Funde von Massengräbern belegen wie systematisch die Mordmaschinerie der beiden diktatorischen Regime im Irak und in Syrien funktionierte.
Erst kürzlich wurde im Südirak in der Wüste nahe der Stadt Samawa unter Zuhilfenahme neuester Satellitentechnologie ein Massengrab entdeckt, in dem vermutlich gegen Ende der 1980er Jahre einhundertfünfzig kurdische Frauen und Kinder verscharrt wurden. Das extrem trockene Wüstenklima sorgte dafür, dass Kleider, ja, selbst Teddybären, fast unzerstört die Zeit überstanden. Journalisten des kurdischen Nachrichtensenders Rudaw waren bei der Öffnung des Grabs dabei und dokumentierten sie mit einer Reihe erschütternder Bilder.
Im Rahmen der sogenannten Anfal-Kampagne, die auf die systematische Zerstörung großer Teile des ländlichen Kurdistans zielte, »verschwanden« fast 200.000 Menschen, deren Leichen nun sukzessive in unzähligen Massengräbern gefunden werden. Damals ließ Saddam Hussein systematisch 2.000 kurdische Dörfer und zehn Städte, teils unter Einsatz von Giftgas, zerstören und die Bevölkerung deportieren. Glücklich jene, die in »Collective Towns« neu angesiedelt wurden, die in den Ebenen Kurdistans lagen und von Militär und Geheimdienst leicht zu kontrollieren waren.
Abertausende Menschen wurden jedoch in die Wüste transportiert, wo man sie erschoss und verscharrte:
»Ein Teil der Gefangenen wurde in einer Reihe aufgestellt, von vorne erschossen und in zuvor ausgehobene Massengräber geschleift; andere stieß man in Gräben und mähte sie mit Maschinengewehrfeuer nieder; wiederum andere zwang man, sich paarweise nebeneinander zu legen – Gesicht an Gesicht mit den Leichen gerade Getöteter –, bevor man sie erschoss; andere wurden am Rand einer Grube aufgestellt, aneinander gefesselt und in den Rücken geschossen, damit sie direkt in die Tiefe stürzten – eine Methode, welche die Mörder wohl als effizienter betrachteten.
Anschließend schütteten Bulldozer Erde und Sand über die Leichenberge. Einige dieser Massengräber enthielten dutzende Gruben und offensichtlich die Leichen tausender Opfer. Beweismaterial deutet daraufhin, dass die Vollstrecker uniformierte Mitglieder der Ba‘ath-Partei waren oder möglicherweise Angehörige des Allgemeinen irakischen Sicherheitsdienstes.«
Diese Praxis machte auch vor Frauen und Kindern nicht Halt.
Unvorstellbare Brutalität
Das ganze Ausmaß dieser Vernichtung kam erst 1991 ans Licht der Öffentlichkeit, als nach dem Ersten Golfkrieg viele Menschen in Irakisch-Kurdistan gegen das Regime rebellierten, Geheimdienstgebäude stürmten und unzählige Dokumente erbeuteten. Diese wurden in den Folgejahren von Human Rights Watch systematisch ausgewertet und in einem Bericht über die Anfal-Kampagne (tatsächlich waren es fünf aufeinander folgenden Vernichtungszüge) festgehalten, aus dem obiges Zitat stammt.
Bis heute wissen viele Iraker nicht, was mit ihren Angehörigen und Freunden, die unter Saddams Herrschaft verschwanden, geschehen ist.
Laut Internationalem Roten Kreuz ist der Irak noch immer eines der Länder mit der höchsten Anzahl vermisster Personen, woran sich auch in naher Zukunft wenig ändern wird. Zwar wurden bislang schon über sechshundert Massengräber entdeckt, aber es wird davon ausgegangen, im Laufe der Zeit noch weitere zu finden, auch solche aus der Zeit nach der Herrschaft Saddams, denn auch der Islamische Staat führte systematische Massenerschießungen durch. Die Exhumierung der Leichen ist ein langwieriger und mühsamer Prozess, da DNA-Proben und Zahnabdrücke zwecks Identifikation der Opfer untersucht werden müssen.
Die Situation ähnelt jener im Nachbarland Syrien, das ebenfalls jahrzehntelang von einer baathistischen Diktatur beherrscht wurde. Die Zahl jener, die in den berüchtigten Foltergefängnissen verschwanden und zu Tode kamen, gehen in die Hunderttausende. Laut Aussagen syrischer Menschenrechtsaktivisten soll vierzig Kilometer nördlich von Damaskus ein Massengrab mit den Überresten von über einhunderttausend Menschen gefunden worden sein. Auf weitere zwölf stieß man südlich der Hauptstadt, eines davon nur wenige Kilometer von Assads prunkvollem Palast entfernt.
Langsam wird also bekannt, dass das syrische Regime offenbar dem irakischen nicht nur bezüglich der extremen Brutalität, die in den Gefängnissen herrschte, kaum nachstand, sondern auch an der systematischen Menschenvernichtung.