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Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer: Türkei droht Zypern mit Krieg

Von Stefan Frank

Der Streit zwischen der Türkei und Zypern um die Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer eskaliert: Seit einigen Tagen führt die türkische Kriegsmarine ihr größtes Seemanöver der Geschichte durch, ein großer Teil davon spielt sich in der Nähe der Küste Zyperns ab.

Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer: Türkei droht Zypern mit Krieg„Unser Ziel bei Militärübungen ist es, zu zeigen, dass die türkischen Streitkräfte extrem entschlossen sind, engagiert und in der Lage, die Sicherheit, Souveränität, Unabhängigkeit und die Rechte der Türkei auf See zu garantieren“, sagte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar: „Wir ergreifen alle notwendigen Maßnahmen, um die Rechte und das Gesetz unseres Landes in der Ägäis, dem östlichen Mittelmeer und auf Zypern zu schützen.“ An dem „Operation Seewolf“ genannten Manöver, das zwei Wochen dauern soll, nehmen Berichten zufolge mehr als 130 Schiffe teil.

Hintergrund des Konflikts ist die völkerrechtswidrige türkische Besatzung Nordzyperns, die seit der türkischen Invasion im Juli 1974 besteht. Die Türkei hat in Nordzypern ein Marionettenregime installiert und die „Türkische Republik Nordzypern“ (TRN) ausrufen lassen, die von keinem Staat der Welt außer der Türkei anerkannt wird. Das hält Ankara aber nicht davon ab, die TRN als einzig legitime Staatsmacht auf Zypern zu betrachten. Zwar herrscht auf der Insel selbst ein von der UNO überwachter Waffenstillstand, doch die bedeutenden Gasfunde der letzten zehn Jahre haben die Gefahr eines neuerlichen Krieges deutlich vergrößert.

Fast das gesamte Seegebiet um die Insel Zypern beansprucht die Türkei entweder für sich selbst oder für die TRN. Die größten Gasvorkommen finden sich in den Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ, auch „200-Meilen-Zone“) Ägyptens, Israels und der Republik Zypern. Nach Artikel 55 des Seerechtsübereinkommens (SRÜ/UNCLOS) der Vereinten Nationen hat der jeweils angrenzende Staat in dieser Zone das alleinige Recht zur wirtschaftlichen Ausbeutung, das gilt insbesondere für Fischfang und, wie im vorliegenden Fall, für dort etwaig lagernde Bodenschätze. Israel, Ägypten und die Republik Zypern haben die Grenzen ihrer jeweiligen Zonen in Abkommen festgelegt.

Die Türkei aber setzt sich über internationales Recht hinweg. Am 5. Februar 2018 sagte der türkische Außenminister Cavusoglu der griechischen Zeitung Kathimerini, seine Regierung erkenne das 2013 zwischen Zypern und Ägypten geschlossene Demarkationsabkommen nicht an. Dies sei „gleichbedeutend mit einer Kriegserklärung“, erwiderte Yehia Kidwani, ein Mitglied des ägyptischen Verteidigungs- und Sicherheitskomitees, kurz darauf. Ägypten sei „mehr als fähig“, seine Interessen zu verteidigen. Auch das ägyptische Außenministerium veröffentlichte eine Protestnote. Rund eine Woche später spitzte sich die Lage weiter zu, als die türkische Marine ein zur Erkundung von Zyperns Gasvorkommen ausgesandtes Bohrschiff des italienischen Öl- und Gaskonzerns ENI stoppte und seine Weiterfahrt über Tage blockierte.

Noch im selben Monat schickte der türkische Präsident Erdogan ein türkisches Bohrschiff, um innerhalb von Zyperns 200-Meilen-Zone illegal nach Gas zu suchen. Wie schon seine Amtsvorgänger in den 1980er und 1990er Jahren droht Erdogan Griechenland und Zypern immer wieder mit Krieg. „Wir empfehlen ausländischen Unternehmen, die in zypriotischen Gewässern operieren, nicht der griechischen [zypriotischen] Seite zu trauen und zu einem Werkzeug für Geschäftsinteressen zu werden, die ihren Platz und ihre Macht überschreiten“, zitierte die britische Tageszeitung Guardian eine Rede Erdogans. „Die Griechen und griechischen Zyprioten würden aufhören, sich aufzuspielen, wenn sie das türkische Militär mit seinen Schiffen und Kriegsflugzeugen herannahen sähen.“

Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer: Türkei droht Zypern mit KriegUm ihre wirtschaftlichen Interessen im Mittelmeer zu schützen, sind die Republik Zypern, Griechenland und Israel in den letzten Jahren immer enger zusammengerückt, haben gemeinsame Manöver abgehalten und angeblich sogar die Gründung einer gemeinsamen Militäreinheit diskutiert. Auch die Vereinigten Staaten sind mittelbar involviert. Zum einen haben die USA ein Interesse daran, Europa zu helfen, seine Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern – eine Pipeline zu den Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer wäre dazu langfristig eine gute Option. Zum anderen sind Exxon und Noble, die beiden großen, in den Gewässern von Israel und Zypern aktiven Energiekonzerne, amerikanische Unternehmen. Erst letzten Monat meldeten griechische Medien, dass die USA und Griechenland ihre militärische Zusammenarbeit verstärken wollen; die Rede ist davon, dass die amerikanische Luftwaffe den griechischen Luftwaffenstützpunkt Larissa in Zentralgriechenland für Drohnenflüge und zur Stationierung von Tankflugzeugen nutzen wird. Auch griechische Manöver wollen die USA unterstützen.

Diesen Monat ist die Türkei erneut mit zwei Erkundungsschiffen in die Ausschließliche Wirtschaftszone der Republik Zypern eingedrungen. Die EU verurteilte das: „Die Europäische Union steht vereint hinter der Republik Zypern und erwartet von der Türkei, die souveränen Rechte der EU-Mitgliedsstaaten zu respektieren“, so EU-Ratspräsident Donald Tusk. Wirtschaftssanktionen gegen die Türkei wurden bislang nicht verhängt.

Beobachter fürchten, dass Erdogan vor der von ihm durchgesetzten Wiederholung der Bürgermeisterwahl in Istanbul am 23. Juni die Spannungen weiter verschärfen will. „Die Regierung kann vor der Abstimmung auf Provokationen im Inneren, aber auch außerhalb der Türkei zurückgreifen“, sagt der auf Europa und türkisch-griechische Beziehungen spezialisierte Politikwissenschaftler Cengiz Aktar von der Universität Athen. „Zypern gehört definitiv dazu. Syrien ist eine weitere Möglichkeit, dazu die anhaltenden Spannungen mit Griechenland. Doch Zypern ist die konkreteste, da ja das türkische Schiff bereits offen in der AWZ im Süden der Insel bohrt. Das ist tatsächlich ziemlich gefährlich.“

Omer Celik, ein Sprecher von Erdogans AKP, drohte auf einer Pressekonferenz dem zypriotischen Präsidenten Nikos Anastasiades: Dieser tue gut daran, „1974“ – er meinte die türkische Invasion – „gut im Gedächtnis zu behalten“.

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