In Brasilien wurden auf Ersuchen der Anti-Israel-Organisation Hind-Rajab-Stiftung gegen einen israelischen Touristen Ermittlungen wegen angeblicher Kriegsverbrechen eingeleitet.
Ein Israeli, der den Angriff der Hamas beim Nova-Musikfestival am 7. Oktober 2023 überlebt hatte, musste seinen Urlaub in Brasilien abbrechen und aus dem Land fliehen, nachdem das brasilianische Bundesgericht auf Ersuchen einer Anti-Israel-Organisation die Polizei angewiesen hatte, Ermittlungen wegen angeblicher Kriegsverbrechen gegen ihn einzuleiten.
Wie israelische Medien berichteten, habe der israelische Außenminister Gideon Sa’ar die Konsularabteilung des Ministeriums und die Botschaft in Brasilien angewiesen, den Mann und seine Familie zu kontaktieren, die ihn »während der gesamten Veranstaltung bis zu seiner schnellen und sicheren Abreise aus Brasilien begleiteten. Das Außenministerium macht die Israelis auf Beiträge in sozialen Medien über ihren Militärdienst aufmerksam und auf die Gefahr, antiisraelische Elemente könnten diese Beiträge ausnutzen, um aussichtslose Gerichtsverfahren gegen sie einzuleiten», fügte das Ministerium hinzu.
Der Vater des Soldaten sagte gegenüber einem israelischen Fernsehsender, ein Freund, der mit seinem Sohn unterwegs war, habe eine Nachricht von einem israelischen Diplomaten erhalten, in der ihm mitgeteilt wurde, dass ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden sei. »Ich forderte sie auf, sofort zu fliehen und keinen Moment länger zu bleiben«, so der Vater. »Wir müssen sicherstellen, dass sie die Wahrheit über den Soldaten erfahren. Er ist kein Verdächtiger; er ist ein Soldat, der durch die Hölle gegangen ist.«
Dem Mann wird vorgeworfen, sich als Reservist der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte bei einem Einsatz im Gazastreifen bei der Sprengung eines Gebäudes gefilmt zu haben. Informationen über Ort und Motiv der Sprengung sind nicht bekannt.
Fehler der Justiz
Laut der Nachrichtenagentur Jewish News Syndicate (JNS) steckt hinter dem Verhaftungsplan ein in Belgien eingetragener Verein namens Hind-Rajab-Stiftung, die im September in Brüssel als gemeinnützige Organisation gegründet und nach einem palästinensischen Kind benannt wurde, das während der israelischen Militäroperation im Gazastreifen angeblich von der israelischen Armee getötet worden war.
Bei der Stiftung soll es sich um einen Zweig der »Bewegung des 30. März« handeln, die seit mehr als drei Jahrzehnten israelische Soldaten juristisch verfolgt und von zwei im Libanon geborenen Aktivisten angeführt wird: Dyab Abou Jahjah und Karim Hassoun (hier mit seiner Kalaschnikow zu sehen). »Die Stiftung sammelt online öffentlich zugängliche Informationen über israelische Soldaten, darunter Einzelheiten über Militäreinsätze, an denen sie teilgenommen haben, mit dem Ziel, sie im Ausland strafrechtlich zu verfolgen«, beschreibt JNS die Vorgangsweise.
Seit dem 7. Oktober 2023 habe die Hind-Rajab-Stiftung in acht Ländern Klagen gegen mehr als 28 israelische Soldaten erhoben und an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) Informationen über mehr als tausend israelische Soldaten übermittelt, welche die Organisation bezichtigt, im Gazastreifen und im Libanon Kriegsverbrechen verübt zu haben.
Maíra Pinheiro, eine Anwältin, welche die Hind-Rajab-Stiftung in Brasilien juristisch vertritt und die Verhaftung des Reservisten beantragt hatte, bezeichnete den Staat Israel in einem Interview als »Völkermordprojekt« bzw. »Apartheid- und Völkermordregime« und kündigte die Fortsetzung ihrer Arbeit »weiter wie bisher« an: »Wir überwachen den Fall, sammeln Beweise unter strikter Einhaltung der Aufbewahrungskette digitaler Beweise, verwenden detaillierte Geolokalisierungsdaten und verfolgen die Bewegungen dieser möglichen Kriegsverbrecher durch geheimdienstliche Ermittlungen auf Grundlage von Open Source.«
Die Juristin wirft der israelischen Regierung zudem vor, gegen die »brasilianische Souveränität« verstoßen zu haben, indem sie ihren Staatsbürger warnte und außer Landes brachte: »Ich betrachte dies auch als Mangel an Respekt gegenüber der brasilianischen Souveränität und den Institutionen, insbesondere, weil wir einen Antrag auf Untersuchung und Verhängung von Vorsichtsmaßnahmen unter Wahrung aller Rechte und Garantien gestellt haben, die Teil eines ordnungsgemäßen Verfahrens und einer umfassenden Verteidigung sind. Als Reaktion darauf drohen Mitglieder der israelischen Regierung, Menschen bei der Hind-Rajab-Stiftung zu töten.« Diese Behauptung bezieht sich wohl auf einen Tweet des israelischen Ministers Amichai Chkili, in dem dieser sarkastisch »warnte«, der Hind-Rajab-Gründer Dyab Abou Jahjah solle »seinen Pager im Blick« behalten – ein ironischer Hinweis auf dessen Beziehungen zur Hisbollah.
