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„Kippte“ Netanjahu den Stopp des Siedlungsbaus?

Sehr geehrter Herr Seinitz,

Sie schreiben in ihrem Kommentar über die Anti-Siedlungs-Resolution des UN-Sicherheitsrates in der Kronen Zeitung: „Einen Stopp [des israelischen Siedlungsbaus] gab es schon einmal. Er wurde von Netanjahu gekippt.“ Das ist falsch: Tatsächlich war es niemand anderer als Premier Netanjahu, der im November 2009 ein zehnmonatiges Moratorium über den Siedlungsbau im Westjordanland verhängte, um die palästinensische Führung zurück an den Verhandlungstisch zu holen.

Genutzt hat diese einseitig erbrachte Vorleistung freilich wenig: Neun Monate lang weigerte sich PLO-Chef Mahmud Abbas, in Verhandlungen mit Israel einzutreten. Als er es im zehnten Monat schließlich doch tat, so nur, um mit dem sofortigen Abbruch der Gespräche zu drohen, sollte das Moratorium nicht ausgeweitet und auf unbefristete Zeit verlängert werden. Der von Obama eingesetzte amerikanische Nahostvermittler George Mitchell schilderte das Geschehen dies folgendermaßen:

„I personally negotiated with the Israeli leaders to bring about a ten month halt in new housing construction activity. The Palestinians opposed it on the grounds, in their words, that it was worse than useless. So they refused to enter into the negotiations until nine months of the ten had elapsed. Once they entered, they then said it was indispensable. What had been worse than useless a few months before then became indispensable and they said they would not remain in the talks unless that indispensable element was extended.“

Die damalige amerikanische Außenministerin Hillary Clinton würdigte Netanjahus Siedlungsbau-Moratorium als einen „beispiellosen Schritt, den noch kein israelischer Premier getan hat“. Er sei zwar nicht perfekt gewesen, weil er sich nicht auch auf Jerusalem bezog:

„But the fact was it was a 10-month settlement freeze. And he was good to his word. And we couldn’t get the Palestinians into the conversation until the tenth month.“

Premier Netanjahu hat also den von Ihnen angesprochenen Stopp des Siedlungsbaus nicht „gekippt“, sondern überhaupt erst einmal durchgesetzt. Und auch nach Ablauf des Moratoriums ging der Siedlungsbau unter Netanyahu – entgegen eines weit verbreiteten Vorurteils – langsamer voran als unter seinen Vorgängern.

Im Oktober vergangenen Jahres war in der alles andere als siedlerfreundlichen Tageszeitung Haaretz zu lesen: „Seit Netanjahu 2009 Premier wurde, gab es in den Siedlungen tatsächlich weniger Bauaktivitäten als unter allen anderen Premierministern seit 1995.“ Netanjahu wurde von Abgeordneten – nicht etwa der politischen Rechten, sondern der oppositionellen Arbeitspartei sowie der liberalen Yesh Atid – scharf dafür kritisiert, dass etwa in der großen Siedlung Ma‘ale Adumim nahe Jerusalem seit nunmehr sechseinhalb Jahren nicht mehr gebaut worden sei. In den vergangenen fast acht Jahren unter Premier Netanjahu hat sich an der Lage vor Ort kaum etwas verändert.

Auch wenn es der obsessiven Konzentration auf den Siedlungsbau widerspricht: Die israelischen Siedlungen sind nicht die Ursache des Konflikts, sondern die Folge des Krieges gegen den jüdischen Staat – der schon geführt wurde, als es überhaupt noch keine Siedlungen gegeben hat.

Mit freundlichen Grüßen,
Mag. Florian Markl
Mena Watch – der unabhängige Nahost-Thinktank

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