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Holocaust- und Hitlerwitze: Neue Enthüllungen zur Amsterdamer »Judenjagd«

Demonstrantin in Amsterdam nach der »Judenjagd« auf Maccabi-Tel-Aviv-Fans
Demonstrantin in Amsterdam nach der »Judenjagd« auf Maccabi-Tel-Aviv-Fans (Imago Images / ANP)

Die im Zuge der aktuellen Gerichtsverhandlung öffentlich gewordenen Erkenntnisse passen nicht zur von vielen Medien kolportierten Geschichte von Hooligan-Zusammenstößen in Amsterdam.

Als an unseren Analysen Interessierte können Sie sich vielleicht noch an meinen Artikel vom 12. November 2024 erinnern, in dem ich über die »Judenjagd« von Amsterdam berichtete.

Die in der Nacht vom 7. auf den 8. November erfolgten Angriffe auf als »Krebsjuden« bezeichnete israelische Fußballfans seien im Voraus geplant gewesen, schrieb ich damals, nachdem bekannt geworden war, dass sich die Angreifer bereits in der Nacht zuvor in Chatgruppen zum »Teil zwei der Judenjagd« verabredet hatten, bevor sie am nächsten Tag die aus dem Stadion kommenden Anhänger von Maccabi Tel Aviv durch die Straßen rund um den Amsterdamer Zentralbahnhof prügelten. Der »Zug voller Juden« sei verspätet, da es sich dabei um einen von Hitler bereitgestellten »Sonderzug … mit Gas« handle, witzelten einige der wartenden Schläger damals.

Antisemitisch motiviert

Die Kenntnis solcher Chatgruppen hinderte Medien wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) jedoch nicht daran, die pogromartigen Übergriffe in einer geradezu paradigmatischen Täter-Opfer-Umkehr als Schlägerei zwischen verfeindeten Hooligan-Banden darzustellen, die durch das Absingen antipalästinensischer Schmähgesänge und dem Schänden einer Flagge der Palästinensischen Autonomiebehörde sogar noch von den Israelis provoziert, wenn nicht gar ausgelöst worden sei.

Schon die ersten Verhandlung im Dezember gegen sieben mutmaßlich an der »Judenjagd« Beteiligte – fünf wurden verurteilt, vier davon zu Gefängnisstrafen –, machten die antisemitische Motivation und Planung hinter den Angriffen ersichtlich. Sie hätten aus Wut gegen die »feigen Juden«, »Krebsjuden« und »Krebszionisten« gehandelt, so die Angeklagten unter Bezug auf ein niederländisches Schimpfwort, und wollten sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, »dreckige Juden zusammenzuschlagen«, wie es in der WhatsApp-Nachricht eines Beschuldigten hieß.

Einer Anklage wegen Terrorismus entgingen die »Judenjäger« nur, weil die Staatsanwaltschaft befunden hatte, die durch die Tat hervorgerufene Angst der Amsterdamer jüdischen Gemeinde sei bloß das Resultat und nicht das bewusste Ziel der Angriffe gewesen.

In der vergangenen Woche standen nun fünf weitere Angeklagte vor Gericht. Einer von ihnen, der 32-jährige Mounir M., wird beschuldigt, der Administrator jener WhatsApp-Gruppe zu sein, in der die Angriffe geplant und koordiniert wurden – und die vor Gewaltfantasien nur so triefte: Einer der Teilnehmer firmierte unter dem Kampfnamen des Hamas-Sprechers Abu Obeida, ein anderer rief zu Rammattacken mit Autos auf, während ein weiterer davon träumte, dass »es mindestens einen Toten geben« müsse.

Wie die niederländische Tageszeitung Het Parool berichtete, ließ das jetzige Verfahren »wenig Raum für Spekulation«: Die Teilnehmer »stachelten sich gegenseitig dazu an, Juden zu jagen«. Nicht nur voll »beleidigender Worte über Juden« sei die Chatgruppe gewesen, auch die eingangs zitierte Schmähung über Hitlers Sonderzug habe sich dort neben den genannten Gewaltaufrufen gefunden. Auf die Nachricht über ein Hotel, in dem Maccabi-Fans Zuflucht gesucht hatten, habe Mounir M. mit den Worten: »Beseitigt es« reagiert, heißt es in der Anklage.

Der palästinensische Asylbewerber Mahmoud A. steht mit dem Vorwurf des versuchten Totschlags einer noch schwereren Anklage gegenüber. Ein Videoclip soll zeigen, wie er einem Maccabi-Anhänger viermal gegen den Kopf tritt, während dieser am Boden liegt. Die weiteren drei Verdächtigen werden beschuldigt, »Informationen zur Begehung von Gewalttaten« bereitgestellt zu haben, den Holocaust zu verharmlosen und zu billigen und einen älteren israelischen Besucher mit einem Gürtel ausgepeitscht zu haben.

De Telegraaf berichtete, dieser jüngste »Prozess gegen Judenjäger« habe die Menschen in den Niederlanden »schwer schockiert«. Es sei erschreckend, dass ein Ereignis mit einem so »eindeutig antisemitischen Charakter« im heutigen Amsterdam stattfinden könne.

Schockiert?

Und wie sieht es mit den Medien wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aus? Waren auch sie schockiert von den jüngsten Erkenntnissen im Gefolge der Amsterdamer »Judenjagd«? – Nein, denn sie haben darüber einfach nicht berichtet. 

Der letzte FAZ-Artikel zum Thema stammt aus dem Dezember und informiert über die Verurteilungen im ersten Gerichtsverfahren. »Die Verurteilten sollen Anhänger Maccabi Tel Avivs angegriffen und getreten und im Internet zu Gewalt aufgerufen haben«, heißt es dort, als hätte der Urteilsspruch nicht die Schuld der Angeklagten bewiesen und die FAZ glaube immer noch, diese könnten unschuldige Opfer sein. Wie zum Beleg endet der Artikel mit dem Hinweis, dass es vor den Angriffen »allerdings zu gewaltsamen Übergriffen von Anhängern Maccabi Tel Avivs« gekommen sei, während der sie »eine palästinensische Flagge an[zündeten]«. 

Da Witze über Hitler, den Holocaust und Sonderzüge voller Gas nicht zu der so erzählten Geschichte über die antipalästinensische Gewalt israelischer Fußballfans, gegen die sich die »Judenjäger« von Amsterdam bloß eventuell gewehrt haben sollen, passen, kann es auch nicht verwundern, dass die Frankfurter Allgemeine Zeitung über die aktuelle Verhandlung, während der diese Witze bekannt wurden, gleich gar nicht berichtet.

Dies ist ein Auszug aus unserem Newsletter vom 12. März. Wenn Sie den nächsten Newsletter erhalten möchten, melden Sie sich an!

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