Erweiterte Suche

Nach dem Einreiseverbot für zwei US-Demokratinnen

Israel-feindliche Abgeordnete der US-Demokraten: Rashida Tlaib und Ilhan Omar.

Israel hat gestern entschieden, zwei Abgeordneten der US-Demokraten, Ilhan Omar und Rashida Tlaib, die Einreise zu verweigern. Grundlage dieses Beschlusses ist ein vor zwei Jahren verabschiedeter Gesetzeszusatz, der es möglich macht, Verfechtern eines Boykotts des jüdischen Staates keine Visa auszustellen und sie nicht ins Land zu lassen. Omar und Tlaib sind Aushängeschilder einer ausgeprägt israel-feindlichen Strömung in den Reihen der US-Demokraten, beide befürworten die Israelboykottbewegung BDS. Seit Tagen wurde in Israel wie in den USA kontrovers diskutiert, wie Israel mit der geplanten Reise Omars und Tlaibs umgehen sollte. Da die Einreiseverweigerung nun ausgesprochen wurde, sehen wir uns im Folgenden einige der Reaktionen darauf an.

Die Ausgangslage

Die Reise der beiden Abgeordneten brachte Israel von Anfang an in eine Zwickmühle. Auf dem Plan stand explizit ein Besuch „Palästinas“, Israel hingegen war im Programm, abgesehen von einem Besuch des Tempelberges in Jerusalem, nicht vorgesehen. Die Jerusalem Post beschrieb das israelische Dilemma folgendermaßen:

„Wenn Israel die Kongressabgeordneten einreisen lässt, wird es verlieren, weil sie jede Gelegenheit – an der Al-Aksa-Moschee, am Sicherheitszaun, in einem Flüchtlingslager – nutzen werden, um den jüdischen Staat an den Pranger zu stellen. Für die Presse, sowohl die lokale als auch die internationale, wird das ein gefundenes Fressen. Vergessen Sie, dass 72 demokratische und republikanische Kongressabgeordnete gerade im Land waren – sie konnten nicht davon träumen, auch nur einen Bruchteil der medialen Aufmerksamkeit zu erheischen, die Omar und Tlaib auf sich ziehen werden.

Und wenn Israel sie nicht hereinlässt, wird es verlieren, denn das wird das Land undemokratisch aussehen lassen und denen Munition geben, die es genau in dieses Licht rücken wollen.“

Kein Land der Welt ist gezwungen, Leute einreisen zu lassen, die ihm erklärtermaßen schaden wollen. In der Vergangenheit entschied Israel von Fall zu Fall: Manchmal ließ es BDS-Aktivisten einreisen, manchmal verweigerte es deren Einreise bzw. wies sie an, das Land zu verlassen.

Israel hat viel Erfahrung mit Palästinensern und anti-israelischen Aktivisten, die für die Medien Vorfälle inszenieren, um international negative Berichte über den jüdischen Staat hervorzurufen. Doch anders als in diesen Fällen handelt es sich bei Omar und Tlaib um US-Abgeordnete. „Was tun“, fragte Gil Yaron,

„wenn die amerikanischen Politikerinnen Pressekonferenzen mit palästinensischen Extremisten abhalten oder im Westjordanland zu Boykotten aufrufen? Oder noch schlimmer: Wie soll Israel reagieren, wenn sie an Demonstrationen an den Grenzanlagen im Westjordanland teilnehmen?“

Die Entscheidung

Es war Innenminister Aryeh Deri, der gestern die Entscheidung bekanntgab, Omar und Tlaib nicht einreisen zu lassen. Die beiden Abgeordneten würden ihre Stellung ausnutzen, um einen Boykott Israels zu propagieren. Israel respektiere den US-Kongress und die enge Allianz mit den Vereinigten Staaten, aber es sei „nicht vorstellbar, diejenigen ins Land zu lassen, deren Absicht es ist, dem Staat Israel zu schaden.“

Ob diese Entscheidung ganz freiwillig gefallen ist, darf bezweifelt werden. Denn zuvor hatte sich niemand Geringerer als US-Präsident Trump mit einer seiner berüchtigten Twitter-Meldungen zu Wort gemeldet. Israel würde „große Schwäche“ zeigen, ließe es Omar und Tlaib einreisen. Die beiden „hassen Israel & das jüdische Volk und nichts kann gesagt werden, das sie von dieser Haltung abbringen könnte.“

Man kann sich vorstellen, dass Trump damit die israelische Entscheidung zumindest beeinflusst hat: Israel muss oft Schritte setzen, denen die Ablehnung durch einen beträchtlichen Teil der internationalen Öffentlichkeit so sicher ist wie das Amen im Gebet, aber es wird sich mit Sicherheit zweimal überlegen, ob es sich in einem Fall wie diesem dem bekannt impulsiv agierenden Trump quasi öffentlich entgegenstellen soll.

