Wie Florian Markl am Montag in einem Artikel festgehalten hat, bieten Terroranschläge in Israel wie der in Jerusalem vor einer Woche den hiesigen Medien immer wieder die Gelegenheit, die »Floskelmaschine« anzuwerfen.
Eine der in diesem Zusammenhang besonders oft bemühten Floskeln ist die von der »Gewaltspirale«. So schrieb – um nur drei der ersten Beispiele zu nennen, die eine Google-Suche zutage fördert – der Mitteldeutsche Rundfunk nach dem Attentat, die »Gewaltspirale in Israel dreht sich weiter«, die katholische weltkirche.de äußerte »Sorge vor einer Gewaltspirale im Nahen Osten«, und die Hamburger Morgenpost klärte ihre Leser darüber auf, »wie die Gewaltspirale Radikalen auf beiden Seiten nützt«.
Die mit schlafwandlerischer Sicherheit stets formulierte – und darin an den Film Und täglich grüßt das Murmeltier erinnernde – Warnung vor einer »Gewaltspirale«, sobald palästinensische Terroristen israelische Zivilisten ermorden, spiegelt nicht zuletzt wieder, nach welch vorgefertigten Schablonen der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern hierzulande wahrgenommen wird. Schablonen, die es allzu oft verhindern, dass die Realität vor Ort auch nur ansatzweise wahrgenommen wird.
Dies liest sich, wie Seth J. Frantzman am Samstag in einem Kommentar für die Jerusalem Post feststellte, oftmals »wie ein Drehbuch für eine Tragödie«:
- Akt 1: Das israelische Vorgehen gegen eine Terrorzelle des Palästinensischen Islamischen Dschihad in Dschenin am Donnerstag wird als Eskalation Israels dargestellt, das damit, wie etwa Jannis Hagmann in der taz behauptete, eine »Gewaltdynamik … losgetreten« habe.
- Akt 2: Der Anschlag eines palästinensischen Terroristen in der Ostjerusalemer Gemeinde Neve Yaakov wird – wie etwa vom Schweizer Rundfunk SRF – damit kommentiert, dass es, »nachdem am Donnerstag neun Palästinenser getötet wurden«, nun »weitere Tote zu vermelden« gebe, die – so die SRF-Ergänzung nach Kritik an der völlig derealisierenden Wiedergabe des Terroranschlags – einem »Angriff auf eine Siedlung in Ost-Jerusalem« zum Opfer gefallen seien.
- Akt 3: Nach dieser Darstellung einer israelischen Eskalation und einer palästinensischen Reaktion wird reihum vor dem »Drehen an der Gewaltspirale« gewarnt, einer »Gewaltspirale«, die »Befürchtungen vor einer weiteren Eskalation« schüre.
Was an den realen Geschehnissen außerhalb der Medieninszenierung soll hierbei jedoch dem Muster einer »Gewaltspirale« oder eines »Kreislaufs der Gewalt« entsprechen? Der Islamische Dschihad ist eine Terrororganisation, dessen Bekämpfung und Entwaffnung eigentlich Aufgabe der Palästinensischen Autonomiebehörde wäre. Weil diese dazu nicht in der Lage ist, muss Israel die Aufgabe übernehmen, die Gruppe an der Vorbereitung von Terroranschlägen zu hindern. Nichts daran hat mit einer »Spirale« zu tun.
Und auch beim offenbar von einem Einzeltäter verübten Anschlag in Jerusalem handelte es sich nicht um eine »Spirale«, sondern um Terror, der es auf jüdische Zivilisten abgesehen hat. Selbst wenn der Attentäter über das Vorgehen der israelischen Sicherheitskräfte gegen eine Terrorgruppe in Dschenin verärgert gewesen wäre, würde das seine Tat nicht zu einem Punkt in einem ominösen »Kreislauf der Gewalt« machen.
Die »Besatzung«, die Siedlungen, die israelischen Antiterroreinsätze sind weder eine Entschuldigung oder ein mildernder Grund für Terrorangriffe, noch Ausgangspunkte einer wie von allein ablaufenden »Gewaltspirale«, an der beide Seiten gleichermaßen beteiligt wären – während letzten Endes dann doch die Israelis die Schuld tragen sollen, weil sie die mit ihren Aktionen den »Kreislauf der Gewalt« immer wieder von Neuem losträten.
Den Teil zur klassischen Nahost-Floskel: »Israel muss zu schmerzhaften Kompromissen bereit sein« finden Sie hier.
Dies ist ein Auszug aus unserem Newsletter vom 11. Januar. Wenn Sie den nächsten Newsletter erhalten möchten, melden Sie sich an!