Die „Tagesschau“ verschweigt den Antisemitismus einer US-Abgeordneten

Von Stefan Frank

Ilhan Omar, die wegen ihrer antisemitischen Ansichten auch in der eigenen Partei umstrittene Abgeordnete des amerikanischen Repräsentantenhauses, will eine Resolution in den US-Kongress einbringen, die weithin als Unterstützung der antisemitischen Boykottbewegung BDS gewertet wird. Bei der innerparteilichen Kandidatenkür für die Wahlen zum Repräsentantenhaus 2018 hatte sich Omar noch als Gegnerin von BDS und als Unterstützerin der von BDS entschieden bekämpften „Zwei-Staaten-Lösung“ ausgegeben. So hatte sie am 6. August 2018 bei einer Podiumsdiskussion in der Beth-El-Synagoge in Minneapolis gesagt:

„Ich unterstütze eine Zwei-Staaten-Lösung. Es wird für uns wichtig sein, Israels Platz im Nahen Osten und den rechtmäßigen Platz des jüdischen Volkes anzuerkennen. Ich glaube, dass die BDS-Bewegung nicht hilfreich dabei ist, eine Zwei-Staaten-Lösung zu bekommen. … Denn damit wir einen Prozess für eine Zwei-Staaten-Lösung haben, müssen die Leute willens sein, sich an einen Tisch zu setzen und ein Gespräch darüber zu führen, wie sie möglich wird, und ich denke, das stoppt den Dialog.“

Tatsächlich hat BDS-Führer Omar Barghouti in zahlreichen Äußerungen seine Ablehnung der Existenz des Staates Israel deutlich gemacht. So sagte er unter anderem: „Wenn die Flüchtlinge zurückkehren, dann hat man keine Zwei-Staaten-Lösung. Dann gibt es Palästina neben Palästina.“ Die Wahlen zum Repräsentantenhaus, bei denen Ilhan Omar ihren Wahlkreis, der aus Teilen von Minneapolis und Vororten besteht, gewann, fanden am 6. November 2018 statt. Fünf Tage später teilte Omars Team der amerikanischen Website Muslim Girl mit: „Ilhan glaubt an die BDS-Bewegung und unterstützt sie“.

„Viele ihrer jüdischen Wähler“ hätten mit dieser Bemerkung „zu kämpfen“, schrieb das in New York erscheinende linksliberale jüdische Magazin Forward damals. „Vielen jüdischen Bürgern Minnesotas“ komme dies „wie eine Lockvogeltaktik (bait-and-switch) vor.“ Der Forward zitierte Rabbi Avi Olitzky von der Beth-El-Synagoge mit den Worten: „Entweder stellt sie es falsch dar oder missverständlich. Ich hoffe, mit ihr einen Dialog führen zu können, welcher von beiden Standpunkten ihrer ist.“

Acht Monate später ist Omars Standpunkt wohl auch dem Letzten hinreichend klar. Sieht man einmal ab von den Lügen, die Omar den jüdischen Wählern in Minneapolis erzählt hat – deren Stimmen sie bei den innerparteilichen Vorwahlen benötigte (nicht mehr bei der Wahl im November, denn Omar trat in einem Wahlkreis an, der seit 1962 nicht mehr von den Republikanern gewonnen wurde) – und den geheuchelten Entschuldigungen, die sie manchmal ihren antisemitischen Tiraden folgen lässt, wenn die Empörung zu groß wird, dann ist bei ihr alles authentisch und passt zusammen.

Ilhan Omar verbreitet antisemitische Klischees über eine jüdische Verschwörung, die mit jüdischem Geld den amerikanischen Kongress kontrolliere und die die Welt „hypnotisiert“ habe, um ungestört „böse Taten“ tun zu können; Omar selbst wird von islamistischen Organisationen wie CAIR finanziert, sie unterhält enge Beziehungen zum türkischen Präsidenten Erdogan und hat sich mit Leuten verbündet, die dem Antisemiten und Hitlerbewunderer Louis Farrakhan und der Judenmörderin Rasmea Odeh nahestehen, Israel von ihrer Landkarte getilgt haben und antisemitische Geschichtsklitterung betreiben. Ilhan Omars Freundin und Kollegin Rashida Tlaib hat sogar einmal für Farrakhans antisemitisches Propagandaorgan Final Call geschrieben. Omars offen antisemitische Äußerungen waren der Anlass für die Resolution gegen Antisemitismus, die der US-Senat im Juni einstimmig verabschiedet hat.