„Wir hätten es versuchen müssen“

Die Reaktionen auf das nun erfolgte Einreiseverbot für Omar und Tlaib fielen bislang relativ einheitlich aus – Stimmen, die die Entscheidung aus ganzem Herzen unterstützen, waren bisher eher rar.

Nach dem Einreiseverbot für zwei US-DemokratinnenFür David Horowitz von der Times of Israel hat Israel seinen Gegnern einen Sieg auf dem Silbertablett serviert und eine Möglichkeit ausgelassen, sich vor aller Welt gegen die üblichen Diffamierungen von Omar, Taib & Co. zu verteidigen. Israel hätte die beiden einreisen lassen sollen – und dann in „hochkarätigen Events“ seine Sicht der Dinge darlegen, d.h.

„die Freiheiten und den religiösen Pluralismus Israels unterstreichen; die Bemühungen um Frieden hervorheben, die von der palästinensischen Führung durchkreuzt wurden; den allzu offensichtlichen Terrorismus gegen israelische Bürger aufzeigen und das palästinensische Opfernarrativ dekonstruieren. Der Premier selbst, ein Weltklasse-Anwalt für Israel, hätte diese Bemühungen anführen können.“

All das, so ist sich Horowitz bewusst, hätte vermutlich nicht viel gebracht. Die ungebetenen Gäste hätten sich der Aufmerksamkeit der Medien sicher sein können, während die von Horowitz vorgeschlagenen Veranstaltungen nur wenig Widerhall gefunden hätten.

„Aber es wäre ein Kampf gewesen, den wir hätten führen müssen in dem fortgesetzten Krieg, den Israel in mehr als sieben Jahrzehnten wegen der grundlegenden Berechtigung unserer Sache gewonnen hat.“

Indem Omar und Tlaib die Einreise verweigert wurde, habe man konterkariert, was man Gegnern Israels stets gesagt hat: Kommt ins Land und seht selbst, wie die Realität wirklich aussieht.

„Es gibt in der Tat allen Grund zu glauben, dass Tlaib und Omar voller böser Absichten hierherkommen wollten, um uns Schaden zuzufügen. Natürlich hätten sie versucht, unsere demokratischen Freiheiten zu missbrauchen, in der Absicht, uns zu schwächen und zu untergraben. Aber jetzt werden sie noch entschlossener sein, uns auf die Anklagebank zu bringen, in einem Klima, in dem ihnen mehr Sympathie entgegengebracht wird, während wir uns die Möglichkeit genommen haben, uns zu verteidigen.“

Am schlimmsten daran sei freilich, dass Israel den Eindruck vermittle, einfach nicht über die Argumente zu verfügen, um dem verzerrten Bild entgegenzutreten, das Omar und Tlaib zeichnen – und das sei ein schwerer Fehler von Premier Netanjahu.

„Israel hat nichts zu verbergen“

Nach dem Einreiseverbot für zwei US-DemokratinnenGanz ähnlich argumentiert David Brinn für die Jerusalem Post. Was die Politik gegenüber den Palästinensern betrifft, habe Israel „nichts zu verbergen“: Manches sei berechtigt, manches dagegen nicht. Omar und Tlaib mögen geplant haben, nur die „hässliche Seite“ zu sehen, aber es gibt keinen Grund, warum Vertreter Israels nicht jede Anstrengung unternehmen sollten, um mit ihnen in Dialog zu treten und ihnen eine andere Sicht der Dinge zu präsentieren. „Wenn Tlaib und Omar das ablehnen, wird es zu ihrem Schaden sein – aber Israel wird das Richtige getan haben. Alles, was wir jetzt getan haben, ist, den Kritikern Israels ein großes Geschenk zu machen.“

Das Einreiseverbot sei „kurzsichtig und zutiefst fehlerhaft“, denn es werde die Kluft zwischen den US-Demokraten und Israel vertiefen, unter moderaten Demokraten das Bild des jüdischen Staates trüben und dem Vorwurf Nahrung geben, dass Israels sich undemokratisch verhalte.

Trump und Netanjahu

Selbst bei der im Allgemeinen Netanjahu-freundlichen Zeitung Israel Hayom fällt die Unterstützung der Regierungsentscheidung eher halbherzig aus. Yaakov Ahimeir ist der Meinung, dass der Premier „keine andere Wahl“ gehabt habe, als Omar und Tlaib die Einreise zu verweigern, weil alles andere eine Krise mit US-Präsident Trump zur Folge gehabt hätte.

Nach dem Einreiseverbot für zwei US-DemokratinnenWahrscheinlich werde sich die Beziehung Israels zu den Demokraten verschlechtern, aber man solle ob der großen medialen Aufmerksamkeit für Omar und Tlaib das größere Ganze nicht aus den Augen verlieren. Sie seien nur zwei Abgeordnete, während jüngst eine Delegation von über 70 ihrer Kollegen Israel besucht habe. Aufgrund seiner Gespräche mit Demokraten und Republikanern ist Ahimeir überzeugt, dass beide Parteien nach wie vor in ihrer Unterstützung Israels vereint seien.

