Er wurde bespuckt, getreten, mit dem Messer bedroht – nur weil er berichtete. Der Bild-Journalist Iman Sefati informiert regelmäßig über israelfeindliche Demonstrationen in Berlin. Ein Video-Interview über Hass, Ohnmacht und Haltung. Hier ein Auszug:
Maya Zehden (MZ): Was erlebst du auf den Demonstrationen, über die du berichtest?
Iman Sefati (IS): Ich bin auf Hunderten von Demonstrationen gewesen, aber das, was ich in den letzten eineinhalb Jahren erlebt habe, ist anders. Diese Wut, dieser Hass – das ist keine politische Kritik mehr. Das ist blanker Antisemitismus. Ich wurde von Demonstranten angespuckt, geschubst, getreten, mit Messern bedroht. Sie kennen mein Gesicht. Sie hetzen gezielt gegen mich. Es gab Situationen, da standen Menschen mit Megafonen vor mir und riefen meinen Namen in die Menge und forderten, mich nicht zu Wort kommen zu lassen. Das ist psychischer Terror. Und manchmal wird daraus körperliche Gewalt.
MZ: Wie reagiert die Polizei in solchen Momenten, schützt sie dich?
IS: Heute ist es besser als früher, aber es bleibt ein Problem. Anfangs waren die Einsatzkräfte überfordert. Sie haben die Dynamik dieser Demonstrationen unterschätzt. Statt mich zu schützen, wurde ich mehrfach aufgefordert, den Ort zu verlassen, weil ich angeblich eine Provokation sei. Einmal baten mich Polizisten am Brandenburger Tor, den Platz zu räumen, obwohl ich der Bedrohte war. Sie sagten, ich sei nicht erwünscht. Das war ein Schock für mich. Ich dachte: In welchem Land leben wir?
MZ: Wird die Gewalt auch juristisch aufgearbeitet?
IS: Leider viel zu selten. Es gibt Anzeigen, ja. Die Polizei dokumentiert Übergriffe und beleidigende Parolen. Aber die Justiz zieht kaum Konsequenzen. Viele Täter kommen mit Geldstrafen davon. Kein einziges klares Signal, dass dieser Hass Konsequenzen hat. Ich habe erlebt, wie Menschen »Tod den Juden« rufen und am Ende mit zweihundert Euro Strafe davonkommen. Das macht nicht nur wütend, es ist gefährlich. Denn es zeigt den Extremisten: Ihr könnt weitermachen, euch passiert nichts.
Am Holocaust-Gedenktag suchen Überlebende in Auschwitz nach den Namen ihrer ermordeten Angehörigen. Zur selben Zeit skandieren in Berlin pro Palästina Demonstranten: Intifada Intifada, Intifada! #b2304 pic.twitter.com/sod1gUNn5f
— Iman Sefati (@ISefati) April 23, 2025
MZ: Wie reagierst du, wenn du hörst, es gäbe auch friedliche propalästinensische Demonstrationen?
IS: Natürlich gibt es Kundgebungen, bei denen keine Gewalt stattfindet. Aber ich habe noch nie eine erlebt, auf der sich jemand klar von der Hamas distanziert hätte. Ich habe noch nie jemanden gehört, der offen die Freilassung israelischer Geiseln gefordert hätte. Stattdessen höre ich »From the river to the sea«, »Intifada« – das sind Aufrufe zur Auslöschung Israels. Würde dort jemand tatsächlich für Menschenrechte eintreten, könnte man ins Gespräch kommen. Aber darum geht es ihnen nicht. Es geht um Hass auf Israel, auf Juden – und manchmal auch auf uns Journalisten.
MZ: Was motiviert dich, trotzdem weiterzumachen?
IS: Weil ich nicht wegsehen kann. Weil ich weiß, wie gefährlich es ist, wenn niemand mehr hinsieht. Nach dem 7. Oktober 2023 habe ich Videos gesehen, die mich nicht mehr loslassen. Eine Frau, halb nackt, misshandelt. Kinder, die entführt wurden. Ich dachte: Das könnte meine Schwester sein. Meine Nichte. Es zerreißt mich innerlich. Und dann sehe ich Menschen in Berlin, die diese Gewalt feiern – öffentlich, mit Fahnen, mit Parolen. Ich will später sagen können: Ich habe hingeschaut. Ich habe nicht geschwiegen.
Nach dem Berliner Dyke* March soll der Journalist Iman Sefati vor seinem Haus von einem pro-palästinensischen Aktivisten mit einem Messer bedroht worden sein. Der Fall zeigt ein wachsendes Gewaltpotenzial in der Szene & muss schnellstens aufgeklärt werden!https://t.co/oxnhzM0pCn
— AJC Berlin (@AJCBerlin) July 30, 2024
MZ: Wie sehr greift diese Arbeit in dein Privatleben ein?
IS: Tief. Meine Frau wurde vor unserer Haustür bedroht. Meine Mutter und Schwester haben mich anfangs bei Demos begleitet, um zu filmen, damit wir im Notfall Beweise haben. Sie wurden erkannt. Danach standen Menschen vor unserem Haus. Mein Schwiegervater im Iran wurde verhört. Ich habe seit einem Jahr nicht mehr mit ihm telefoniert, aus Sicherheitsgründen. Trotzdem hat mir niemand gesagt: Hör auf. Sie stehen hinter mir. Und das gibt mir Kraft, weiterzumachen.
MZ: Wie hat deine Herkunft aus dem Iran dein journalistisches Selbstverständnis geprägt?
IS: Ich komme aus einem Land, in dem Andersdenkende gefoltert und hingerichtet werden. Mein Vater war einer von ihnen. Er wurde 1988 vom Regime ermordet. Meine Mutter war Widerstandskämpferin, sie hat mir gezeigt, was Mut bedeutet. Ich bin mit vierzehn Jahren nach Deutschland gekommen – über Schlepper, ohne jede Sicherheit. Ich weiß, wie kostbar Freiheit ist. Deshalb verteidige ich sie. Deshalb bin ich Journalist geworden. Weil ich die Stimme sein möchte für jene, die keine mehr haben. Und weil ich nicht will, dass sich das, was ich als Kind erlebt habe, hier wiederholt.
Zur Person: Iman Sefati wurde im Iran geboren. Seine Familie leistete Widerstand gegen das Mullah-Regime und musste fliehen. Iman Sefati arbeitet bei der Bild-Zeitung als Reporter im Video-Ressort und berichtet regelmäßig über islamistische und antisemitische Proteste auf deutschen Straßen.