Die Bluttat in Washington ist die Konsequenz aus eineinhalb Jahren Propaganda über »Free Palestine« und »Globalize the Intifada«.
Der junge Mann in dem auf X verbreiteten Video macht schon rein optisch klar, wohin die Reise geht: Um die Schultern hat er ein rotes Palästinensertuch gehängt, seine Gestik und Mimik weisen all die Charakteristika auf, die man von Extremisten kennt – vor allem jenen, die seit eineinhalb Jahren die »Intifada globalisieren« wollen, wie einer ihrer beliebtesten Slogans lautet.
»Ich verurteile nicht die Eliminierung dieser beiden zionistischen Beamten, die in der israelischen Botschaft gearbeitet haben«, beginnt seine knapp neunminütige Videobotschaft, in der er die Ermordung eines jungen Paares in Washington lobpreist. Auf X hat der junge Mann fast 90.000 Follower, sein TikTok-Kanal fast dreieinhalb Millionen.
Er ist kein isolierter Spinner, er gibt in seiner uneingeschränkten Befürwortung des Washingtoner Mörders nur wieder, was seit mehr als eineinhalb Jahren, seit dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023, unter vermeintlich pro-palästinensischen, in Wahrheit bloß israelfeindlichen Aktivisten in den USA und weltweit weitgehender Konsens ist. »Israel hat in den letzten zwei Jahren einen Völkermord live in die ganze Welt übertragen.« Das sagt fast wortwörtlich auch Shoura Hashemi, die Chefin von Amnesty International Österreich.
So etwas, setzt der junge Mann auf X fort, könne man nicht tun, ohne dass sich die Menschen erheben würden, »um mit allen Mitteln dagegen anzukämpfen, um Widerstand zu leisten. Und genau das ist passiert«, sagte er in Bezug auf die Morde in Washington.
Ein junges Paar
Die Opfer dieses »Widerstands« waren die 26 Jahre alte Sarah Lynn Milgrim und der in Nürnberg aufgewachsene, 30 Jahre alte israelisch-deutsche Doppelstaatsbürger Yaron Lischinsky. Die beiden hatten sich bei ihrer Arbeit in der israelischen Botschaft in Washington kennengelernt, in den nächsten Tagen wollte das junge Paar nach Israel fliegen, um Yarons Eltern ihre künftige Schwiegertochter vorzustellen. Yaron hatte bereits einen Verlobungsring gekauft und wollte in Israel um Sarahs Hand anhalten.
Beiden war Frieden zwischen Israel und seinen Nachbarn ein großes Anliegen. Sarah Milgrim war eine Zeitlang bei einer Organisation in Tel Aviv aktiv, die um Dialog zwischen jungen Israelis und jungen Palästinensern bemüht ist. »Sie liebte Israel und liebte die Palästinenser. Sie war eine Friedensstifterin«, beschreibt sie ihr Vater. »Sie hatte ein gutes Herz, und das hat sie gezeigt.«
Yaron Lischinsky beschrieb sich in seinem LinkedIn-Profil als »überzeugter Anhänger der Vision, die in den Abraham-Abkommen dargelegt wurde«, also der Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den arabischen Staaten. »Die Ausweitung des Kreises des Friedens mit unseren arabischen Nachbarn und die Förderung der regionalen Zusammenarbeit liegen im besten Interesse des Staates Israel und des gesamten Nahen Ostens«, schrieb er.
Monster
Für ihren Mörder spielte all das keine Rolle, er ließ dem jungen Paar nicht die geringste Chance, als es eine Veranstaltung des American Jewish Committee im jüdischen Museum in Washington verließ.
Dem Haftbefehl des FBI zufolge ist auf Aufnahmen aus Überwachungskameras zu sehen, wie die beiden an Elias Rodriguez vorbeigehen, der daraufhin eine Pistole aus dem Hosenbund zieht und von hinten das Feuer eröffnet. Nachdem sie zu Boden gingen, beugt sich Rodriguez über seine Opfer und schießt erneut mehrere Male. Als Milgrim, bereits schwer verletzt, davonzukriechen versucht, gibt Rodriguez weitere Schüsse auf sie ab. Die junge Frau schafft es noch, sich aufzusetzen, doch in der Zwischenzeit lädt Rodriguez nach und feuert nochmals mehrere Mal auf sie. Insgesamt schoss er einundzwanzig Mal.
Rodriguez hatte keine Ahnung, wen genau er hier ermordete. Für ihn war Anlass genug, dass sie von einer Veranstaltung aus dem jüdischen Museum kamen. Dass sie für die israelische Botschaft arbeiteten, konnte er nicht wissen. Er wollte Juden töten, oder zumindest Leute, die man in den Kreisen israelfeindlicher Aktivisten als »Komplizen des Völkermords« dämonisiert. Für ihn waren die beiden kein junges Liebespaar, sondern Monster, die getötet werden müssen.