Das Verhältnis von Trump und Netanjahu steht im Zentrum eines Kommentars des Editorial Boards der New York Times. Demzufolge neigte der israelische Premier eigentlich eher dazu, Omar und Tlaib einreisen zu lassen, habe sich aber dann dem Druck aus Washington gebeugt.

Nach dem Einreiseverbot für zwei US-Demokratinnen„Wie traurig, dass zwei Führer – jeder verzweifelt darum bemüht, vor der eigenen Basis Härte zu beweisen, die überparteiliche Beziehungen zwischen den beiden Ländern aufs Spiel setzen, die über Generationen aufgebaut wurden. Nur schwache Führer würden so viel riskieren, um einen so mickrigen Gewinn einzustreichen. Zu welchem Zweck? Um ein paar politische Punkte gegen zwei der neuesten Mitglieder des Kongresses zu gewinnen? Um einige Zeit in den Nachrichten präsent zu sein? Um die Empörungsmaschinerie eine Umdrehung weiter zu drehen? Selbstbewusste Führer hätten nie so viel für so wenig riskiert. (…) Es ist seit langem Israels Mantra, dass sich Kritiker seiner Politik selbst davon überzeugen sollten, und das Land ist sicherlich stark genug, um mit der Kritik zweier Mitglieder des Kongresses umzugehen. Herr Trump hat Israel keinen Gefallen getan.“

Wie jedes andere Land

Einen ganz anderen Schwerpunkt setzt David Harsanyi von der konservativen Webseite The Federalist in den USA. Auch er ist der Meinung, dass Israel die beiden Abgeordneten wohl eher nicht hätte abweisen sollen, tritt aber vehement der Behauptung entgegen, dass die Einreiseverbote ein Angriff auf die liberale Demokratie oder das Verhältnis Israels zu den Vereinigten Staaten seien.

Nach dem Einreiseverbot für zwei US-DemokratinnenDer demokratische Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders habe Israels Entscheidung als eine Respektlosigkeit gegenüber gewählten US-Vertretern bezeichnet, die darüber hinaus gegen die Prinzipien der Demokratie verstoße. Unter Verweis auf den US-Politiker Steve King, der mexikanische Einwanderer als „Dreck“ bezeichnete, fragt Harsanyi:

„Welcher Grundsatz der Demokratie besagt, dass man Visa an Ausländer ausgeben muss, die sich aktiv für den Schaden ihrer Bürger einsetzen? Wenn dem Republikaner Steve King ein Einreisevisum nach Mexiko verweigert würde, würde kein einziger Abgeordneter für ihn eintreten, kein einziger Präsidentschaftskandidat würde behaupten, dass Mexiko die Ehre der Vereinigten Staaten beleidigt hätte, kein einziger Demokrat würde argumentieren, dass es sich schlecht auf die mexikanische Demokratie auswirkt, und kein einziger liberaler Kommentator würde behaupten, dass das Verhältnis zwischen Mexiko und den USA verletzt würde.“

Und Harsanyi wendet sich gegen die in vielen Medienberichten verwendete Formulierung, Israel würde gegen „Kritiker“ vorgehen:

„Es muss betont werden, dass Tlaib und Omar nicht nur ‚Kritiker‘ Israels sind, wie die Medien ständig behaupten. Kritiker würden an der Politik der Regierung des Landes Kritik üben – die im Falle Israels seit mehr als 70 Jahren zwischen links und rechts, zwischen falkenartig und friedlich oszilliert. Seit Jahrzehnten reisen Kritiker nach Israel. Sie dienen im Parlament des Landes und vertreten in aller Offenheit ihren Dissens mit der Regierung.

Tlaib und Omar unterstützen aktiv eine Bewegung, deren strategisches Ziel es ist, die Welt zu mobilisieren, um den jüdischen Staat wirtschaftlich zu zerstören. Sie sind keine Kritiker, sie sind Feinde.“

Genauso wie es im Ermessen der USA liege, feindlich gesinnte Personen abzuweisen, habe Israel das Recht, Personen wie Omar und Tlaib nicht ins Land zu lassen.

Besuch aus privaten Gründen

Wie mittlerweile bekannt wurde, wird Rashida Tlaib übrigens doch nach Israel einreisen dürfen. Die Abgeordnete palästinensischer Abstammung hat in einem Brief darum ersucht, ihre Familie und vor allem ihre über 90 Jahre alte Großmutter im Westjordanland besuchen zu dürfen. In dem Schreiben heißt es:

„Das könnte meine letzte Gelegenheit sein, sie zu sehen. Ich werde alle Einschränkungen respektieren und während meines Besuchs keine Boykotte gegen Israel fördern.“

Das israelische Innenministerium stimmte dem Ansuchen Tlaibs am Freitag zu und „äußerte die Hoffnung, dass sie ihr Versprechen einhält und dass der Besuch nur für humanitäre Zwecke erfolgt.“

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!