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Israel: Wird es eine politische Zukunft für Naftali Bennett geben?

Ungewisse politische Zukunft: Israel scheidender Premier Naftali Bennett
Ungewisse politische Zukunft: Israel scheidender Premier Naftali Bennett (© Imago Images / UPI Photo)

Auch nach dem Scheitern der Koalition bleibt der scheidende Ministerpräsident Naftali Bennett bei seiner Meinung, dass Israel eine Regierung brauche, die das gesamte politische Spektrum vereint.

»Gerade einmal ein Jahr und eine Woche … Ein Schlag ins Wasser?« Mit dieser provokativen Frage eröffnete Fernsehreporterin Dana Weiss ihr Interview mit dem scheidenden israelischen Premier Naftali Bennett.

Worauf sie anspielte, war klar. Bennett sah sich vergangene Woche gezwungen, seine Amtszeit nach nur zwölf Monaten abzubrechen, das Parlament vorzeitig aufzulösen, Neuwahlen im Herbst auszurufen und das Zepter in der Zwischenzeit an seinen Vize Jair Lapid abzugeben. Die Nerven scheint der Premier aber weder wegen seines verfrühten Abgangs, noch wegen der herausfordernden Frage verloren zu haben.

Ein arbeits- und ertragreiches Jahr

Natürlich hätte er sich eine längere Amtsperiode gewünscht, räumte Bennett auf die Frage der Journalistin ein. Allerdings wäre das eine Jahr besonders intensiv, arbeits- und ertragreich verlaufen. Das Land sei endlich wieder ordentlich verwaltet worden und die Kabinettsmitglieder hätten gearbeitet.

Und der Erfolg habe nicht lange auf sich warten lassen. Zum ersten Mal seit Jahren habe es keine Brandballons und keine Hamas-Raketen mehr aus dem Gazastreifen gegeben; auch sei man präzise und effektiv gegen die ständige und existenzielle Bedrohung aus dem Iran und Syrien vorgegangen. In Sachen Wirtschaft habe man nicht nur endlich wieder einen ordentlichen Haushalt verabschiedet, sondern auch das astronomische Bundesdefizit komplett abgebaut und die Arbeitslosigkeit auf ein Minimum reduziert.

Ein gemeinsamer Kraftakt der Koalition

Zwar hielt sich Bennett nicht zurück mit der Aufzählung seiner Errungenschaften, er schaffte es dabei aber, nicht anmaßend zu klingen. Woran das lag? – Wohl, weil er immer nur »wir« sagte und von einem gemeinsamen Kraftakt der Koalition sprach; weil er versicherte, der größte Triumph seiner Regierung sei die Zusammenarbeit acht ideologisch weit auseinanderstehender Fraktionen gewesen, und weil er zugab, in diesem Jahr eine Menge Fehler gemacht und vieles gelernt zu haben.

Ein einsichtiger Premier

Er hätte, so Bennett, der Politik nicht genug Zeit gewidmet, während sie »ein entscheidendes und heiliges Werkzeug« sei. Er hätte sich weniger auf Wolodymyr Selenskyj, den ukrainischen Präsidenten, und MBZ [Muhammad bin Zaid, Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate], konzentrieren müssen, sondern mehr auf seine wankelmütigen Parteimitglieder Silman und Orbach.

Tatsächlich ist es grotesk: Der Prototyp eines Managers, der mit etlichen High-Tech Start-ups lukrative Exits verbuchen konnte, ist an seinem mangelhaften Team-Management gescheitert. Bennett konnte den Absprung seiner drei Parteigenossen nicht rechtzeitig verhindern.

Wie er heute zu den Abtrünnigen stünde, wollte die Reporterin wissen und zeigte ihm ad hoc ein Video, das zeigte, wie einer von ihnen mit einem prominenten Mitglied der Oppositionspartei auf den Treppen der Knesset zu paktieren schien. Der offensichtlich überraschte Bennett ließ sich aber nicht aus der Fassung bringen.

Er verstehe die Gemütsschwankungen der Parteigenossen. Sie wären unter enormem Druck gestanden. Weil sie, trotz ihrer rechtskonservativen Gesinnung, bereit gewesen waren, mit linksliberalen Parteien zusammenzuarbeiten, hätten ehemalige Anhänger sie als Verräter beschimpft und sowohl sie selbst als auch ihre Kinder bedroht. Damit hätten einige von ihnen nicht leben können.

Kein Boykott für Bibi

Dass er dem Druck standhalten konnte, habe offensichtlich an seiner härteren Disposition gelegen, ließ er durchblicken. Zudem, so Bennett, sei er von dem neu eingeschlagenen Weg zutiefst überzeugt. Er selbst stünde politisch zwar rechts, sei aber zu der Einsicht gelangt, dass Israel heute eine Regierung brauche, die das gesamte politische Spektrum vereine.

Ob er auch seinen Vorgänger, Benjamin Netanjahu, der ihn im vergangenen Jahr gnadenlos und unaufhörlich angegriffen hat, in eine solche Regierung einbeziehen würde, fragte daraufhin die Reporterin.

Wenn es sich um den Netanjahu aus dem Jahr 2015 handle, der sich mit Leib und Seele in erster Linie um das Land gekümmert habe, dann ja, erwiderte Bennett. Er würde niemanden boykottieren wollen. Deshalb stimme er selbst auch gegen das in aller Eile von der Koalition eingebrachte Gesetz, ein Angeklagter dürfe keine Regierung bilden.

Eine etwas andere Politik

In Wirklichkeit hat Naftali Bennett ein Ziel erreicht, das er selbst gar nicht erwähnt hatte. Er hat gezeigt, dass Politik auch mit Anstand gemacht werden kann, dass Abmachungen gelten, und dass Parteiführer völlig unterschiedlicher Gesinnungen einander respektieren, ja, sogar mögen können.

Als er die Auflösung seiner Regierung bekanntgab, stand er Seite an Seite mit Jair Lapid, den er nicht nur einen Wegbegleiter, sondern auch einen Freund nannte. Jener revanchierte sich, in dem er mit großer Aufrichtigkeit und ohne jeglichen Anflug von Scheu dem scheidenden Premier »Ani Ohev Otcha« bescheinigte – ein Statement, dass die wörtliche deutsche Übersetzung »Ich liebe Dich« in diesem Fall nicht adäquat wiedergeben kann.

Zudem gelang es Bennett, zu beweisen, dass Israel auch nach Benjamin Netanjahu Bestand haben kann. Der ehemalige Premier galt lange als unersetzbar und als brillanter Staatsmann, dem niemand das Wasser reichen kann. Ob Bennett das Format seines Vorgängers hat, ist fraglich. Fragen kann man aber auch, ob eine solch schillernde Persönlichkeit für das Land und sein friedliches Fortbestehen erforderlich ist.

Ungewisse Zukunft

Wie aber wird es mit Naftali Bennett weitergehen? Wird er aus der Politik ausscheiden? Oder wird er bei den nächsten Wahlen, trotz düsterer Prognosen für seine Partei, wieder antreten? Bennett beteuert, er wisse es noch nicht. Die Entscheidung hänge aber nicht davon ab, wie viele Mandate er bekommen würde, sondern ob man Israel aus der innenpolitisch gespaltenen Patt-Situation herausholen könne und ob er, Bennett, dabei eine Rolle zu spielen habe

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