Sehr geehrte Presse-Redaktion,
seit die Hamas am vergangenen Montag ein politisches Grundsatzpapier veröffentlicht hat, war ich gespannt, wie Ihre Israel-Korrespondentin, Susanne Knaul, darüber berichten wird. Ein Blick in die heutige Presse zeigt: Wie erwartet bemüht sie sich, den offenkundigen Versuch der palästinensischen Terrororganisation, mittels einiger kosmetischer Änderungen einen Weg aus der internationalen Isolation zu finden, als grundlegenden Kurswechsel zu verkaufen. Zu diesem Zweck liest sie allerdings in das Hamas-Dokument Inhalte hinein, die dort nicht zu finden sind bzw. den darin vertretenen Positionen direkt widersprechen.
Schon in der Überschrift wird von einem „Schwenk der Hamas“ gesprochen und behauptet, die „Extremisten erkennen die Grenzen Israels an“. Im Artikel heißt es dann, zum ersten Mal seit ihrer Gründung 1988 habe die „radikale Palästinenser-Organisation de facto die Grenzen Israels anerkannt“ und sich für die Gründung eines palästinensischen Staates „in den von Israel besetzten Gebieten ausgesprochen anstatt das gesamte Land vom Jordan bis zum Mittelmeer für Palästina zu beanspruchen.“
Tatsächlich schreibt die Hamas in ihrem Papier:
„Es wird keine Anerkennung der Legitimität der zionistischen Entität geben. … Die Hamas lehnt jede Alternative zur völligen und kompletten Befreiung Palästinas, vom [Jordan-]Fluss bis zum [Mittel-]Meer, ab.“
Das ist schlicht das Gegenteil dessen, was Knaul die Presse-Leser glauben machen will. Doch obwohl die Hamas es nicht deutlicher hätte formulieren können, spricht Knaul kontrafaktisch von „der Bereitschaft für eine Zweistaatenlösung“ und fantasiert darüber, dass „die Islamisten von ihrem seit fast 30 Jahren propagierten Ziel abweichen“. Dass die Hamas vom Ziel der Vernichtung Israels abrücken würde, ist eine reine Erfindung Knauls. Die erwähnte Gründung eines palästinensischen Staates würde weder die Anerkennung israelischer Grenzen, noch eine Abkehr vom Ziel der Vernichtung des jüdischen Staates bedeuten.
Bei dem von der Hamas präsentierten Papier handelt es sich auch nicht um eine „neue Charta“, wie Knaul behauptet – die 1988 veröffentlichte Charta ist nach wie vor das gültige Grundsatzprogramm der Hamas, inklusive der darin enthaltenen antisemitischen Verschwörungstheorien und dem Aufruf zum Massenmord an den Juden. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Islamisten jetzt behaupten, nicht gegen Juden, sondern ‚nur‘ gegen die Zionisten Krieg zu führen. Auch die Hamas hat mittlerweile gelernt, ihren Hass auf der Höhe der Zeit zu formulieren. So schreibt sie eben nicht:
„Die Juden zielen nicht nur auf das palästinensische Volk ab, sondern sind die Feinde der arabischen und islamischen Umma und eine schwerwiegende Bedrohung ihrer Sicherheit und ihrer Interessen. Sie stehen auch dem Streben der Umma nach Einheit, Renaissance und Freiheit feindlich gegenüber und sich eine der wesentlichen Ursachen ihrer Probleme Die Juden stellen auch eine Gefährdung der internationalen Sicherheit und Friedens sowie der Menschheit, ihrer Interessen und ihrer Stabilität dar.“
Hetzte die Hamas so gegen Juden, wäre das mühelos als Antisemitismus zu erkennen. Schreibt sie jedoch, wie in ihrem jüngsten Grundsatzpapier, genau dieselben Worte, wobei sie „Juden“ durch „das zionistische Projekt“ ersetzt, dann wird das als Distanzierung vom Antisemitismus missverstanden – und lässt jemanden wie Knaul das neue Programm als „erkennbar versöhnlicher“ bezeichnen.
Mit freundlichen Grüßen,
Mag. Florian Markl
Mena Watch – der unabhängige Nahost-Thinktank