Pro-BDS-Resolution

Die „Tagesschau“ verschweigt den Antisemitismus einer US-Abgeordneten
Quelle: Twitter

In dem nun von Omar eingebrachten Resolutionsentwurf wird die Anti-Israel-Boykottbewegung nicht explizit erwähnt, doch die darin enthaltenen Forderungen machen klar, dass es um sie geht. Sie lauten:

„Das Repräsentantenhaus möge

  • bestätigen, dass alle Amerikaner das Recht haben, sich beim Streben nach Bürger- und Menschenrechten im In- und Ausland an Boykotten zu beteiligen, die durch den Ersten Verfassungszusatz geschützt sind,
  • sich verfassungswidrigen gesetzgeberischen Bestrebungen widersetzen, den Gebrauch von Boykotten zur Förderung von Bürgerrechten im In- und Ausland einzuschränken,
  • den Kongress, die Bundesstaaten und die Bürgerrechtsführer aller Gemeinschaften dazu drängen, sich zu bemühen, das Recht aller auf Freiheit zum Eintreten für Interessen zu bewahren, indem sie sich allen Antiboykottresolutionen und -gesetzgebungen widersetzen.“

In der Einleitung der Resolution werden bekannte (und – anders als der Judenboykott der Nazis und der Arabischen Liga – heute noch populäre) Boykottaktionen der Geschichte aufgeführt: Die Boston Tea Party, bei der amerikanische Kolonisten 1773 im Streit mit der britischen Krone um Steuern und Zölle mehr als dreihundert Kisten Tee in den Atlantik warfen; Boykotte gegen das kaiserliche Japan, als dieses 1937 China überfallen hatte; der Boykott gegen Südafrika während der Apartheidsära und der 1980 von Präsident Carter erklärte Boykott der Olympischen Spiele in Moskau.

Doch da hört Omar noch lange nicht auf: Als besonders obszön und antisemitisch werten viele ihren Vergleich von BDS mit dem „Boykott gegen Nazideutschland von März 1933 bis Oktober 1941 als Antwort auf die Dehumanisierung des jüdischen Volkes in den Vorjahren des Holocaust“. Seth Mandel, ein jüdisch-amerikanischer Journalist und Redakteur der Website Washington Examiner, kommentierte auf Twitter:

„Die Juden, die in Nazideutschland diskriminiert und unterdrückt wurden, als Basis für eine öffentliche Kampagne zur Diskriminierung von Juden zu benutzen, ist ziemlich heftig, selbst für Omar. Man muss jede  öffentliche Äußerung für Juden so beleidigend wie irgend möglich machen. Sie ist gut.“

Omars Resolutionsentwurf ist nicht nur antisemitisch, sondern auch in sich widersprüchlich. Wenn es ein uneingeschränktes Grundrecht auf Boykott gibt, dann gibt es auch ein Recht darauf, die Boykotteure zu boykottieren. Wenn jeder amerikanische Bürger das Recht haben soll, jüdische Israelis rassistisch zu diskriminieren, dann wird es wohl auch das Recht des Staates geben, diese Diskriminierung zu missbilligen und Sanktionen gegen diejenigen zu verhängen, die zu solchen Diskriminierungen aufrufen oder sich daran beteiligen.

Doch mit Antisemiten verhält es sich so: Rechte, die sie für sich einfordern, billigen sie anderen nicht zu. In einer Täter-Opfer-Umkehr beklagen sie „enger werdende Räume“ und sind doch selbst diejenigen, die, wo sie zur Macht gelangen, Räume für israelische Juden sperren und „israelfreie Zonen“ errichten. Nicht BDS, sondern die Anti-BDS-Gesetzgebung ist in Wahrheit mit den amerikanischen Boykottbestrebungen gegen Nazideutschland vergleichbar: Denn auch diese waren eine Reaktion auf den NS-Boykott jüdischer Menschen und Waren, ein Boykott derer, die zuerst zum Boykott gegen andere aufgerufen hatten.

