Verlierer am Golf: Es läuft nicht rund für Saudi-Arabien

Das Gruppenbild des jüngsten G20-Gipfeltreffens in Japan scheint einen großen Erfolg Saudi-Arabiens zu illustrieren: Inmitten der Staatschefs, Angelika Merkel steht am Rand, lächelt der saudische Kronprinz, Mohammed bin Salman. Sein prominenter Platz neben dem Gastgeber Shinzo Abe verkündet auch, dass Saudi-Arabien zum nächsten Treffen einladen wird. US-Präsident Trump kam nicht umhin zu beteuern, Salman mache seinen Job „sensationell“. Und nun spätestens weiß die Welt, wenn man als Staatsführer einen Oppositionellen umbringen und zerstückeln lässt, und das nicht einmal im eignen Land, ist das eher ein Ausweis von Kompetenz als ein Grund für internationale Ächtung oder wenigstens ein Anlass, um dezent Abstand zu halten. Doch zu zeigen, dass Saudi-Arabien reich genug ist, um sich Freundlichkeiten zu kaufen, ist eine Sache; eigentlich aber läuft es machtpolitisch gar nicht rund für das Königreich. Ein regelrechtes Desaster zeichnet sich am Golf ab.

Misserfolg häuft sich auf Misserfolg

Dabei schien dort vor zwei Jahren eine Art Neustart in der Luft zu liegen; Barack Obama mit seinem Desinteresse an Syrien und dem Nahen Osten war zusammen mit seiner beharrlichen Islamische-Republik-Iran-Versteherei endlich Geschichte. Donald Trump beehrte den jungen Kronprinzen, der die saudischen Staatsgeschäfte führt, mit seiner ersten außenpolitischen Reise als Präsident der USA. Zum neuen Präsidenten hatten die Saudis einen ausgezeichneten Draht und der arabisch-amerikanische Gipfel im Mai 2017 sollte Startpunkt für eine Neuordnung der arabischen Welt unter saudischer Führung werden.

Doch Misserfolg häuft sich seitdem auf Misserfolg und intern knirscht es gewaltig im regionalen Machtgefüge der Saudis: Der Krieg im Jemen, einmal das große Prestigeprojekt bin Salmans, läuft ergebnislos im Kreis. Dabei herausgekommen ist bisher bloß die laut UNO größte gegenwärtige humanitäre Katastrophe, und das will angesichts des Krieges in Syrien schon etwas heißen. Das Kriegsziel, ein Sieg über die vom Iran gestützten Houthis ist nicht in Sicht. Im Gegenteil, die jemenitischen Kämpfer haben ihr Arsenal an Drohnen und Raketen iranischer Bauart aufgestockt, mit denen ihnen mittlerweile regelmäßig spektakuläre Angriffe auf saudisches Territorium gelingen. Mittlerweile erproben die Houthis im Roten Meer ferngesteuerte Schnellboote voller Sprengstoff, das neueste Gimmick der iranischen Wunderwaffenproduktion. Damit ist dann auch die Schifffahrt im Roten Meer mit seinen saudischen Häfen zumindest symbolisch bedroht.

Gegen den Iran  sind die Saudis sowieso kontinuierlich ins Hintertreffen geraten. In Syrien hat man gegen die Iraner schon vor Jahren verloren, und gegen die jüngsten iranischen Provokationen im Golf vermag Saudi Arabien militärisch überhaupt nichts auszurichten. Es war sicher kein Zufall, dass unter den angegriffenen Öltanker im Juni auch zwei saudische Schiffe waren. Es bleibt den Saudis dabei nichts anderes übrig, als immer wieder an die Amerikaner zu appellieren, offensiv gegen den Iran vorzugehen und ansonsten leere Drohungen zu formulieren. An einer wirklichen militärischen Eskalation hat Saudi-Arabien zudem kein Interesse. Es hat trotz aller Milliardeninvestitionen militärisch eine eher fragwürdige Kompetenz, das zeigt der Krieg im Jemen in aller Deutlichkeit. Die Hightechluftwaffe der Saudis hebt überhaupt nur ab oder findet ihre Bombenziele – wenn die Piloten denn treffen – mit Hilfe einer Legion britischer Techniker. Aber auch die weiteren Krisenschauplätze, in denen die Saudis und ihre engen Verbündeten, den Emiraten, aktiv sind, bereiten Sorgen.

