Angesichts des israelischen Schlags gegen den Iran werden linksliberale Journalisten plötzlich sogar zu Verteidigern von US-Präsident Donald Trump, den sie gegen Jerusalems Brüskierungen in Schutz nehmen.
Während Mosche Zimmermann, wie in Teil 1 beschrieben, selbst als Prophet auftritt, beruft sich der Redakteur der österreichschien Tageszeitung Der Standard, Eric Frey, auf anonyme »Fachleute«. Nach »Ansicht der meisten Fachleute« sei Folgendes »wahr«: »Der Angriff Israels hat die Aussicht auf ein Atomabkommen beinahe unmöglich gemacht. Sollte das iranische Regime überleben, dürfte es nun alles daransetzen, so schnell wie möglich eine Atombombe zu bauen – allein, um sich selbst zu schützen.«
Atombomben für mehr Sicherheit
Die Atombombe hat man sich als eine Art Kfz-Haftpflichtversicherung vorzustellen, und nach dem jüngsten »Bum« muss der Oberste Führer der Islamischen Republik, Ayatollah Khamenei, einfach eine abschließen. Bislang hatte offenbar in Teheran niemand die Absicht, eine Atombombe zu bauen, schenkt man Eric Frey Glauben. Jedoch: »Eine einzige Atombombe«, die innerhalb Israels detoniere, werde »alles zerstören«, während der Schaden eines potenziellen nuklearen Gegenschlags für die islamische Welt begrenzbar sei, sagte der damalige iranische Präsident Ali Rafsandschani bereits im Jahr 2001 in einer Rede auf dem Al-Quds-Tag in Teheran.
Für Frey hingegen geht die Bedrohung von Israel aus. Was weiß er, was Rafsandschani nicht wusste? Er schreibt: »Israels militärisches und politisches Establishment, ebenso wie der Großteil der Bevölkerung, sieht sich durch das nukleare Potenzial des Todfeindes in seiner Existenz bedroht.« Zuallererst soll das wohl heißen, ist die Atombombe der Ayatollahs eine Bedrohung des israelischen »Establishments«. Die Bevölkerung ist unentschieden.
Damit meint Frey, die atomare Bedrohung genügend gewürdigt zu haben. Jetzt kann er in die Offensive gehen: »Doch es gab auch stets gute Gründe, dass Israel bisher darauf verzichtet hat – vor allem, weil eine solche Operation vor fast unüberwindlichen militärischen Hindernissen steht. Schließlich hat der Iran viele Jahre Zeit gehabt, seine atomaren Anlagen vor einem solchen Luftschlag zu schützen, indem er sie tief in der Erde vergraben hat. Wenn das gelingen sollte, so die einhellige Meinung von Fachleuten, dann nur mit massiver Unterstützung der USA.«
Offenbar haben sich die Fachleute geirrt. Soll vorkommen. Aber wenn am Wochenende die Sonne scheint, obwohl die Meteorologen einhellig Regen vorhergesagt haben, wird Frey den Fehler nicht bei den Fachleuten suchen, sondern sagen, das Wetter habe einen Fehler gemacht. »Der israelische Angriff am Freitagmorgen ist ohne US-Hilfe, nicht in Absprache mit Washington und wahrscheinlich gegen den dezidierten Wunsch von US-Präsident Donald Trump abgelaufen.«
Trump ist jetzt ganz geknickt. Das ist eine witzige Vermutung. Man kann über Donald Trump vieles sagen, aber sicherlich nicht, dass er mit seinen Meinungen hinter dem Berg hält. Wenn etwas gegen seinen Wunsch verläuft, dann ist es völlig unmöglich, dass nicht alle Welt davon erfährt. In Wahrheit hat Trump den Ayatollahs gerade eine Gardinenpredigt gehalten und sie zum Einlenken aufgefordert.
