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„Israelkritikerin“ Nemi El-Hassan: Das Aus beim WDR?

Demonstration der "Jewish Voice for Peace" in Atlanta/USA
Demonstration der "Jewish Voice for Peace" in Atlanta/USA (© Imago Images / ZUMA Wire)

Nemi El-Hassan wird nicht die beliebte WDR-Sendung Quarks moderieren. Die 28-Jährige distanziert sich zwar von ihrer islamistischen Vergangenheit, lehnt Israel aber offenkundig weiterhin grundsätzlich ab. Das hat nun Konsequenzen, auch wenn ihre Verteidiger das nicht verstehen können.

Eigentlich sollte Nemi El-Hassan ab November das populäre WDR-Wissenschaftsformat Quarks moderieren. Doch nachdem deutliche Kritik an früheren islamistischen und antisemitischen Aktivitäten der heute 28-Jährigen laut geworden war, gab der Sender bekannt, sie vorerst nicht in dieser Funktion einzusetzen.

Nun steht fest, dass diese Entscheidung von Dauer sein wird, denn Intendant Tom Buhrow hat es gegenüber dem WDR-Rundfunkrat so kommuniziert. Der Rundfunkrat „vertritt als Aufsicht im WDR die Interessen der Allgemeinheit“, wie es auf der Website der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt heißt.

Buhrow sagte, das Problem sei in seinen Augen nicht so sehr El-Hassans Teilnahme am antisemitischen Al-Quds-Aufmarsch in Berlin im Jahr 2014, denn davon habe sie sich klar distanziert. Es hätten sich vielmehr auch in jüngster Zeit „problematische Likes von ihr in sozialen Netzwerken gefunden“. Die Abwägung sei schwierig, doch eine Moderation würde, so der Intendant weiter, „zu einer unangebrachten Politisierung der Sendung führen“. Man erwäge aber, El-Hassan als Autorin für Quarks arbeiten zu lassen, also hinter der Kamera.

Einer Meldung der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zufolge gab es auf der Rundfunkratssitzung zahlreiche Wortbeiträge von Mitgliedern zu dieser Angelegenheit. Dem Rat gehören unter anderem Vertreter von Gewerkschaften, Kirchen, Berufsverbänden und Einrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen sowie diverse Landtagsabgeordnete an. Sein Vorsitzender Andreas Meyer-Lauber sagte: „Antisemitische Positionen können und dürfen im WDR keinen Platz haben.“ Daran lasse man nicht rütteln.

WDR: Freude über Gewalt gegen Israel ist nicht zu tolerieren

Die Mitglieder des Rundfunkrates kritisierten überwiegend, dass Nemi El-Hassan weiterhin für den WDR tätig sein soll, wie es laut Buhrow überlegt wird. Sie könne weder vor noch hinter der Kamera einen Platz haben. Das Problem seien dabei weniger ihre Jugendsünden als vielmehr die Bekundungen aus neuester Zeit. Man könne israelkritisch sein, aber Freude über Gewalt gegen Israel sei auf keinen Fall zu tolerieren.

Damit dürfte vor allem die Zustimmung von El-Hassan zu einem Instagram-Posting von Anfang September gemeint sein, in dem die Flucht von sechs palästinensischen Häftlingen aus einem israelischen Gefängnis als „Akt der Selbstbefreiung“ und „unglaubliche Heldentat“ bezeichnet wird. Bei den Inhaftierten handelt es sich um Mitglieder der antisemitischen Terrororganisationen Islamischer Jihad respektive Al-Aqsa-Märtyrerbrigaden.

Sie waren zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden, fünf von ihnen hatten Anschläge verübt. Einer davon, Zakaria Zubeidi, wird für einen Angriff auf ein Büro der Likud-Partei im Jahr 2002 verantwortlich gemacht, bei dem sechs Menschen getötet wurden. Alle Geflohenen wurden inzwischen gefasst und wieder ins Gefängnis gebracht.