Gefühl der Straflosigkeit
Jahjah zeterte auf X: »Der israelische Minister Amichai Chikli hat mich offen bedroht. Das ist ein eklatanter Akt des Terrorismus und der Aufwiegelung. Ich werde eine Klage gegen ihn einreichen. Was für ein halluzinatorisches Gefühl der Straflosigkeit«, woraufhin Chkili Dokumente aus öffentlich zugänglichen Quellen wie der New York Times postete, in denen sich Jahjah zur Hisbollah bekannt hatte.
Daraufhin wiederum bekräftigte dieser seine Wertschätzung der in der EU und den USA verbotenen libanesischen Terrororganisation: »Ich fühle mich geehrt, dass Sie mich beschuldigen, zur Hisbollah zu gehören. Ich respektiere sie für ihren Kampf gegen Ihre Invasionshorden im Libanon, aber ich vertrete diese Ideologie nicht. Mich zu beschuldigen, Teil ihres Widerstands zu sein, ist eine Ehre, die ich nicht für mich beanspruche. Ich war mit sechzehn Jahren Teil einer viel kleineren linken Gruppe im Libanon und ja, ich bin stolz darauf.«
William Douglas, brasilianischer Professor für Verfassungsrecht, verurteilte die geplante Verhaftung des Touristen, die seiner Meinung nach einen glatten Missbrauch der Justiz darstelle und für die es keine gesetzliche Grundlage gebe, wie er auf Odia schreibt:
»Ausgangspunkt dieser bizarren und opportunistischen Anfrage war die Hind Rajab Foundation (HRF), eine obskure NGO ohne jegliche Glaubwürdigkeit mit Sitz in Belgien, deren Leiter Dyab Abou Jahjah Mitglied der schiitischen Miliz Hisbollah war. In den sozialen Medien bezeichnete Dyab die Hamas-Terroristen, die am 7. Oktober 2023 mehr als tausend Israelis töteten und seitdem Frauen, Kinder und ältere Menschen als Geiseln halten, als Widerstandskämpfer.«
Douglas bedaure, dass die Justiz einen »so großen Fehler« gemacht habe: »Mit diesem Schritt schloss sie sich der Regierung an, die immer wieder den Iran unterstützt, dessen theokratische Diktatur die Mutter allen von Hamas, Hisbollah und Huthi praktizierten Terrorismus ist.«
In diesem Zusammenhang erinnerte er daran, dass der durch das Römische Statut geschaffene Internationale Strafgerichtshof (IStGH) nur dann zuständig sei, sofern der betroffene Staat Unterzeichner ist, was bei Israel nicht zutrifft. Darüber hinaus sei Brasilien gar nicht befugt, Ausländer für Straftaten, die außerhalb seines Territoriums begangen wurden, vor Gericht zu stellen und es derzeit keine gesetzliche Grundlage gebe, um eine als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestufte Straftat zu verfolgen. Es handle sich also um eine »absurde Anfrage«.
Ein Ersuchen, das sich auf die »Fluchtgefahr« einer Person berufe, die nirgendwo auf der Welt strafrechtlich verfolgt werde, sei so unsinnig, dass es sofort abgelehnt werden sollte, so der Jurist. »Ein Tourist wurde von der Justiz als Verdächtiger behandelt, ein sehr schweres Verbrechen begangen zu haben, ohne dass in seinem Land oder im Ausland formale Anklage gegen ihn erhoben worden wäre.« Dies sei eine »Schande für all jene, die den demokratischen Rechtsstaat wertschätzen«. An dieser Art der Verfolgung könnten »nur kranke Geister wie jene, die Terrorismus, Entführungen und Vergewaltigungen fördern oder verteidigen« Interesse haben. Davon abgesehen könnte sich die Angelegenheit negativ auf den Tourismus auswirken, da viele Israelis Urlaub in Brasilien machten.
Persona non grata
Der Soldat überlebte laut Times of Israel das Hamas-Massaker beim Nova-Musikfestival, indem er viele Kilometer rannte, bis er in Sicherheit war, wobei er mehrmals nur knapp den Schüssen der Terroristen entkam.
Wie die Hamas ist auch Brasiliens Regierung Verbündeter des Irans und lässt dessen Kriegsschiffe in brasilianischen Häfen anlegen. Die diplomatische Krise zwischen Jerusalem und Brasília begann im Februar 2024, als Präsident Luiz Inácio Lula da Silva das Vorgehen Israels im Gazastreifen mit dem Holocaust verglich. Nach seiner umstrittenen Rede wurde er auf israelischem Gebiet zur Persona non grata erklärt.
In der Zwischenzeit wurde bekannt, dass sich Karim Hassoun, Mitgründer der Hind-Rajab-Stiftung, auch in die belgischen Kommunalpolitik einbringt, die Parteien im Stadtrat von Willebroek die Zusammenarbeit mit ihm allerdings verweigern und und er aus der Fraktion Iedereen 2830 ausgeschlossen wurde, wie Jewish News Syndicate berichtete. Laut JNS hatte Regina Suchowolski Sluszny, Vorsitzende des belgischen Forums jüdischer Organisationen und Mitglied der Europäischen Jüdischen Vereinigung, die lokalen Politiker aufgefordert, Hassoun nicht in die Koalition aufzunehmen, nachdem das jüdische Magazin Joods Actueel Fotos von ihm veröffentlichte, auf denen er eine Hisbollah-Mütze trägt und vor dem belgischen Holocaust-Museum einen getöteten Hisbollah-Terroristen ehrte.
Gefragt, ob er die Hamas wegen des Überfalls auf Israel im Oktober 2023 verurteile, antworte Hassoun in den sozialen Medien: »Ich verurteile die Hamas dafür, dass sie nicht fünfhundert oder tausend Geiseln genommen hat, sondern nur zweihundert.»