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Antisemitismus: US-Senat schafft, woran Abgeordnetenhaus scheiterte

Von Stefan Frank

Antisemitismus: US-Senat schafft, woran Abgeordnetenhaus scheiterteAls Reaktion auf antisemitische Äußerungen der demokratischen Abgeordneten Ilhan Omar hat der amerikanische Senat Donnerstag letzter Woche einstimmig für eine Resolution gestimmt, in der er Antisemitismus verurteilt. Omar hatte im Februar suggeriert, der amerikanische Kongress sei deshalb israelfreundlich, weil die Pro-Israel-Organisation AIPAC die Abgeordneten dafür bezahlen würde (dies war nicht ihre erste antisemitische Rede und auch nicht die letzte).

Im März waren die Bemühungen von Abgeordneten des Repräsentantenhauses, dort eine gleichartige Resolution zu verabschieden, an der Mehrheit der Demokraten gescheitert. Stattdessen stimmte das Unterhaus des Kongresses am Ende für eine Resolution, in der neben Antisemitismus auch „hasserfüllte Äußerungen von Intoleranz“, „antimuslimische Diskriminierung“ und „Engstirnigkeit gegen Minderheiten“ verurteilt werden. Ausdrücklich erwähnt wurden u.a. die Diskriminierung von Amerikanern japanischer Abstammung während des Zweiten Weltkriegs, Vorurteile gegen Muslime und Angriffe auf Moscheen, die Vorurteile, denen Präsident John F. Kennedy wegen seines katholischen Glaubens ausgesetzt war, die Dreyfus-Affäre und die jüngsten Anschläge auf Synagogen.

„Die Resolution, die eigentlich den Antisemitismus verurteilen sollte, nimmt so die Gestalt einer Erklärung gegen den Hass auf Minderheiten an und verfehlt damit ihre ursprüngliche Idee“, kommentierte Tina Adcock auf Mena Watch. Auch Ilhan Omar stimmte für die Resolution und feierte sie als Erfolg im Kampf gegen – ja, was eigentlich? „Antimuslimische Bigotterie: „Es ist das erste Mal, dass wir über eine Resolution abgestimmt haben, in der die antimuslimische Bigotterie in der Geschichte unseres Landes verurteilt wurde.“ Dass sich die Resolution eigentlich gegen Antisemitismus richten sollte und ihre eigenen antisemitischen Aussagen der Anlass waren, schien Ilhan Omar „vergessen zu haben oder gezielt außer Acht zu lassen“, schrieb Tina Adcock.

Die nun verabschiedete Erklärung des Senats wird nicht dadurch verwässert, dass der Antisemitismus in eine Reihe mit Katholikenfeindlichkeit und allen möglichen Vorurteilen gegenüber Minderheiten gestellt wird und so nur noch als eine von unendlich vielen Formen der „Engstirnigkeit“ dargestellt (und verharmlost) wird – sie richtet sich einzig und allein gegen den Antisemitismus in „allen Formen“. Ausdrücklich bezeichnet der Text den Antisemitismus als eine „einzigartige Form des Vorurteils“; er reiche „Jahrtausende“ zurück und spreche den Juden die „gleiche Menschlichkeit“ ab.

Der Antisemitismus verbreite „Mythen über die Juden wie etwa die russische Fälschung der Protokolle der Weisen von Zion und die großflächige Verbreitung der verleumderischen Falschbehauptungen über Juden, die Kinder ermorden“. In seiner „extremsten Form“ habe der Antisemitismus zu „physischer Vernichtung des jüdischen Volkes“ geführt: „Pogrome, erzwungene Konversionen und der Mord an über sechs Millionen Juden in Nazideutschland“. Auch die, so wörtlich: „systematische Diskriminierung“ von Juden in den Vereinigten Staaten in früheren Zeiten wird nicht verschwiegen: „Ausschluss von Immobilienbesitz in bestimmten Vierteln; Verbot, in bestimmten Hotels zu übernachten; Restriktionen bei der Mitgliedschaft in privaten Clubs und anderen Organisationen; Beschränkung der Aufnahme in bestimmte Bildungsinstitutionen und andere Einschränkungen der Gleichberechtigung nach dem Gesetz“.