Jewish Voice setzt israelisches Gefängnis mit NS-Vernichtungslager gleich

Die Organisation, deren Instagram-Eintrag von Nemi El-Hassan mit einem „Like“ belohnt wurde, veröffentlichte einige Tage später auf Twitter zwei Fotos. Die Beschreibung des ersten Bildes lautet:

„Palästinensische Häftlinge benutzten einen rostigen Löffel, um einen Tunnel aus dem israelischen Hochsicherheitsgefängnis Gilboa zu graben.“

Der Text zum zweiten Foto ist:

„Archäologen haben einen Holocaust-Fluchttunnel gefunden, der mit Löffeln gegraben wurde. Man glaubt, dass dieser Tunnel mindestens zwölf jüdischen Gefangenen die Flucht aus einem Vernichtungslager in Litauen ermöglichte.“

Der Tweet dazu las sich so:

„Wenn man sich nach Freiheit sehnt, ist manchmal ein Löffel alles, was man braucht.“

Hier werden also im Gefängnis eines demokratischen Staates einsitzende antisemitische Terroristen und ein Mörder, der das Leben von mehreren Juden auf dem Gewissen hat, als Freiheitskämpfer und Helden geadelt und mit todgeweihten Juden verglichen – nein, sogar gleichgesetzt –, denen die Flucht aus einem nationalsozialistischen Vernichtungslager gelang.

Die Vereinigung, die diese Ungeheuerlichkeiten ins Internet gestellt hat, ist die Jewish Voice for Peace aus den USA – eine jüdische Organisation mithin, aber stramm antizionistisch, die BDS-Bewegung befürwortend und ganz offensichtlich auch vor heftigen antisemitischen Ausfällen nicht gefeit.

Es gibt keine Rechtfertigung für solche Widerwärtigkeiten, für die Gleichsetzung eines israelischen Gefängnisses mit einer NS-Todesfabrik, für diese Shoa-Verharmlosung. All das wird nicht harmloser oder auch nur verständlicher, wenn es von einer jüdischen Stimme stammt, die – aus welchen Gründen auch immer – Israel hasst.

El-Hassans Beteuerungen sind nicht aufrichtig, sondern taktisch motiviert

Nemi El-Hassan hatte in jüngerer Vergangenheit auch noch antiisraelische Boykottaufrufe sowie Parolen wie „From the river to the sea, Palestine will be free“ – in denen ein Ende des jüdischen Staates gefordert wird – mit einem „Like“ versehen.

Hinzu kommen Äußerungen von ihr aus dem Frühjahr, aus denen unter anderem hervorgeht, dass sie Israel für einen Apartheidstaat hält und ein „Rückkehrrecht für PalästinenserInnen auf der ganzen Welt“ fordert. Es geht also nicht nur um schnelle Klicks auf ein Symbol, um Zustimmung auszudrücken.

Wie hatte es El-Hassan unlängst im Interview des Spiegel formuliert? Sie könne „nicht ausschließen“, in der Vergangenheit „Dinge gesagt zu haben, die antizionistisch sind und Israelfeindlichkeit bedienen“. All das tue ihr sehr leid, und sie schäme sich für diese Zeit. Sie spreche dem Staat Israel nicht das Existenzrecht ab und hasse ihn auch nicht.

Diese Beteuerungen scheinen dann doch nicht aufrichtig, sondern eher taktisch motiviert gewesen zu sein, um die Perspektive beim WDR nicht zu gefährden. Auch das Löschen der „Likes“, just als die Kritik zunahm, dürfte kaum von Einsicht zeugen.

Eine Islamistin wie vor sieben Jahren ist Nemi El-Hassan gewiss nicht mehr, zumal sie den Hijab längst abgelegt hat – und dafür von Islamisten scharf angegriffen wird. Dass verschiedene Medien, darunter nicht zuletzt die Bild-Zeitung, sie trotzdem immer wieder mit dem Kopftuch zeigen, führt zu einer Stigmatisierung und zu rassistischen Kommentaren, die zu Recht deutlich kritisiert werden. El-Hassan ist auf Distanz zu ihrem früheren Umfeld gegangen, und es geht nicht an, dass man so tut, als hätte sie diesen Schritt nie unternommen.