Aber auch Eric Frey will Prophet spielen: Der israelische Angriff »dürfte auch wenig dazu beigetragen haben, Israel vor der Gefahr einer zukünftigen iranischen Atomwaffe zu schützen«. Hier ist er wieder, der schlecht gelaunte Wahrsager in Aktion. »Die gezielte Tötung von iranischen Top-Militärs, allen voran des Chefs der Revolutionsgarden, sowie von führenden Atomwissenschaftern setzt etwas fort, was Israel und auch die USA in der Vergangenheit schon mehrfach getan haben. Das hat den Bau einer iranischen Nuklearwaffe zwar gebremst, aber nicht beendet.«
Das Bremsen hält Frey für überbewertet. Wenn man auf ein Stauende zurast und nicht sicher ist, dass man das Fahrzeug rechtzeitig zum Stillstand bringen wird, sollte man es lieber gar nicht erst versuchen. »Auch diesmal dürfte der Iran sich auf dem Weg zur Atommacht nicht stoppen lassen, sondern vielleicht sogar seine Anstrengungen beschleunigen.« Hier wird Ursache und Wirkung verwechselt. Wenn der Iran am 12. Juni eine Beschleunigung seiner Urananreicherung verkündet und Israel am 13. Juni die entsprechenden Anlagen bombardiert, was war dann zuerst da? »Aber dann muss man sich fragen: warum? Und warum jetzt? Die Trump-Regierung ist inmitten eines großen diplomatischen Versuchs, den weiteren Ausbau des iranischen Atomprogramms durch gegenseitige Zugeständnisse zu stoppen.«
Frey-Paradoxon
Die Ayatollahs sagen, dass sie Israel durch eine Atombombe zerstören werden und nennen dafür schon einen Zeitplan. Sie sehen den Krieg gegen Israel als religiöse Pflicht, als Dschihad, und es gibt nichts Wichtigeres auf der Welt. Frey aber glaubt, dass sie sich davon abhalten lassen, wenn ein amerikanischer Präsident ihnen ein Lächeln schenkt? »Der Befehl von Israels Premier Benjamin Netanjahu durchkreuzt Trumps Pläne, macht seine optimistischen Versprechungen zunichte und wirkt wie eine massive Brüskierung des wichtigsten Verbündeten des jüdischen Staates.« Dass Trump sich partout weigert, brüskiert zu sein, muss für Frey eine herbe Enttäuschung sein.
»Israels Militärschlag« wirke »wie eine Fortsetzung der gegenseitigen Angriffe im vergangenen Jahr, die den Krieg mit der Hamas im Gazastreifen und der Hisbollah im Libanon auf eine höhere geopolitische Ebene gehoben« hätten, »aber für die Wiederaufnahme dieses Konflikts gab es jetzt keinen Anlass«.Wie kann man von einer »Wiederaufnahme« des Konflikts sprechen, wenn der Iran nie aufgehört hat, Raketen auf Israel zu schießen? Sagte Salami doch selbst – wie in Teil 1 erwähnt –, die beiden Länder befänden sich »im umfassenden Krieg«?
Wie Moshe Zimmermann zaubert auch Eric Frey die »fragile innenpolitische Lage« in Israel aus dem Hut, die angeblich der Dreh- und Angelpunkt zum Verständnis von allem sei. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu wolle einfach die Fetzen fliegen lassen: »Für diesen Vorteil nimmt der politische Überlebenskünstler Netanjahu ein massives Zerwürfnis mit den USA in Kauf, riskiert einen iranischen Gegenschlag, der anders als frühere Luftangriffe viele Menschenleben in Israel kosten könnte, und sorgt für eine weitere Destabilisierung des ohnehin schon so volatilen Nahen Ostens. Er schützt sein Land nicht, sondern setzt es neuen Gefahren aus.«
Fehlen nur noch die obligatorischen gemäßigten Kräfte im iranischen Regime. Doch: Bingo, da sind sie schon. »Der zukünftige Kurs des Iran ist schwer vorauszusagen, aber ein solcher Angriff wird nichts dazu beitragen, die pragmatischen Kräfte in Teheran zu stärken. Die radikalen Revolutionsgarden haben ihren Chef verloren, aber könnten ihre Macht im Land sogar weiter ausbauen.« – Das Frey-Paradoxon: Je mehr Mitglieder eine kriminelle Bande verliert, desto stärker wird sie.
Kann man die »pragmatischen Kräfte in Teheran« nicht einmal im Standard interviewen oder sie einen Gastbeitrag schreiben lassen? Dann wüsste man endlich, was man sich darunter vorzustellen hat.
Wäre der Zweite Weltkrieg so kommentiert worden, wie heutzutage manche Journalisten und sogenannte Experten über den Nahen Osten reden, hätte es vielleicht so geklungen:
»US-Präsident Franklin D. Roosevelt will mit seinen Angriffen auf Nazideutschland von der Großen Depression ablenken. Hitler wird das nicht hinnehmen. Langfristig werden diese Angriffe ihn nur noch stärker machen. Die einzige Möglichkeit, zu einem Frieden in Europa und im Pazifik zu kommen, wären Verhandlungen. Die US-Luftangriffe haben die Aussichten zunichte gemacht. Sollte das Naziregime überleben, dürfte es nun alles daransetzen, so schnell wie möglich eine Atombombe zu bauen – um sich selbst zu schützen. Der zukünftige Kurs des Dritten Reichs ist schwer vorauszusagen, aber die Angriffe der Alliierten werden nicht dazu beitragen, die pragmatischen Kräfte in der NSDAP zu stärken.«
"Team Chamberlain"
— Erich Nuler🎗 (@erichnuler) June 13, 2025