Globalize the Intifada
Genau so sieht das auch der Terrorapologet aus dem X-Video. Lischinsky, verkündet er, »war ein Kriegsverbrecher, und dasselbe gilt für die Frau«. Der Mörder ist für ihn dagegen »kein Terrorist, er ist ein Widerstandskämpfer, und Tatsache ist, dass der Kampf gegen Israels Kriegsmaschinerie, gegen ihre Völkermordmaschinerie, gegen ihre Kriminalität auch ihre ausländischen Diplomaten in diesem Land und international einschließt«.
Die Parole »Globalize the Intifada«, die auf israelfeindlichen Aufmärschen von Los Angeles über New York bis nach Berlin und Wien zu hören ist, zielt auf nichts anders als genau das ab: auf der ganzen Welt blutigen Terror gegen Israel sowie Juden und Unterstützer des jüdischen Staates auszuüben.
Dass man dabei nicht zimperlich sein dürfe, haben die studentischen Aktivisten von vielen ihrer akademischen Lehrer eingetrichtert bekommen, die selbst zwar nie eine Waffe in die Hand nehmen würden, aber Mördern wie Rodriguez das geistige Rüstzeug liefern, schlussendlich den Abzug zu drücken. Als in Israel bei Weitem noch nicht alle Opfer des Hamas-Massakers identifiziert waren, machte schon das Meme die Runde: »Was habt ihr gedacht, was Dekolonisierung bedeutet? Essays schreiben?«
Auf Demonstrationen in New York war zu hören: »Wir sagen Gerechtigkeit, ihr fragt wie? Brennt Tel Aviv nieder!« Als jüdischen Studenten an der Columbia University ins Gesicht gebrüllt wurde: »Vergesst niemals den 7. Oktober. Das wird nicht noch einmal passieren, nicht noch fünfmal, nicht 10-mal, 100-mal, 1.000-mal, sondern 10.000-mal. Der 7. Oktober wird für euch jeder Tag sein«, war das nicht metaphorisch gemeint, sondern todernst.
Diesen Eindruck gab der Augenzeuge der Festnahme des Mörders von Washington Jonathan Epstein einer verdutzten CNN-Moderatorin, die so gerne zwischen dem Mörder von Washington und den vermeintlich ehrbaren Palästina-Aktivisten unterscheiden wollte, zu Protokoll: »Was ich in seinen Augen sah, ich meine, ich habe an der Columbia studiert, ich sah in seinen Augen dasselbe, was ich in den Augen aller Demonstranten an der Columbia sah. Es gab keinen Unterschied zwischen ihm und ihnen.« Laut dem FBI-Haftbefehl äußerte der Mörder gegenüber den Polizisten, die ihn festnahmen: »Ich habe es für Palästina getan, ich habe es für Gaza getan.« Und schließlich auch noch: »Free Palestine!«
Alles andere als unerwartet
In ihrer Reaktion auf die Morde in Washington zeigte sich die Außenbeauftragte der EU, Kaja Kallas, »schockiert«, und setzte fort: »In unseren Gesellschaften gibt es keinen Platz für Hass, Extremismus oder Antisemitismus, und das ist auch gut so.« Nichts könnte ferner von der Realität entfernt sein als dieses entrückte Statement: Antisemitischer Hass hat, nach dem 7. Oktober 2023 noch einmal dramatisch verstärkt, einen fixen Platz in unseren Gesellschaften.
Er wird von zahlreichen Akteuren befeuert, die das strikt zurückweisen würden, aber doch in den letzten eineinhalb Jahren kaum anderes getan haben, als den Morden von Washington geistig den Weg zu bereiten. Wann jemand als Konsequenz aus der ideologischen Indoktrination über den »Siedlerkolonialismus Israels«, aus den ständigen Lügen über fantasierte israelische Verbrechen und aus den dauernden Diffamierungen des jüdischen Staates zur Bombe oder Pistole greift, war nur eine Frage der Zeit.
Wie Jean-Paul Sartre bemerkte: »Was der Antisemit wünscht und plant, ist der Tod des Juden.« Washington wird nicht der letzte Schauplatz dieser Art von Verbrechen bleiben, denn wenn man eines aus der Geschichte des Antisemitismus und aus der Zeit seit dem 7. Oktober 2023 gelernt hat, dann dies: Nichts ermuntert Judenhass so sehr wie die Ermordung von Juden.