Katar: Weltmeister der modernen Sklaverei

Das für die Fußball-WM 2022 erbaute Khalifa International Stadium in Doha
Das für die Fußball-WM 2022 erbaute Khalifa International Stadium in Doha (© Imago Images / Kyodo News)

Dass die im November in Katar beginnende Fußball-WM stattfinden kann, ist einzig der Ausbeutung ausländischer Arbeiter zu verdanken.

Es ist eine bekannte Tatsache, dass in vielen arabischen Staaten, allen voran in den Golfstaaten, Millionen von ausländischen Menschen arbeiten. Der Großteil von ihnen stammt aus Bangladesch, Indien, Nepal, Pakistan und Sri Lanka. Sie alle kommen aus ärmsten Verhältnissen, sind vielfach Analphabeten und ohne Berufsausbildung. Die meisten von ihnen haben Familien, die sie jedoch nicht ernähren können, weil sie im eigenen Land keine Arbeit finden oder so wenig verdienen, dass sie und ihre Angehörigen praktisch vor dem Nichts stehen.

Um diesen Lebensbedingungen zu entkommen, wandern sie in Massen in Länder aus, in denen sie sich Arbeit und eine bessere Zukunft erhoffen. In erster Linie treibt es sie in die Golfstaaten, wo sie von Industrie, Wirtschaft, Gastgewerbe, Tourismusbranche, aber auch von wohlhabenden Bürgern dringend gebraucht werden. Generell werden sie für niedrig gestellte Berufe bzw. Arbeiten, die keinerlei Ausbildung voraussetzen, benötigt, zum Beispiel als Bauarbeiter. Im privaten Bereich werden auch viele Frauen eingestellt, um die vermögenden Haushalte am Laufen zu halten.

Dies alles ist nichts Neues, doch durch die (zweifelhafte) Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 an Katar rückte diese massenhafte Arbeitsmigration in den Blickpunkt vor allem von Menschenrechtsorganisationen, die in erster Linie die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen kritisch hinterfragten und publik machten.

Sklaven auf den Fußball-Baustellen

Und nun, keine zwei Tage nach Auslosung der Fußballgruppen, die in Doha am 1. April unter international medial opulenter Zubereitung stattfand, hat die britische Tageszeitung The Guardian über die skrupellosen Kriterien der Einreisebewilligungen, der Arbeitsgenehmigungen und der Entlohnung berichtet.

Die Guardian-Recherche belegt, dass jeder einzelne Arbeitsimmigrant in Katar, dem Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt, für seine künftige Arbeitsstelle eine hohe Gebühr entrichten musste, um sie überhaupt antreten zu dürfen. Bevor sie also noch einen einzigen Rial verdient hatten, mussten sie viele tausend Rial ihrem künftigen Arbeitgeber in die Hand drücken. Solche Zustände herrschten nicht einmal in den bittersten Zeiten der Sklaverei; so viel Sarkasmus brachten nicht einmal die bösartigsten Sklavenhändler der Historie auf.

Auf diese Weise flossen Milliarden von US-Dollar in die katarische Wirtschaft und die monarchische Geldkassette. The Guardian hat berechnet, dass die Arbeitsmigranten aus Bangladesch durchschnittlich zwischen 3.000 und 4.000 US-Dollar an Gebühren zu entrichten hatten. Um diese Bearbeitungsgebühren wieder »einzuspielen«, mussten sie de facto bei einem Monatseinkommen von. ca. 275 Dollar mindestens ein Jahr lang arbeiten. Das bedeutet, sie alle haben in diesem einem Jahr keinen einzigen Rial verdient, um sich das täglich Brot leisten zu können; ganz zu schweigen davon, auch nur ein Zehntel eines Rials an ihre hungernden Familien in der Heimat schicken zu können.

Das Kafala-System

Hinter diesen mafiösen Arbeitsbeschaffungsstrukturen steht das alte arabische Kafala-System, eine Art Bürgschaft-System, bei dem quasi der jeweilige Arbeitgeber kontrolliert und bestimmt, wer im Land leben und arbeiten darf. Jeder Immigrant, der zum Beispiel in Katar arbeiten möchte, muss bei den lokalen »Sponsoren« der Firmen, die Arbeiter suchen, Anwerbegebühren entrichten und seinen Pass abgeben, der in den meisten Fällen von den Arbeitgebern nie wieder ausgehändigt wird, was zur Folge hat, dass die ausländischen Arbeitnehmenden zu Sklaven auf Lebenszeit werden.

Bezogen auf Katar schätzt The Guardian, dass in den letzten zehn Jahren Arbeitsmigranten aus Bangladesch mindestens 1,5 Mrd. US-Dollar an Makler- und Personalvermittlergebühren bezahlt haben. Die katarische Regierung behauptet, das arbeitsrechtliche Kafala-System [es gibt auch ein familienrechtliches Kafala-System] längst abgeschafft zu haben; tatsächlich nahm sie jedoch nur eine Namensänderung vor und errichtete – laut Guardian – seit 2018 in einigen Ländern staatliche Rekrutierungszentren.

Vor Ort jedoch änderte sich rein gar nichts an der täglich geübten Ausbeuterpraxis, ganz im Gegenteil: Die Abertausend Arbeitskräfte, die für die Errichtung der Infrastruktur zur Austragung der Fußball-WM benötigt wurden, können ein traurig Lied davon singen.

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