Nach der Verhaftung von mit der Muslimbruderschaft in Verbindung stehenden Aktivisten, denen vorgeworfen wird, die Sicherheit Jordaniens zu bedrohen, wurde die Organisation nun verboten.
Vorige Woche gab der jordanische Geheimdienst die Festnahme von sechzehn Personen bekannt, denen vorgeworfen wird, an der Herstellung von Raketen und Drohnen beteiligt gewesen zu sein, um »Chaos und Sabotage im Königreich zu stiften«. Die Geheimdienste deckten außerdem unterirdische Lagerhäuser in Zarqa auf, in denen hochentwickelte Waffen sowie Maschinen zur Raketenherstellung entdeckt wurden.
Regierungssprecher Mohammad al-Momani erklärte, die Verhafteten seien »an illegalen Aktivitäten beteiligt, die der Geheimdienst seit 2021 genau beobachtet hat«. Diese umfassten vier Hauptfälle mit sechzehn Personen aus verschiedenen Gruppen und beinhalteten die Herstellung von Kurzstreckenraketen mit einer Reichweite von drei bis fünf Kilometern, den Besitz von Sprengstoff und automatischen Waffen, das Verstecken einer einsatzbereiten Rakete, ein Drohnenbauprojekt sowie die Rekrutierung und Ausbildung neuer Mitglieder innerhalb und außerhalb des Königreichs.
Al-Momani teilte mit, dass eine der Gruppen, bestehend aus drei Personen, daran gearbeitet habe, hochexplosive Sprengstoffe wie TNT, C4 und Semtex-H sowie automatische Waffen zu transportieren und zu lagern, die alle aus dem Ausland eingeschmuggelt wurden.
Der Regierungssprecher bestätigte auch die Festnahme einer Gruppe, die mit der Herstellung von Raketen aus sowohl lokal beschafften wie aus dem Ausland importierten Materialien für illegale Zwecke begonnen hatte. Auch wurden zwei Lagerhäuser für Produktions- und Lagerzwecke in der Provinz Zarqa und der Hauptstadt Amman eingerichtet.
Eine weitere Gruppe, deren Mitglieder ebenfalls verhaftet werden konnten, hatte an einem Projekt zur Herstellung von Drohnen gearbeitet und sich dabei auf externe Parteien gestützt, um das erforderliche Fachwissen für die Produktion eines eigenen Drohnenmodells zu erwerben.
In den Geständnissen der Angeklagten, die im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt wurden, gab einer der Beschuldigten zu, in einem arabischen Land von einem Mitglied der jordanischen Muslimbruderschaft eine Geldsumme übernommen zu haben, um diese an ein anderes Mitglied der Bruderschaft in Jordanien weiterzugeben. Eine Sicherheitsquelle bestätigte außerdem eine Verbindung der Inhaftierten zur Muslimbruderschaft, dass sie im Libanon ausgebildet und finanziert wurden und geplant hätten, mit Raketen und Drohnen Angriffe auf Ziele innerhalb des Königreichs zu verüben.
Die Muslimbruderschaft in Jordanien bestritt hingegen jegliche Verbindung zu den Festgenommenen und behauptete, die von der Regierung angeklagten Aktivitäten seien individuelle Handlungen einzelner Personen zur Unterstützung für die Palästinenser, »von denen wir keine Kenntnis und zu denen wir keine Verbindung haben«.
Rolle der Muslimbruderschaft
Der jordanische Strategieexperte Munther al-Hawarat glaubt, dass die Aktivitäten der ausgehobenen Gruppen ein Spiegelbild der inneren Spaltung innerhalb der Struktur der Muslimbruderschaft darstellen, die durch die gegnerischen Fraktionen zerrissen ist. Eine dieser Fraktionen versuche, »an der jordanischen nationalen Identität festzuhalten, während eine andere sich entschieden hat, sich der Achse Hamas-Hisbollah-Iran anzuschließen, wodurch der Waffenbesitz und Mobilisierungsprojekte zu strategischen Instrumenten werden«.
Wie al-Hawarat gegenüber der emiratischen Website Al-Ain News erklärte, sieht sich die letztgenannte Fraktion »nicht nur als politischer Akteur, sondern als Gegner des jordanischen Staates, der dessen Monopol auf Waffen und Macht brechen will«.
Hochrangige jordanische Quellen erklärten gegenüber der saudischen Zeitung Asharq Al-Awsat, dass auf die Festnahme des Raketen- und Drohnenwaffennetzwerks »Schritte zur gesetzlichen Regelung der Beziehungen zwischen den Behörden und der Muslimbruderschaft« folgen würden. Die Quellen betonten, dass Jordanien die umfassenden Aktivitäten der Muslimbruderschaft in den vergangenen Jahren weitgehend ignoriert habe. Die Behörden hätten eine gewisse »Flexibilität« im Umgang mit der Organisation gezeigt, um ihr die Chance zu geben, ihre Aktivitäten auf ihren Parteiableger, die Islamische Aktionsfront, zu beschränken und von Gewalt oder staatsgefährdenden Aktivitäten Abstand zu nehmen.
Die Muslimbruderschaft habe diese Situation jedoch falsch eingeschätzt und auf die offizielle »Flexibilität« nicht derart reagiert, dass sie die subversiven Aktivitäten einiger ihrer Führer und Mitglieder eingeschränkt hätte, erklärten die Quellen, die hinzufügten, die Zukunft der Muslimbruderschaft sei eng »mit ihrer Verpflichtung auf die Einhaltung der geltenden Gesetze verbunden«. Jede weitere Eskalation würde nicht nur die Auflösung der außerparlamentarischen Teile der Muslimbruderschaft im Land bedeuten, »sondern könnte auch das Schicksal der Islamischen Aktionsfrontpartei besiegeln«.
Der politische Analyst Imad Eddin Adeeb von Sky News Arabia skizzierte mögliche Szenarien für den Umgang der jordanischen Behörden mit der Muslimbruderschaft, zu denen das Verbot der Organisation im Fall einer direkten Beteiligung an der Verschwörung gehört als auch die strafrechtliche Verfolgung bestimmter Persönlichkeiten der Muslimbruderschaft und sogar die Auflösung des Parlaments, um Gruppen wie eben die Muslimbruderschaft auszuschließen, denen vorgeworfen wird, politische Aktivitäten zu nutzen, um Ziele zu verfolgen, die das Regime bedrohen.
Wie recht Adeeb mit seiner Einschätzung hatte, zeigte sich am Mittwoch, als Jordanien die Muslimbruderschaft tatsächlich verbot und ihr Vermögen beschlagnahmte. Innenminister Mazen Fraya bestätigte, alle Aktivitäten der Gruppe würden für illegal erklärt und jeder, der ihre Ideologie vertrete, werde gesetzlich zur Rechenschaft gezogen. »Es ist erwiesen, dass Mitglieder der Gruppe im Verborgenen agieren und Aktivitäten ausüben, die das Land destabilisieren könnten«, hieß es in einer Erklärung des Innenministeriums.
Das Verbot erstreckt sich auf alle Veröffentlichungen der Gruppe, die Schließung aller Büros und die Beschlagnahme ihres Eigentums. Unmittelbar nach der Ankündigung umstellte die Polizei das Parteihauptquartier in der Hauptstadt Amman, um es einer gründlichen Durchsuchung zu unterziehen.