Einen Tag nach Beginn der israelischen Angriffe auf den Iran verlegt Syrien Truppen an die irakische Grenze, um diese gegen die mit dem Iran verbündeten schiitische Milizen zu sichern.
Fast alle Staaten im Nahen Osten haben den Angriff Israels auf den Iran verurteilt. Bei den Golfstaaten dürfte das eher Rhetorik gewesen sein, denn auch sie fürchten seit Langem das iranische Nuklearprogramm und dürften hinter verschlossenen Türen deshalb eher erleichtert sein.
Auffällig aber ist, dass ein Land bislang keine offizielle Verurteilung abgegeben hat: Syrien. Die dortige Regierung schweigt bislang, was in der Region als deutliches Zeichen gewertet wird, dass Übergangspräsident Ahmed al-Sharaa es ernst meint mit seinen jüngsten Erklärungen, den Abraham-Abkommen beitreten und Frieden mit Israel schließen zu wollen.
Das Schweigen in Damaskus ist auch deshalb erstaunlich, weil es in den letzten Monaten immer wieder israelische Angriffe auf syrisches Territorium gegeben hat und nicht unbedeutende Teile des syrischen Militärgeräts, das aus Assads Zeiten übriggeblieben ist, israelischen Bomben zum Opfer fiel. Auch hält Israel im Südwesten des Landes immer noch eine sogenannte Pufferzone jenseits der Demarkationslinie auf dem Golan besetzt.
Nicht nur Schweigen
Sicher: In kaum einem anderen arabischen Land des Nahen Ostens ist die Islamische Republik so verhasst wie in Syrien, unterstützte sie das Assad-Regime doch jahrelang, sich an der Macht zu halten und die Opposition auf brutalste Weise niederzuschlagen. Zudem mögen sunnitische Islamisten wie jene von al-Sharaas Hayat Tahrir al-Sham (HTS) ihre schiitischen Kollegen in der Regel nicht besonders; dies gilt insbesondere für jene, die im Irak gegen die US-Truppen und die von Schiiten dominierte irakische Regierung gekämpft hatten.
Die neue syrische Regierung schweigt zwar, ist aber selbst aktiv geworden, indem sie dreitausend ihrer Milizionäre an die irakische Grenze verlegt, um zu verhindern, dass vom Iran unterstützte schiitische Milizen das Land zu Terrorzwecken in Richtung Israel durchqueren können. Dies berichtete die emiratische Zeitung The National:
»Der Einsatz ist der erste in der Region durch die neuen Behörden, seit Basshar al-Assad im vergangenen Dezember gestürzt und sein Militär aufgelöst wurde. Am Samstag kam es zu Gefechten zwischen syrischen Kämpfern und den vom Iran unterstützten irakischen Volksmobilisierungskräften Hashd al-Shaabi, nur einen Tag nach Ausbruch des Luftkriegs zwischen Israel und dem Iran, wie Behördenvertreter mitteilten. (…)
Nach dem Ausbruch des Konflikts am Freitag hatten die mächtigsten Milizenführer des Iraks erklärt, ihre Streitkräfte würden nur dann in den Konflikt eintreten, würden die im Irak stationierten US-Truppen zugunsten Israels intervenieren. Eine Miliz erklärte jedoch am Montag, sie werde Israel und ›alle, die es unterstützen‹, im Irak und in der gesamten Region angreifen.«
Die Verlegung der syrischen Truppen an die irakische Grenze wird in der Region auch als symbolische Handlung gewertet, die sowohl Israel als auch den USA signalisieren soll, dass die neue Regierung in Damaskus, die immerhin aus ehemaligen al-Qaida-Milizionären besteht, an guten Beziehungen zu beiden Ländern ein reales Interesse hat.
Stephan Grigat ist Professor für Theorien und Kritik des Antisemitismus an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (katho) und Leiter des Centrum für Antisemitismus- und Rassismusstudien (CARS) in Aachen und Köln. Er ist Research Fellow an der Universität Haifa und am London Center for the Study of Contemporary Antisemitism. Er ist Autor des Buches „Vom Antijudaismus zum Hass auf Israel: Interventionen zur Kritik des Antisemitismus“ (Verlag Barbara Budrich 2025) und Herausgeber des Bandes: „Kritik des Antisemitismus in der Gegenwart“ (Nomos 2023.)