Israel und Russland: Heinz Fischers Doppelstandards

Was unterscheidet als legitim erachtete Kritik an israelischer Politik von Antisemitismus? Alle gängigen Definitionsversuche sind sich in einem Punkt einig: Mit Antisemitismus haben wir es zu tun, wenn das Verhalten des jüdischen Staates nach völlig anderen Maßstäben bewertet wird als das Verhalten anderer Staaten. Wer das an einem konkreten Beispiel demonstrieren will, braucht nicht in die Ferne zu schweifen: Ex-Präsident Heinz Fischer lieferte gerade ein höchst anschauliches Beispiel.

Als Israel sich im Sommer 2014 mit der „Operation Protective Edge“ gegen den terroristischen Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen zur Wehr setzte, meldete Fischer sich beim Europäischen Forum in Alpbach zu Wort. Er warf Israel vor, mit seinen militärischen Operationen den Terrorismus nicht zu bekämpfen, sondern vielmehr weiter anzufachen. Die israelischen Streitkräfte würden so hart vorgehen, „dass die Opferzahl eine beträchtliche, wenn nicht extreme Unverhältnismäßigkeit“ aufweise.

Wenige Tage später legte Fischer, der sich eigenem Bekunden zufolge völlig „frei von Antisemitismus“ wähnte, in einem Interview nach. Im Hinblick auf Israel meinte er: „Der alttestamentarische Grundsatz Auge um Auge ist überholt und gefällt mir nicht. Aber auf der Basis von ein Auge gegen 100 Augen wird ein Friedensprozess kaum gelingen.“ (Standard, 6./7. Sept. 2014) An die Stelle politischer Analyse trat das Bedienen uralter antisemitischer Klischees. Israels Vorgehen sei demnach Ausfluss einer spezifisch jüdischen Mentalität, die auf das Alte Testament zurückgehe.

Bemerkenswert ist nun, wie anders Fischer klingt, wenn er sich nicht gerade über den jüdischen Staat echauffiert. Wie die Presse heute berichtet, war der Ex-Präsident bei einem als „Kreml-nah“ geltenden Debattierclub in Sotschi zu Gast. In einer im russischen Fernsehen übertragenen Rede „mahnte er sanft“, Russland müsse berücksichtigen, „dass Aktionen im Zusammenhang mit Streitkräften, die nicht im Einklang mit dem Völkerrecht stehen, die europäische Öffentlichkeit irritieren“.

Auch den Krieg in Syrien ließ Fischer nicht unerwähnt: „Die Schlacht von Aleppo zeige, wie schwierig es sei, Anti-Terror-Kampf und das Bombardieren unschuldiger Zivilisten voneinander zu trennen.“

Wenn Russland in Aleppo wiederholt, was es in Grosny einst vorgemacht hat, ist bei Fischer nicht von „extremer Unverhältnismäßigkeit“ die Rede. Während die russische Luftwaffe zur Unterstützung eines Massenmörderregimes zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser und Schulen oder gar Hilfskonvois bombardiert, verweist er bloß vorsichtig auf „Schwierigkeiten“. Und selbstverständlich führt Fischer die Angriffe Russlands auf die in Ost-Aleppo eingeschlossenen Menschen nicht auf „alttestamentarische Grundsätze“ zurück – dieses antisemitischen Klischees bedient er sich nur, wenn er den jüdischen Staat ins Visier nimmt.

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