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Muslimbruderschaft will mit ägyptischer Regierung verhandeln

Die muslimbruderschaft befindet sich in einer schweren internen Krise
Die Muslimbruderschaft befindet sich in einer schweren internen Krise (© Imago Images / ZUMA Wire)

Vor einigen Wochen rief der für die auswärtigen Beziehungen der Muslimbruderschaft zuständige Youssef Nada zu einem Dialog ohne Vorbedingungen mit der Regierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi in Kairo auf. Dieser plötzliche und unerwartete Schritt, fiel mit der schweren und historischen internen Krise der Gruppe zusammenfiel, die ihre Zukunft bedroht.

In einer von der türkischen Anadolu-Agentur veröffentlichten Botschaft sagte Nada: „Wir haben in der Politik gelernt, dass Vorbedingungen den Dialog verderben, also sage ich, dass die Tür vorbehaltlos offen ist.“

Diese Botschaft kam im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Briefen, in denen die Jugend der Muslimbruderschaft in den ägyptischen Gefängnissen die Führung der Gruppe aufforderte, sie im Gegenzug für eine politische Einigung unter dem Deckmantel der „Versöhnung“ mit dem ägyptischen Regime freizulassen.

Regierungsposition eindeutig

Dem Islamismus-Experten Amr Farouk zufolge sind die ägyptischen Regierungen zu keinem Zeitpunkt der Geschichte in einen Dialog mit terroristischen Organisationen eingetreten, auch nicht auf dem Höhepunkt der Terrorismuswelle in den neunziger Jahren. Stattdessen begnügten sich diese Regierungen mit der Unterstützung so genannter „intellektueller Überprüfungen“ der Führer dieser Organisationen.

Zwischen 2001 und 2007 führten die Führer der Muslimbruderschaft und der ägyptischen Dschihad-Organisationen mit Unterstützung der ägyptischen Regierung diese intellektuellen Überprüfungen durch, um die in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts ausgebrochenen Gewaltwellen einzudämmen.

Darüber hinaus ist die ablehnende Position des derzeitigen ägyptischen Regimes zum Dialog mit der Muslimbruderschaft seit langem klar.

So sagte der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi in einem Interview mit der kuwaitischen Zeitung Al-Shahid im Jahr 2018, dass die Gruppe während seiner Regierungszeit keine Rolle auf der ägyptischen Bühne spielen und dass das Volk ihre Rückkehr nicht akzeptieren werde, „weil die Ideologie der Bruderschaft mit unserer Lebensweise kollidiert.“

Sky News Arabia zitierte eine ägyptische Quelle mit den Worten: „Die Idee einer Versöhnung mit der Muslimbruderschaft ist unmöglich, weil sie in Ägypten per Gesetz als terroristische Organisation eingestuft ist. Der Staat kann sich nicht mit einer terroristischen Organisation versöhnen und in einen Dialog mit ihr treten.“

Amr Farouk ist der Ansicht, dass die unter intensiven internen Konflikten leidende Muslimbruderschaft mit ihrem Aufruf zum Dialog versucht, ihren Anhängern aus den Kreisen des politischen Islams das Bild zu vermitteln, dass sie nach wie vor in der wichtig und geeint ist und am Verhandlungstisch als einflussreicher Akteur agieren kann, der seine Bedingungen und Forderungen durchsetzen in der Lage ist.

Interner Konflikt

Vor Kurzem ist ein heftiger Konflikt zwischen dem Flügel der Muslimbruderschaft in der Türkei, der vom ehemaligen Generalsekretär der Gruppe, Mahmoud Hussein, angeführt wird, und einem anderen Flügel unter der Leitung von Ibrahim Munir, dem amtierenden Generalführer der Muslimbruderschaft, der sich in London aufhält, ausgebrochen.

Die Krise innerhalb der Muslimbruderschaft eskalierte, als Munir beschloss, sechs Führer der Gruppe, die der anderen türkischen Fraktion angehören, zu suspendieren, woraufhin letztere reagierte, indem sie Munir das Vertrauen entzog und ihn vom Posten des amtierenden Generalführers absetzte, was zu Spaltungen führte, die die Zukunft der größten Organisation in den Kreisen des politischen Islam bedroht.

Am vergangenen Sonntag erreichte die interne Krise der Muslimbruderschaft ein neues Stadium mit dem Auftauchen einer dritten Front, die die beiden konfliktreichen Fraktionen in London und der Türkei ausstechen möchte.

Ashraf Abdel Ghaffar, ein Führer der Muslimbruderschaft, rief dazu auf, die Fronten von Munir und Hussein zu umgehen und die Organisation durch eine interne Revolution und Reorganisation neu aufzubauen.

Laut einer neuen Analyse des ägyptischen Zentrums für Strategische Studien befinden sich die Muslimbrüder in einer schwierigen Situation, die sich von Tag zu Tag verschlechtert, den Zusammenhalt der Gruppe bedroht und drei Szenarien für die Zukunft offenlässt, nachdem das ägyptische Regime ihren Aufruf zum Dialog ignoriert hat und ihre internen Probleme in einer noch nie dagewesenen Weise zutage getreten sind.

Das erste Szenario ist, dass Munir den internen Konflikt zu seinen Gunsten entscheidet, und die Mitglieder der Fraktion sich um ihn scharen, um die Organisation vor der Spaltung zu bewahren.

Das zweite Szenario ist der Sturz Munirs durch den Erfolg von Husseins Front, indem es ihn gelingt den Generalführer zu isolieren und auf diese Weise den Konflikt zu lösen.

Das dritte Szenario ist die Eskalation der internen Konflikte in der Muslimbruderschaft, die schließlich zu einer erheblichen Spaltung in ihren Reihen und zur Bildung neuer Einheiten mit neuen, radikaleren Absichten führt, die darauf abzielen, die Gesellschaften zu durchdringen und zu kontrollieren.

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