Verlierer am Golf: Es läuft nicht rund für Saudi-Arabien
Sudanesischer Warlord Mohamed Hamdan Dagalo und Mohammad bin Salman (Quelle: Social Media)

Im Sudan drohte und droht den Herrschern vom Golf mit den Massenprotesten erneut das Szenario des Arabischen Frühlings. Und das ist aus saudischer Sicht sicher eher noch schlimmer als alles, was der Iran anstellen könnte. Der Sudan mit seinen unappetitlichen Militärherrschern und islamistischen Horrormilizen ist zudem ein wichtiger Baustein des Kriegs im Jemen; dort kämpfen tausende sudanesischer Soldaten unter Kommando der Vereinigten Arabischen Emirate als Bodentruppen. Und der wiederaufgeflammte Krieg in Libyen spiegelt die Zerwürfnisse am Golf wider, stützt doch Qatar die offizielle Regierung mit islamistischem Einschlag, während das saudische Lager mit Ägypten den Kriegsherrn Chalifa Haftar favorisiert.

Ägypten hat wiederum gerade signalisiert, dass man sich nicht an der „Middle East Strategic Alliance“ beteiligen wolle. Dieses Militärbündnis unter saudischer Federführung sollte eigentlich ein Kernbaustein der Nahoststrategie der gegenwärtigen US-Administration werden. Und das versteht im Nahen Osten nun jeder: Wenn Ägypten deutlich abwinkt, obwohl es existentiell darauf angewiesen ist, dass Riad zumindest seine dringlichsten Rechnungen bezahlt, dann sieht es mit Saudi-Arabiens Einfluss gerade eher mau aus.

Selbst Bahrain, dessen sunnitisches Königshaus im Arabischen Frühling mit Rückendeckung der Saudis auf kompromißlose Konfrontation mit seiner mehrheitlich schiitischen Bevölkerung gesetzt hat und von Riad in jeder Hinsicht abhängig ist, sendet störrische Signale. So telefonierte der bahrainische Premierminister zu Beginn des Ramadans mit dem Emir von Qatar, ein regelrechter Affront, ist doch die Isolation und Disziplinierung Katars ein zentrales Prestigeprojekt der Saudis. Qatar ist mit seiner ambitionierten Machtpolitik den Saudis spätestens mit den Ereignissen des Arabischen Frühlings ins Gehege gekommen, nicht zuletzt pflegt Qatar ein eher entspanntes Verhältnis zum Iran und unterstützt die Muslimbrüder. Die Saudis haben eine umfassende Blockade des Emirates durchgesetzt, eine bei ihren Verbündeten unpopuläre Maßnahme, umso bemerkenswerter ist das völlige Scheitern dieser Machtdemonstration.

Zuletzt knickte auch noch Donald Trump ein und empfing den katarischen Emir Tamim bin Hamad al-Thani, der mit großzügigen Wirtschaftsverträgen und Lobbyisten erfolgreich vorgearbeitet hatte, in Washington. Das Verhältnis Qatars zu Amerika war dabei immer ambivalent, schließlich beherbergt der kleine Staat den größten amerikanischen Militärstützpunkt in der Region, um mit dieser Rückendeckung wiederum eigene Machtpolitik zu betreiben. Eine Fußnote ist da nur noch, dass Jordanien jetzt wieder Botschafter mit Qatar austauscht. Ursprünglich war Saudi-Arabien einmal angetreten um mit dem Golfkooperationsrat zum unangefochtenen Herrscher eines Machtblocks auf der arabischen Halbinsel zu werden. Davon ist nicht viel übrig geblieben.

