Ein westlicher Diplomat mit Insiderwissen über den Fall beschreibt IStGH-Chefankläger Karim Khans Motive für die Ausstellung von Haftbefehlen gegen israelische Politiker.
Kaum wurde bekannt, dass der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs Karim Khan eine Mitarbeiterin sexuell missbraucht und unter Verweis auf »die Opfer in Gaza« Druck auf sie ausgeübt haben soll, ihre Beschwerde gegen ihn zurückzuziehen, da entsprechende Ermittlungen seine Beantragung von Haftbefehlen gegen Israels Premier Benjamin Netanjahu und Ex-Verteidigungsminister Yoav Gallant beeinträchtigen könnten, werden auch schon neue Vorwürfe gegen Khan laut.
So soll Khan gehofft haben, die beiden Haftbefehle würde den Westen gegen Israel aufbringen, wie ein hochrangiger westlicher Diplomat mit Insiderwissen über den Fall in einem Exklusivinterview mit der Jerusalem Post erklärte.
Dieser habe den Eindruck gehabt, Khans Entscheidung, Haftbefehle gegen israelische Politiker zu erlassen, beruhe auf einer Kombination aus dem Wunsch, mächtige westliche Nationen gegen Israel aufzubringen und öffentlichen Druck durch pro-palästinensischen Gruppen abzumildern.
In einem Gespräch, das er letztes Jahr mit Khan geführt hatte, habe dieser ihm gegenüber geäußert: »Warten Sie es nur ab. Wenn ich Haftbefehle gegen Netanjahu beantrage, würde dies Ländern wie Deutschland und Kanada den Vorwand liefern, sich gegen die israelische Regierung zu stellen.« Er erinnere sich, zuerst gedacht zu haben: »Wie naiv kann man sein? Aber dann dachte ich: Das ist nicht Ihre Aufgabe. Sie sollten sich von Gesetzen, Fakten und Beweisen leiten lassen, nicht von dem Gedanken, dass Deutschland sich gegen einen gewählten Politiker wenden könnte«, sagte der Diplomat über sein Treffen mit dem Chefankläger.
Vor dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 galt Khan nicht als großer Verfechter der palästinensischen Sache. Ende desselben Jahres starteten die BDS-Bewegung und pro-palästinensische Organisationen sogar eine Kampagne gegen ihn, den sie dafür kritisierten, wegen angeblicher Kriegsverbrechen gegen Israelis nicht vorzugehen. Die BDS-Bewegung bezichtige Khan der »Beihilfe zum Völkermord« und forderte seine Entlassung und Ersetzung durch jemanden, der gegen Israel vorgehen würde.
Nicht stimmig
In einem Schreiben, in dem er auf die Vorwürfe einging, betonte Khan, diese beruhten »auf falschen Prämissen« und nicht auf politischen Motiven oder persönlichen Angelegenheiten. Khan sagte auch, dass er Ende März 2024 persönlich in Washington gewesen sei, »wo er hochrangigen Regierungsbeamten mitteilte, bis Ende April Haftbefehle gegen die genannten Personen beantragen zu werden«, womit Netanjahu und Gallant gemeint waren.
Tatsächlich gab es zwei separate Treffen mit dem damaligen Außenminister Antony Blinken sowie mit dem damaligen Nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan und Brett McGurk und dem Koordinator des Nationalen Sicherheitsrats des Weißen Hauses für den Nahen Osten und Nordafrika. Selbst, wenn er seine Gesprächspartner Ende März über seine Entscheidung informierte, habe er zumindest in weiterer Folge »in böser Absicht gehandelt«, wie es in der Jerusalem Post heißt.
Denn die aktuelle Behauptung Khans passt nicht mit dem offiziellen Zeitplan zusammen, laut dem er Ende Mai Israel besuchen wollte, um sich vor Ort ein Bild über die Lage zu machen. Diesen Besuch sagte der IStGH-Ankläger kurzfristig ab und verkündete stattdessen seine Beantragung der Haftbefehle. »Wenn Khan tatsächlich bereits Ende März beschlossen hatte, Haftbefehle zu beantragen, dann wären alle späteren Gespräche mit hochrangigen israelischen, amerikanischen und anderen Beamten über seinen Besuch im Gazastreifen am 27. Mai unter falschen Vorwänden geführt worden«, fasste der Diplomat zusammen.
Absichtlich getäuscht?
So telefonierte Kahn noch am 1. Mai mit zahlreichen Senatoren und versicherte ihnen, weitere Untersuchungen zu führen und noch keine Entscheidung getroffen worden seien. »Ich hatte den Eindruck, dass wir ein gutes Gespräch hatten und er nach Israel reisen und sich die israelische Seite anhören würde, wie es meiner Meinung nach gesetzlich vorgeschrieben ist. Ich glaube, jeder Senator, der an diesem Telefonat teilgenommen hat, wäre überrascht zu hören, dass er damals bereits eine Entscheidung getroffen hatte«, so Senator Lindsey Graham zu den nun von Khan gemachten Angaben.
Die Art und Weise, wie der IStGH-Ankläger gehandelt habe, sei ohnehin schon empörend genug gewesen, denn durch die Absage seiner geplanten Israelreise habe er beschlossen, die Haftbefehle zu verkünden, bevor er Israels Seite der Geschichte gehört hat, was einen Bruch der Verfahrensregeln bedeutete, fuhr Graham fort. Würde er jetzt auch noch erklären, sich Anfang Mai »bereits entschieden [zu haben], dann war das gesamte Gespräch, das er mit uns allen geführt hat, eine Täuschung«.
Geht es nach dem republikanischen Senator, der auch Mitglied des Justizausschusses des Senats ist, habe Khan entweder die Senatoren in dem Telefonat in die Irre geführt oder rückwirkend ein Datum erfunden, von dem er glaube, dass es ihm bei den gegen ihn erhobenen sexuellen Vorwürfen von Vorteil sein könnte.