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Russlands Krieg und die iranische Bombe. Teil 3: Moskau, Teheran und Berlin

Irans Präsident Raisi begeht den 16. Nationalen Tag der Nukleartechnologie
Irans Präsident Raisi begeht den 16. Nationalen Tag der Nukleartechnologie (© Imago Images / ZUMA Wire)

Die Bundesregierung und ihre Verbündeten stehen angesichts des Schicksals der Ukraine an einer Weggabelung der internationalen Sicherheitspolitik (siehe Teil 1). Dies betrifft vor allem den weiteren Umgang mit dem iranischen Atomwaffenprogramm (siehe Teil 2).

Die deutsche Iran-Politik zeichnet sich durch eine Besonderheit aus: Sie war der einzige Bereich, auf dem Deutschland gemeinsam mit den fünf Atommächten des UN-Sicherheitsrats auf Augenhöhe kooperieren konnte, um eine iranische Atombewaffnung zu verhindern. Jetzt aber stürzt Russlands Ukraine-Krieg die deutsche Iran-Politik in eine Krise.

Dies hängt mit der selbstgewählten Rolle Berlins im Rahmen der 5+1-Gespräche zusammen, bei denen sich die deutschen Emissäre stets auf Vermittlung und Dialog konzentriert haben. Es war nicht ungewöhnlich, dass sie im Rahmen dieser Verhandlungen auch mal gegen das westliche Lager Partei ergriffen und für Kompromisse mit Russland und China eintraten. Seit dem Ukraine-Krieg aber ist einer Politik der Vermittlung und des Dialogs der Boden entzogen. Stattdessen hat Putins Angriff eine Blockbildung forciert: hier die Autokraten aus Peking und Teheran, die Moskaus Angriffskrieg unterstützen, dort die Demokratien, die der ukrainischen Seite beistehen wollen.

Diese Aufspaltung in zwei Lager kündigte sich seit Längerem an. Als die 5+1-Gespräche 2006 begannen, standen sich zwar noch die fünf ständigen Vertreter im Sicherheitsrat plus Deutschland auf der einen und das iranische Regime auf der anderen Seite gegenüber. Doch diese Frontstellung ist zerfallen.

Im Herbst 2015 wechselte Russland die Seite, um sich im Syrienkrieg mit dem Iran zu vereinen. Später begann die Volksrepublik China, Teheran vor den Folgen amerikanischer Sanktionen zu schützen. Seither baut der Iran nicht nur sein Atomwaffenprogramm, sondern auch seine Kooperation mit Russland und China beständig aus. So reiste Irans Präsident Ebrahim Raisi im Januar dieses Jahres nach Moskau, wo er mit Wladimir Putin zusammentraf. Noch im selben Monat fand im Persischen Golf ein gemeinsames Manöver der chinesischen, russischen und iranischen Marine statt.

Interesse verloren

Dessen ungeachtet setzte man die Wiener Atomgespräche über die Wiederbelebung des Atomdeals von 2015 fort. Sie begannen im April 2021 und wurden zwischen dem Iran und den verbliebenen Teilnehmern des Atomabkommens – China, Russland, EU, Großbritannien, Frankreich und Deutschland – geführt. Den USA wurde auf iranisches Bestreben eine Teilnahme verweigert – sie wurden durch europäische Emissäre über das Geschehen informiert.

Es zeichnete sich jedoch schnell ab, dass das iranische Regime »das Interesse an einer Wiederbelebung des Atomdeals verloren« hatte, wie ich im Mai 2021 schrieb, weil ihm die Fortsetzung des Atomwaffenprojekts nunmehr wichtiger schien als der Wegfall von Sanktionen. Gleichzeitig wollten die iranischen Machthaber »die Gespräche möglichst lange und möglichst ergebnislos weiterlaufen lassen«, konnte man doch unter ihrem Schutz das Atomwaffenprogramm ungestört weiter ausbauen.

Diese Taktik Teherans ging auf: Die Wiederbelebung des Atomdeals, die das iranische Atomwaffenprogramm eingeschränkt hätte, ist offenkundig gescheitert. Gleichzeitig hat das Regime den Atomwaffensperrvertrag gleich mehrfach gebrochen: Es weigert sich, der IAEA über frühere Atomwaffenexperimente Auskünfte zu erteilen; es verbietet den IAEA-Inspektoren den Zugang zu Inspektionsaufzeichnungen und produziert Komponenten, die nur für Atomwaffen verwendet werden können. Die ganze Welt verfolgt seit Jahren scheinbar machtlos, wie unter einem Firnis von Dementis und Täuschungen die iranische Bombe wächst.

Dies war die Situation, als Putins Krieg gegen die Ukraine begann. Wie wirkt sich dieser auf die Iran-Akte und die Wiener Gespräche aus?

Er schweißt zum einen die von westlichen Sanktionen betroffenen Mächte – Russland, China und Iran – weiter zusammen. Aus trilateralen Kontakten wird ein ideologischer Block, der den liberalen Demokratien als Antipode gegenübersteht. Das bedeutet: Als Widersacher des iranischen Atomwaffenprojekts fallen Moskau und Peking vorerst aus. Das Wiener Gesprächsformat ist gestorben. Gemeinsame Erklärungen wird es nicht mehr geben.

Damit fällt zum anderen die undankbare Aufgabe, Irans Atombewaffnung zu verhindern, an den »Westen«, also an all jene Staaten, die den Verteidigungskrieg der Ukraine unterstützen. Dazu gehört bekanntlich auch Deutschland, das zur Iran-Frage bislang aber schweigt.

Wie reagiert Berlin?

Dabei hat der Ukraine-Krieg die Frage der nuklearen Abrüstung dringlicher denn je auf die Tagesordnung gesetzt. Würde man den iranischen Fanatikern den Atomwaffenstatus, den sie erreichen wollen, zuerkennen, wäre nicht nur das internationale System der nuklearen Nonproliferation zerstört, sondern dann müsste sich … insbesondere »Israel wappnen. Ein neuer entsetzlicher Krieg, der alles bisher Gewesene in den Schatten stellt, droht am Horizont.«

Die Bundesregierung und ihre Verbündeten stehen angesichts des Schicksals der Ukraine an einer Weggabelung der internationalen Sicherheitspolitik. In die eine Richtung marschieren jene, welche die iranische Atomwaffenfähigkeit bereitwillig hinnehmen und, wie der Spiegel-Kolumnist Nikolaus Blome nunmehr fordern, »dass Deutschland sich atomar bewaffnet«.

Der andere Kurs setzt »auf die Macht von Verträgen« und will Russlands eklatante Verstöße gegen das Budapester Abkommen maximal bestrafen. Gemeinsam mit Israel und den USA setzen seine Verfechter Himmel und Hölle in Bewegung, um Irans Atomwaffenfähigkeit abzuwenden und das am Horizont drohende Inferno zu verhindern.

Welche Richtung wird Berlin einschlagen? Welche Schlussfolgerung wird es aus der Tatsache ziehen, dass auch in punkto Iran das »Kartenhaus der Hoffnungen, Illusionen und Selbsttäuschungen« längst zusammengebrochen ist?

In Teil 1 dieses Artikels geht es um die Frage der vielzitierten »›Zeitenwende‹ für die deutsche Politik« und in Teil 2 stellt dar, inwiefern »Russland als Vorbild für den Iran« dient.

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