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Eine Ohrfeige für die deutsche Israelpolitik

Deutschlands UN-Botschafter Christoph Heusgen und Außenminister Heiko Maas (imago images/photothek)
Deutschlands UN-Botschafter Christoph Heusgen und Außenminister Heiko Maas (imago images/photothek)

Der deutsche Botschafter bei den Vereinten Nationen wird vom Simon-Wiesenthal-Center scharf kritisiert. Angesichts des deutschen Stimmverhaltens ist das mehr als berechtigt.

Das Simon-Wiesenthal-Center hat den deutschen Botschafter bei den Vereinten Nationen auf seine Liste der zehn schlimmsten antisemitischen oder antiisraelischen Vorfälle des Jahres gesetzt. Das findet zwar nicht nur die Bundesregierung, sondern auch der israelische Botschafter unangemessen. Doch es ist eine berechtigte Quittung vor allem für das antiisraelische deutsche Abstimmungsverhalten bei der UNO.

Die Nominierung des deutschen UN-Botschafters Christoph Heusgen durch das Simon-Wiesenthal-Center (SWC) für dessen diesjährige Top Ten der zehn schlimmsten Fälle von antisemitischem respektive antiisraelischem Verhalten hat für diplomatische Wellen gesorgt. Die Berufung wurde schon vor der offiziellen Veröffentlichung bekannt, weil die Jerusalem Post darüber berichtet hatte. Einem weiteren Beitrag dieser Zeitung zufolge unternahm die deutsche Bundesregierung daraufhin den Versuch, diese Nominierung in letzter Minute abzuwenden. Andreas Michaelis, Staatssekretär im Außenministerium, wandte sich demnach in einem Schreiben an das SWC, in dem er die Bitte äußerte, „die Entscheidung zu überdenken“.

Er schätze die Arbeit des SWC sehr, so Michaelis weiter, aber die Aufnahme von Heusgen in die Top Ten gehe „am Ziel vorbei“ und nehme „einen ehrenwerten Freund Israels“ ins Visier. Das Ranking tue dem UN-Botschafter „großes persönliches Unrecht“, denn Heusgen sei „kein Antisemit“. Vielmehr fänden „ohne seine engagierten Bemühungen keine regelmäßigen deutsch-israelischen Regierungskonsultationen statt“, und ohne ihn „wäre die Lieferung von amerikanischen U-Booten an Israel wahrscheinlich nie zustande gekommen“.

Das Wiesenthal-Center zeigte sich unbeeindruckt von dieser Intervention. „Wir haben Botschafter Heusgen insbesondere wegen seiner jüngsten Handlungen und Worte vor den Vereinten Nationen auf die Top-Ten-Liste der antisemitischen und antiisraelischen Vorfälle gesetzt“, schrieb der stellvertretende Direktor des SWC, Rabbi Abraham Cooper, in seiner Antwort an Michaelis. „Bei der Definition von Antisemitismus im 21. Jahrhundert orientiert sich das Simon-Wiesenthal-Center an der 3-D-Definition von Natan Sharansky, aus der hervorgeht, wann antiisraelische Kritik in Antisemitismus übergeht.“ Die zentrale Rolle spielen dabei die Begriffe Dämonisierung, Delegitimierung und Doppelstandards.

Alle Kriterien des 3-D-Tests treffen zu

Tatsächlich treffen alle diese mit einem „D“ beginnenden Definitionskriterien zu, wenn man sie auf das deutsche Abstimmungsverhalten bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen anwendet, das Heusgen in die Tat umsetzt. Kein anderes Land wird dort auch nur annähernd so oft verurteilt wie das demokratische Israel, und Deutschland beteiligt sich in den weitaus meisten Fällen daran. Durch die Resolutionen wird der jüdische Staat als mit weitem Abstand größter Menschenrechtsverletzer der Welt verteufelt, seine Existenzberechtigung wird schon durch die schiere Zahl an Verurteilungen in Zweifel gezogen, und an das Land werden Maßstäbe angelegt, die für keinen anderen Staat gelten.