Antiisraelisches Mindset konserviert

Ihr antiisraelisches Mindset hat sie gleichwohl konserviert – und es als „Israelkritik“ verkleidet, wie es in Deutschland üblich und en vogue ist.

Dazu gehört es nicht zuletzt, sich zustimmend auf antizionistische jüdische Organisationen zu beziehen und sich auf diese Weise hinter deren Äußerungen zu verstecken, um nicht des Antisemitismus geziehen zu werden. Derartige Kronzeugen lassen sich immer finden, und die Jewish Voice for Peace, auch in ihrer deutsche Ausgabe, wird dabei besonders gerne genommen.

In der Berliner Zeitung etwa stellt Hanno Hauenstein diese Organisation als „linke jüdische Gruppe“ vor, die eine „energische Kritik der israelischen Siedlungs- und Besatzungspolitik“ äußere. Sie hantiere dabei „mit Begriffen, Bildern und Forderungen“, die „im deutschen Kontext als problematisch gelten und ,oft in die Nähe von Antisemitismus gerückt werden“. Dabei gälten „ihre kritische Diskussion etwa in der israelischen, palästinensischen oder amerikanischen Öffentlichkeit als relativ normal“.

Hauenstein gehört zu den linken und linksliberalen Verteidigern von Nemi El-Hassan, die vor einigen Tagen auch eine Solidaritätserklärung mit ihr unterschrieben und veröffentlicht haben. Dieser Erklärung zufolge gibt es keine berechtigte Kritik an ihr, sondern nur eine „rechte Diffamierungskampagne“ mit „rassistischen Untertönen“.

Folgerichtig erwähnt Hauenstein auch nicht, welch außerordentlich üble Postings die von El-Hassan „gelikte“ Jewish Voice in den sozialen Netzwerken veröffentlicht.

El-Hassans Verteidiger betreiben Framing

Deren Gleichsetzung von antisemitischen Mördern und Terroristen mit verfolgten Juden und von israelischen Gefängnissen mit deutschen Vernichtungslagern wäre wohl auch nur schwer als „energische Kritik der israelischen Siedlungs- und Besatzungspolitik“ zu verkaufen.

Und dass so etwas nicht bloß „im deutschen Kontext“ problematisch ist, sondern auch in der israelischen und amerikanischen Öffentlichkeit keineswegs für „relativ normal“ gehalten wird, wird Hauenstein wissen. Diese Auslassung dürfte deshalb eine bewusste sein, um das eigene Narrativ nicht zu gefährden.

Dass linke und linksliberale Kultur- und Medienschaffende nun enttäuscht vom WDR sind, den sie vermutlich auf ihrer Seite wähnten, liegt nahe. Schon ist davon die Rede, dass der Sender vor den Springer-Medien und rechtsextremen Bloggern eingeknickt sei. Dieses Framing lässt jedoch gänzlich außer Acht, dass es bei aller berechtigten und notwendigen Kritik an rassistischen Äußerungen gegenüber Nemi El-Hassan nun mal so ist, dass diese sich mit ihren Meinungsbekundungen über den jüdischen Staat selbst um Kopf und Kragen gebracht hat.

Der Rundfunkrat des WDR hat deshalb gut daran getan, diese Tatsache so klar zu benennen. Antisemitismus ist kein Kavaliersdelikt, auch nicht in seiner israelbezogenen Variante.

Nemi El-Hassan hat nicht nur ein paar Widersprüche ungeklärt gelassen, sondern sich offensiv gegen den jüdischen Staat positioniert. „Ich war naiv zu denken, ich könnte mich unbefangen und frei in den sozialen Medien bewegen“, sagte sie zu Hanno Hauenstein von der Berliner Zeitung. Diese Unbefangenheit und Freiheit schließt für sie offenbar den Hass gegen Israel ein. Doch hier ist ein Stoppschild gesetzt worden.

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