Schlechtes Timing

Die „Tagesschau“ verschweigt den Antisemitismus einer US-Abgeordneten
Quelle: Twitter

Ein Gespür für schlechtes Timing bewiesen dieser Tage übrigens die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Janina Lückoff vom notorisch israelfeindlichen Bayerischen Rundfunk (BR): Als Omar ihre Resolution zur Stärkung der antisemitischen Boykottbewegung ankündigte, solidarisierte sich Merkel in einer Pressekonferenz ausdrücklich mit ihr.

Lückoff veröffentlichte einen Tag später auf der öffentlich-rechtlichen Website tagesschau.de einen schleimerischen Beitrag, in dem Omar in den höchsten Tönen als „Amerikas Hoffnung“ gepriesen wurde. Zur Kritik an dem, was selbst die Führung der Demokratischen Partei in einer offiziellen Erklärung als „die antisemitischen Kommentare der Kongressabgeordneten Ilhan Omar“ bezeichnet hat, schreibt Lückoff: Omar werde ja bloß dafür kritisiert, dass sie „immer wieder die Siedlungspolitik Israels in Frage stellt“.

Damit lügen Lückoff, der Bayerische Rundfunk und tagesschau.de nicht nur darüber, was Ilhan Omar wirklich gesagt hat, sondern wenden sich gegen alle, die Antisemitismus bekämpfen. Denn wenn Antisemiten wie Ilhan Omar ja in Wahrheit bloß „Israels Siedlungspolitik in Frage stellen“, dann wären sie ja diejenigen, denen Unrecht geschähe – und all diejenigen, die Omars Äußerungen zurecht als antisemitisch bezeichnet haben, wären Lügner. Auch so kann man Täter zu Opfern machen. Die wahren Schuldigen wären dann wohl wieder einmal in den Reihen der jüdischen Weltverschwörung zu suchen.

Die Frauenrechtlerin Ayaan Hirsi Ali hat unterdessen im Wall Street Journal einen autobiografischen Beitrag veröffentlicht, mit dem sie Ilhan Omar Mut machen will: Aus eigener Erfahrung sagt sie ihr, dass es möglich sei, sich vom Antisemitismus zu befreien. „Wie ich wurde Ilhan Omar in Somalia geboren und war in frühester Kindheit dem muslimischen Antisemitismus ausgesetzt“, so Ali. Den Begriff „Antisemitismus“ habe sie selbst, wie sie weiter schreibt, zwar erst gehört, als sie in ihren Zwanzigern in die Niederlande kam. „Doch mit dessen muslimischer Variante war ich persönlich vertraut.“

Immer, wenn Konflikte ausgebrochen seien, etwas kaputt gegangen sei oder Not herrschte, wurden die Juden verantwortlich gemacht. Wenn ihre Mutter über etwas ärgerlich war, habe sie „Yahud!“ (Jude) gebrüllt. Erwachsene um sie herum hätten das Wort so benutzt „wie Amerikaner das F-Wort“. Mit 15 sei sie dann Islamistin geworden. In Kursen habe man ihr Gräuelbilder von angeblich von Israelis verübten Massenmorden gezeigt und sie gelehrt, „dass Juden keine Menschen sind, sondern die Nachfahren von Affen und Schweinen, und wir danach trachten sollten, sie zu töten, wo immer wir sie treffen“.

Doch es sei ihr gelungen, sich vom Antisemitismus zu befreien, so Ali: „Ich bin der lebende Beweis, dass man als Somalierin geboren, als Antisemitin erzogen, zur Antizionistin indoktriniert werden kann – und dennoch all dies überwinden, um die einzigartige Kultur des Judentums und die außergewöhnlichen Errungenschaften des Staates Israel wertzuschätzen. Wenn ich diesen Sprung vorwärts machen kann, dann kann es Frau Omar vielleicht auch.“

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