Heusgen ist zwar nicht persönlich dafür verantwortlich, wie Deutschland bei der UNO abstimmt. Er habe vielmehr, wie das Auswärtige Amt betont, „die Haltung der Bundesregierung“ zu vertreten und handle „auf Weisung aus Berlin“. Das SWC hat ihn jedoch auch deshalb in seine Top Ten aufgenommen, weil er im März auf einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates in forderndem Ton sagte: „Zivilisten müssen ohne Angst vor israelischen Bulldozern und vor palästinensischen Raketen leben können.“ Damit setzte der Botschafter den Abriss von Gebäuden, die ohne Baugenehmigung errichtet wurden, mit Terror gegen die Zivilbevölkerung gleich – just zu einem Zeitpunkt, als einmal mehr Raketen aus dem Gazastreifen nach Israel abgefeuert wurden.

Rabbi Cooper sagte, Heusgens Worte verletzten nicht nur Israel, sie verwischten auch „die moralische Grenze zwischen dem demokratischen jüdischen Staat und einer völkermörderischen antisemitischen Terrorgruppe, die geschworen hat, Israel und seine neun Millionen Bürger, darunter über sechs Millionen Juden, zu zerstören“. Das Simon-Wiesenthal-Center erwarte nicht, dass Deutschland mit jeder Entscheidung Israels einverstanden ist, „aber wir können nicht akzeptieren, wenn sich sein führender Diplomat auf der internationalen Bühne mit der ununterbrochenen Kampagne der Feinde Israels verbündet, den jüdischen Staat als den schlimmsten Menschenrechtsverletzer der Welt zu bezeichnen“.

Heusgen wurde stellvertretend nominiert

Das sind wahre Worte, trotzdem erhielt die Bundesregierung die Unterstützung des israelischen Botschafters in Deutschland. „Wir mögen manchmal Differenzen in politischen Fragen haben. Aber das heißt nicht, dass jemand antisemitisch ist, wenn er nicht mit uns einer Meinung ist“, sagte Jeremy Issacharoff. „Ich glaube, man sollte sehr vorsichtig damit sein, Menschen bestimmte Etiketten aufzudrücken, vor allem, wenn es um den Vorwurf des Antisemitismus geht.“ Politische Differenzen zwischen Deutschland und Israel dürften nicht auf der persönlichen Ebene ausgetragen werden, so Issacharoff weiter. Die Kritik an Heusgen findet er „wirklich völlig unangebracht“, sie erschwere die Diskussion.

Nun geht es allerdings nicht bloß um eine simple Meinungsverschiedenheit, und man kann auch nicht sagen, dass der politische Streit ad hominem geführt wird. Das Simon-Wiesenthal-Center hat vielmehr den deutschen Repräsentanten bei der UNO, der bisweilen einen gewissen persönlichen Eifer walten lässt, wenn es um Israel geht, durchaus stellvertretend in die Top Ten gehoben – für die deutsche Regierung und deren Politik gegenüber dem jüdischen Staat in der Weltorganisation. Mit dieser Nominierung hat das SWC auch hinreichend deutlich gemacht, wie absurd es ist, wenn Außenminister Heiko Maas sagt, man trete einer unfairen Behandlung Israels bei den Vereinten Nationen entgegen, um dann doch fast durch die Bank gegen Israel zu stimmen.

Jeremy Issacharoff ist Diplomat, deshalb wird er natürlich nichts deutlich Negatives zu Christoph Heusgen äußern, erst recht nicht öffentlich. Andere in Israel dürften es dagegen begrüßen, dass Deutschland für seine Beteiligung am Israel-Bashing in der UNO – die es noch mit dem Argument verteidigt, durch das Mitmachen werde Schlimmeres für den jüdischen Staat verhindert, schließlich habe man der palästinensischen Seite vorher noch üblere Formulierungen ausgeredet – eine unangenehme Quittung präsentiert bekommen hat. Möglicherweise war es nicht die letzte.

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