzurichten und Geldmittel zu beschaffen«.

Die ständige Vertretung des Irans bei den Vereinten Nationen und der iranische Außenminister Hussein Amir-Abdollahian wiesen letzten Donnerstag die jüngsten UNO-Ausführungen dann auch unverzüglich zurück, nach denen der neue al-Qaida-Anführer im Iran leben soll. Der UN-Bericht enthalte »Fehlinformationen«, die »möglicherweise die Bemühungen zur Bekämpfung des Terrorismus behindern« könnten, hieß es von iranischer Seite, die behauptet, al-Qaida als globales Netzwerk sei nach dem Tod ihres Anführers Osama bin Laden im Jahr 2011 aufgelöst worden.

Amir-Abdollahian drohte auf Twitter, er »rate dem Weißen Haus, mit seiner gescheiterten Kampagne der Iranophobie aufzuhören« und erklärte, die Behauptung einer »Verbindung von al-Qaida mit dem Iran« sei »absurd und unbegründet«. Der Iran, so versuchte Amir-Abdollahian den Ball zurückzuspielen, sei also die »falsche Adresse« für die Anschuldigungen der Vereinten Nationen, da es ja vielmehr die US-Regierung gewesen sei, die Gruppen wie al-Qaida und den Islamischen Staat ins Leben gerufen habe.

Allerdings ist inzwischen allgemein bekannt, dass Dutzende hochrangiger al-Qaida-Mitglieder und ihre Familien nach der von den USA angeführten Invasion Afghanistans im Anschluss an die Anschläge vom 11. September 2001 im Iran Schutz gesucht haben. So hatte das US-Außenministerium bereits in der Vergangenheit erklärt, dass Adel im Iran ansässig sei. Das Rewards for Justice Program des Ministeriums bietet bis zu zehn Millionen Dollar für Informationen über Adel, der vor der Übernahme der al-Qaida-Spitze Mitglied des al-Qaida-Führungsrats war und das Militärkomitee der Organisation geleitet hat. 

Wer ist Saif al-Adel?

Den Posten des militärischen Befehlshabers von al-Qaida übernahm Saif al-Adel – der unter seinem richtigen Namen, Muhammad Salah Al-Din Abdel Halim Zaidan, seit Januar 2001 auf der Schwarzen Liste der Vereinten Nationen steht –, nachdem Mohammed Atef, ein ranghoher Berater von Osama bin Laden, im November 2001 bei einem US-Angriff getötet worden war. Zuvor war er bin Ladens ranghöchster Leibwächter und wichtigster Ausbilder von al-Qaida-Kämpfern, der in den 1990er Jahren Ausbildungslager für die Organisation im Sudan, in Pakistan und Afghanistan eingerichtet hatte.

Im Gegensatz zu seinen getöteten Vorgängern an der Spitze der Organisation, deren Brandreden, in denen sie etwa die Vereinigten Staaten bedrohten, via Video rund um den Globus ausgestrahlt wurden und für Aufsehen sorgten, plante al-Adel Experten zufolge Anschläge aus dem Verborgenen, während er dazu beitrug, al-Qaida zur tödlichsten militanten Gruppe der Welt zu machen. 

Al-Adel wird von westlichen Beamten als eine massive Bedrohung angesehen, der sich durch seine organisatorische Fähigkeit und sein Engagement in islamistischen Extremistenkreisen großen Respekt verschafft hat. Er begann seine Extremistenkarriere in den 1980er Jahren bei der ägyptischen Organisation Islamischer Dschihad, wo er verdächtigt wurde, an der Ermordung des ägyptischen Präsidenten Anwar al-Sadat durch islamistische Soldaten während einer Militärparade beteiligt gewesen zu sein.

Im November 1998 wurde al-Adel von einer US-Bundesjury wegen seiner Rolle bei den Bombenanschlägen auf die US-Botschaften in Tansania und Kenia angeklagt, bei denen 224 Zivilisten getötet und mehr als 5.000 weitere verletzt worden waren und mit denen die internationale Terrorkampagne von al-Qaida begann. Später zog der ehemalige Oberstleutnant der ägyptischen Armee in den Südosten des Irans, wo er unter dem Schutz der Islamischen Revolutionsgarde lebte. Zwar stellte der Iran ihn und andere al-Qaida-Führer im April 2003 unter Hausarrest, ließ ihn und vier weitere Personen jedoch im Austausch gegen einen entführten iranischen Diplomaten im Jemen wieder frei.

Die Expertin für terroristische Organisationen an der Universität Oxford, Elizabeth Kendall, erklärte, Saif al-Adels »professioneller militärischer Hintergrund in der ägyptischen Armee und seine Erfahrung als Leiter des militärischen Komitees von al-Qaida vor dem 11. September 2001 bedeuten, dass er über große Qualifikationen verfügt, um die allgemeine Führung von al-Qaida zu übernehmen«.

Der auf radikale Bewegungen spezialisierte Forscher Ahmed Sultan glaubt, die ersten Schritte al-Adel in der al-Qaida-Führung würden darin bestehen, »die finanziellen Kapazitäten der Terrororganisation wiederaufzubauen, die militärischen Fähigkeiten der Organisation wiederherzustellen und terroristische Operationen durchzuführen«. Der afghanische Journalist und Forscher Fadl al-Qaher Qazi ist der Ansicht, dass die Organisation und al-Adels Führung gefährlicher werden könnte, als sie es unter al-Zawahiri war.

Gefährliche Symbolfigur 

Al-Adel bereite nicht nur eine »Neuaufstellung der Organisation vor, die ihre Aktivität erheblich verstärken« könnte, sondern verfüge auch über die praktischen und militärischen Fähigkeiten, die ihm helfen können, die Aktivitäten von al-Qaida wiederzubeleben und sie gefährlicher zu machen. 

Die Präsenz der Organisation im Iran stellt jedoch nach wie vor ein Problem für die Organisation dar, da der Iran ein schiitisches Land ist und al-Qaida eine sunnitische Organisation. Dass sich ihr Anführer in einem potenziell feindlichen Land befindet, in dem die Möglichkeit, sich zu bewegen, zu kommunizieren oder sich mit Partnern zu treffen, von den Entscheidungen der örtlichen Behörden abhängt, ist beispiellos. Der UN-Bericht beschreibt denn auch, dass nach der »Abnutzung« der IS-Führungsriege durch die Tötung eine Reihe von hochrangigen Mitgliedern die Funktion des Anführers hochsymbolisch, ja, »geradezu totemistisch geworden und zu einem Vereinigungspunkt für die gesamte Gruppe ist«.

So habe die Organisation damit zu kämpfen, relevant zu bleiben, da es der zunehmend älteren Führung nicht gelingt, nennenswerte Unterstützung unter jüngeren potenziellen Rekruten zu mobilisieren. Jener Teil der Welt, der laut UNO am meisten Grund zur Sorge bereitet, sei Afrika und insbesondere die Sahelzone, wo »terroristische Gruppierungen lokale Konflikte ausnutzen, um Kämpfer zu rekrutieren und sich in fragilen Gemeinschaften zu etablieren«.

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