Und nun zeigen sich auch immer deutlicher Risse in der Achse zwischen den Emiraten und Saudi-Arabien. Die beiden Staaten waren das power couple am Golf, aber mit ausbleibenden Erfolgen treten die Differenzen auch hier in den Vordergrund. So haben die Emirate angekündigt, sich mit ihren Kampftruppen aus dem Jemen zurückzuziehen, zumindest von der Front im Norden. Man wolle sich angesichts der wachsenden Spannung mit dem Iran militärisch auf den Schutz der Emirate selbst konzentrieren. Das ist genausowenig plausibel wie die Beteuerung, dies alles sei mit Saudi-Arabien zur vollen Zufriedenheit abgesprochen. Beide Partner haben im Jemenkonflikt auf unterschiedliche Klienten gesetzt, die Saudis auf die Islamisten der Islah-Partei und den international anerkannten Präsidenten Abdrabbuh Mansur Hadi, während die Emirate südjemenitische Separatisten unterstützten und eigene Milizen aufbauten. Innerhalb der Emirate selbst soll es auch Interessekonflikte zwischen dem handelsökonomisch orientierten Dubai und Abu Dhabi geben, das den so kostspieligen wie aggressiven militärischen Kurs vorgibt.

Malaise am Golf

Verlierer am Golf: Es läuft nicht rund für Saudi-Arabien
Quelle: Amnesty Finland, CC BY 2.0

Als Symbol der Malaise am Golf kann man die jüngsten Gesellschaftsnachrichten aus den Emiraten lesen. Dort ist die bekannteste der Gattinnen des Herrschers von Dubai, Prinzessin Haya, eine Halbschwester des jordanischen Königs, mit ihren Kindern nach England geflüchtet. Zwei Töchter ihres Gatten aus anderen Ehen sind nach früheren gescheiterten Fluchtversuchen in der Versenkung verschwunden.

Diese prominenten Beispiele stehen neben einer wachsendem Zahl junger Frauen aus Saudi-Arabien, die denselben Weg aus archaischen Zuständen suchen. Die Anzahl saudischer Dissidenten ist im Nahostvergleich zwar noch überschaubar, aber sie wächst stetig und ist ein Phänomen, mit dem das Königreich bisher nicht gelernt hat, umzugehen. Neben Großbritannien und Kanada gehört Deutschland mittlerweile zu den Hauptaufnahmeländern der Asylsuchenden, deren Gesamtzahl von rund 200 im Jahr 2012 auf über 800 im Jahr 2017 angestiegen ist. Die Aufmerksamkeit, die sie im Westen auf die absolutistischen Zustände am Golf lenken, ist mehr als unangenehm, zumal sich das mit Diskussionen über die humanitäre Katastrophe des Krieges im Jemen, immer schärferer Kritik an westlichen Waffenlieferungen und der Person des Kronprinzen verbindet. Deswegen musste Jamal Ahmad Khashoggi im Istanbuler Konsulat Saudi Arabiens sterben, deswegen wurde der im schwedischen Exil lebende Aktivist İyad el-Baghdadi nach einer CIA-Warnung kürzlich unter Polizeischutz gestellt.

Erreicht haben die Saudis damit allerdings das genaue Gegenteil: Gerade hat selbst der US-Vizepräsident Mike Pence die Freilassung des saudischen Bloggers Raif Badawi gefordert. Saudi Arabien scheint zwischen gesellschaftlichen Reformen und dem unbedingten Willen, auch nur jeden Anflug von politischer Liberalisierung zu verhindern, intern wie aufgehängt. Die ungeheuren Widersprüche in den Gesellschaften des Nahen Ostens suchen auch den Golf heim, großspurige Machtpolitik wird dafür keine Lösung bringen. Und so lächelt ein Kronprinz in der Mitte der G20-Staatschefs, der Ambition und Aufbruch vermitteln will, dem aber bisher nicht mehr gelungen ist, als dass seine Distasha aufgrund des Ölgeldes blütenweiß aus Splatteraffären hervorgeht.

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