Österreichs Außenministerin Karin Kneissl und der Zionismus

Im gestrigen Report-Interview behauptete die österreichische Außenministerin Karin Kneissl auf den Zionismus angesprochen, dass „die Leute das nicht genau lesen, was in meinem Buch steht“. Damit wollte sie der Kritik entgegentreten, die sich an ihrer Einschätzung der jüdischen Nationalbewegung als „Blut-und-Boden-Ideologie“ entzündet hatte. Sie habe den Zionismus nicht in einen „Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus“ stellen wollen, wie sie eine Nachfrage der Interviewerin aufgriff, sondern in den Zusammenhang mit dem „deutschen Nationalismus des 19. Jahrhunderts.“

Nun war aber exakt jene Einreihung in die Tradition des deutsch-völkischen Nationalismus (der später dann real Eingang in den NS fand) der Inhalt der Kritik an Kneissls Aussagen über Theodor Herzls Auffassungen: Herzls Nationsvorstellung war eben nicht völkisch und stellte damit auch keine „Blut-und-Boden-Ideologie“ dar, sondern sah einen Staat vor, in dem den Minderheiten „ehrenvolle[r] Schutz und die Rechtsgleichheit gewähr[t]“ wird, wie es in „Der Judenstaat“ heißt.

Kneissls Fehleinschätzung des Zionismus prägt denn auch ihre Charakterisierung des israelischen Staates. So führt sie in ihrem Buch „Mein Naher Osten“ aus: „Israel wurde als jüdischer Staat, nicht als Staat gleichberechtigter Staatsbürger gegründet.“ Ein Blick in die Unabhängigkeitserklärung von 1948 legt offen, dass diese Behauptung falscher nicht sein könnte. Dort heißt es nämlich: Der Staat Israel

 „wird sich der Entwicklung des Landes zum Wohle aller seiner Bewohner widmen. Er wird auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden im Sinne der Visionen der Propheten Israels gestützt sein. Er wird all seinen Bürgern ohne Unterschied von Religion, Rasse und Geschlecht, soziale und politische Gleichberechtigung verbürgen. Er wird Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit der Sprache, Erziehung und Kultur gewährleisten, die Heiligen Stätten unter seinen Schutz nehmen und den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen treu bleiben.“

Auch in der Praxis erweist sich schließlich der von Kneissl aufgemachte Widerspruch als konstruiert und ihre Vorwürfe als haltlos: Israel versteht sich als jüdischer Staat – und trotzdem sind alle israelischen Staatsbürger rechtlich gleichgestellt.

Zu Dokumentationszwecken verweisen wir noch einmal auf unseren Text vom 21. November 2017, in dem wir Karin Kneissls Einschätzung des Zionismus als „Blut und Boden-Ideologie“ darlegen.

Eine Außenministerin mit fragwürdigen Positionen?

Von Florian Markl

Am Rande der türkis-blauen Koalitionsverhandlungen hat sich in den vergangenen Tagen die hierzulande als Nahostexpertin bekannte Karin Kneissl als mögliche neue Außenministerin auf freiheitlichem Ticket in den Vordergrund gerückt. Ohne Zweifel verfügt die studierte Juristin und ehemalige Mitarbeiterin des Diplomatischen Dienstes über sehr gute Kenntnisse über den Nahen Osten. In ihren Publikationen und zahlreichen öffentlichen Auftritten vertrat sie aber auch immer wieder Positionen, die man vorsichtig gesagt als durchaus verstörend bezeichnen kann. Ich greife nur drei davon auf:

  • In ihrem vor drei Jahren veröffentlichten Buch „Mein Naher Osten“ behauptet Kneissl, der Zionismus sei eine „an den deutschen Nationalismus angelehnte Blut-und-Boden-Ideologie“. Es ist schon einigermaßen perfide, das Streben der Juden nach nationaler Selbstbestimmung, das nicht zuletzt eine Folge des europäischen Antisemitismus war, in die Nähe einer rassistischen und hochgradig antisemitischen Ideologie zu rücken, die wesentlicher Bestandteil der nationalsozialistischen ‚Weltanschauung‘ war.
  • Rund eine Woche nach den verheerenden Giftgasangriffen auf Vororte von Damaskus im August 2013 war Kneissl in den ORF-Nachrichten zu Gast, um ihre Erklärung dafür zu präsentieren, warum US-Präsident Obama gegenüber dem syrischen Regime eine „Drohkulisse“ errichte. Die Giftgasattacken, bei denen über tausend Zivilisten getötet wurden, und auf die Obama reagierte – um letztlich die von ihm selbst gesetzten roten Linien erst nicht durchzusetzen –, spielten in Kneissls Analyse allerdings keine Rolle, war sie doch vielmehr einer ganz anderen Theorie auf der Spur: Die USA würden in Syrien aktiv, weil das den Ölpreis in die Höhe treibe und sich dadurch in den USA „so manches Schiefergas-Projekt wieder rechnen“ würde. Alles also nur eine Inszenierung im Dienste amerikanischer Geschäftemacherei, so die mäßig überzeugende Erklärung Kneissls für die damaligen Vorgänge in Syrien. Der syrische Diktator, der den Krieg gegen die eigene Bevölkerung bis hin zum tödlichen Einsatz von Sarin sukzessive verschärfte, wurde damit aus der Verantwortung entlassen.
  • Um die Giftgasattacken in Vororten von Damaskus ging es auch im April 2017, als Kneissl in einer Fernsehdiskussion unter Berufung auf den türkischen Journalisten Can Dündar behauptete, es gebe „gewisse Indizien“, die darauf hindeuteten, dass hinter den Angriffen „Angehörige der türkischen Geheimdienste gemeinsam mit der islamistischen al-Nusra-Front“ gestanden hätten. Der Haken an der Sache: Dündar hatte das nie behauptet und die angeblich auf ihn zurückgehende Geschichte, dass der türkische Geheimdienst Giftgas an islamistische Rebellen geliefert habe, bezeichnete er selbst als „totalen Unsinn“. Theorien, die auf eine andere Täterschaft als die von Truppen Assads hinweisen, gibt es bei anti-westlichen Agitatoren wie dem Fernsehsender Russia Today, dem Journalisten Seymour Hersh oder dem mehr als zweifelhaften Michael Lüders zuhauf. Indizien, die diese Theorie stützen würden, finden sich aber nicht in jenen Untersuchungen, die von den Vereinten Nationen oder der Organisation für das Verbot chemischer Waffen durchgeführt wurden. Kneissl reihte sich mit ihren Behauptungen in die Gruppe derjenigen Beobachter aus dem Westen ein, die sich de facto in den Dienst der Desinformationskampagnen syrisch-russischer Provenienz stellen.

Das mag für eine Partei wie die FPÖ, die immerhin einen Kooperationsvertrag mit Putins Claqueurs-Verein „Einiges Russland“ abgeschlossen hat, kein Problem darstellen. Aber ob das Positionen sind, mit denen Österreich in Person seiner Außenministerin in Zukunft auf der Weltbühne vertreten sein soll, sollte doch zumindest kritisch diskutiert werden.

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