Antisemitismus: US-Senat schafft, woran Abgeordnetenhaus scheiterteVon der Geschichte leitet der Text der Resolution über zur Gegenwart. Immer noch würden Juden einer „gespaltenen Loyalität“ bezichtigt. Hier ist u.a ein Anfang Januar von Omars Freundin und Kollegin Rashida Tlaib versendeter Tweet gemeint (auch wenn er nicht ausdrücklich erwähnt wird). Tlaib hatte geschrieben, die Senatoren, die eine Gesetzesvorlage verabschiedet hatten, wonach der Staat Unternehmen boykottieren soll, die BDS unterstützen, „wissen nicht, welches Land sie vertreten“. (Tlaib übrigens hatte ihren Wahlsieg im November mit der „Palästinafahne“ der PLO gefeiert.)

In deutlicher Bezugnahme auf Ilhan Omar heißt es in der Resolution weiter, Antisemiten machten „falsche Behauptungen“ darüber, dass die Juden sich „mit Geld politische Macht erkaufen“ sowie „falsche Anschuldigungen über die Kontrolle des Finanzsystems, zusammen mit anderen negativen Stereotypen“. In Wahrheit, so die Resolution im vorletzten Absatz, „sind Juden das Ziel der meisten Hassverbrechen, die in den Vereinigten Staaten gegen irgendwelche religiösen Gruppen verübt werden, darunter Anschläge auf Gotteshäuser und Gemeindezentren“. Aus all diesen Gründen beschließt der Senat der Vereinigten Staaten, „Antisemitismus zu verurteilen und in all seinen Formen zu bekämpfen“.

Die Resolution war von beiden Parteien unterstützt worden, eingebracht worden war sie von den Senatoren Ted Cruz (Republikaner, Texas) und Tim Kaine (Demokraten, Virginia). „Wir sind mitten in einer Welle des Antisemitismus, sowohl hier in den Vereinigten Staaten als auch überall auf der Welt“, sagte Cruz im Senat.

„Allein in den letzten paar Jahren wurden in der Öffentlichkeit immer wieder antisemitische Kommentare geäußert, darunter Anspielungen, in denen die Loyalität und der Patriotismus amerikanischer Juden in Frage gestellt wurde. Es gab physische Angriffe auf Juden in den Straßen von New York. Und wir beobachten an unseren Universitäten wachsende Bewegungen, die auf aggressive Weise Waren boykottieren, die von Juden in Israel hergestellt werden. Und wir haben diese Woche erfahren, dass die Lage so schlimm geworden ist, dass die New York Times angekündigt hat, einfach aufzuhören, in ihrer internationalen Ausgabe politische Karikaturen zu veröffentlichen, nachdem sie gezwungen war, sich für die Veröffentlichung einer unverhohlen antisemitischen Karikatur zu entschuldigen.“

Cruz kritisierte die Resolution des Abgeordnetenhauses von März, weil sie den Antisemitismus zu nur einer weiteren Form der „Bigotterie“ mache. „Es ist selbstverständlich nichts falsch daran, Bigotterie und Hass im Allgemeinen zu verurteilen“, so Cruz. „Doch Antisemitismus ist ein einzigartiges Vorurteil mit einer einzigartigen Geschichte und hat in der Geschichte zu einzigartigen Gräueln geführt. Juden sind laut Daten des FBI heutzutage in den Vereinigten Staaten die am stärksten von Hassverbrechen betroffene Religionsgemeinschaft. Wir müssen in der Lage sein, das klar und direkt anzuerkennen, und das ist es, was diese Resolution tut.“

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