Israel: Warum es Bennett als Premier nicht einfach haben wird

Israelis sehen die Pressekonferenz auf der Naftali Bennett seine Einigung mit Yair Lapid bekannt gibt
Israelis sehen die Pressekonferenz auf der Naftali Bennett seine Einigung mit Yair Lapid bekannt gibt (© Imago Images / Xinhua)

Am vergangenen Montag kam es in Israel wieder zu einem politischen Drama. Hauptdarsteller war diesmal Naftali Bennett.

Der Vorsitzende von Yamina (zu Deutsch: nach rechts), einer Fraktion, die wie ihr Name besagt, ausgesprochen rechtsgerichtet ist, kündigte an, er habe sich zur Bildung einer Einheitsregierung mit Yair Lapid, dem Anführer des Mitte-Links Blocks, entschlossen. Er, Bennett, würde in den ersten beiden Jahren als Premier fungieren, danach übernähme Lapid das Amt für einen ähnlichen Zeitraum.

Dramatisch ist die Ankündigung nicht nur, weil sich hier Politiker diverser Schattierungen die Hand reichen, sondern auch weil, wenn diese Regierung tatsächlich zustande kommt, die legendäre Amtszeit von Benjamin Netanjahu – man spricht von der „Ära Netanyahu” – zu Ende gehen dürfte.

Ein Winner, kein Rockstar

Nun fragen sich viele, wer der Mann ist, der den scheinbar unbesiegbaren Netanjahu in die Knie zwingen will. Der 49-jährige Bennett hat einen beachtlichen Werdegang vorzuweisen. Der Sprössling einer amerikanische Einwandererfamilie hat sich im israelischen Militär vielfach ausgezeichnet und ist danach im IT-Sektor zum Multimillionär geworden.

Seine beachtliche politische Karriere startete er 2006 als Stabschef von Netanjahu. Er gilt mit seinem scharfen Verstand, seinem freundlichen Lächeln, seinen rhetorischen Fähigkeiten und seinen ausgezeichneten Fremdsprachkenntnissen als beliebter Interviewpartner im In- und Ausland.

Der innenpolitische Durchbruch gelang ihm ausgerechnet am Höhepunkt der Corona-Krise. Da entwickelte er nämlich aus Eigeninitiative einen systematischen Plan zur Bezwingung der Pandemie und bot gleich auch an, ihn selbst durchzuführen. Für seine Leistung verlange er weder Bezahlung noch Anerkennung, so Bennett damals, man solle ihn einfach nur machen lassen.

Dass er letztlich nicht zum Zug kam, lag am Widerstand Netanjahus, der die Profilierung seines ehemaligen Zöglings nicht zulassen wollte. Kein Wunder, Bennett war dem Megapolitiker (und, wie gemunkelt wird, auch seiner Frau Sarah) seit Längerem ein Dorn im Auge geworden.

Trotzdem gelang es Bennett, mit seinem wirkungsstarken Vorschlag bei der Bevölkerung zu punkten. Aktuelle Prognosen prophezeiten dem Nachwuchspolitiker bei den nächsten Parlamentswahlen denn auch große Chancen, und so ging Bennett, der beim zweiten der vier letzten israelischen Wahldurchgänge arg gescheitert war, mit viel Schwung ins jüngste Rennen.

Die Ergebnisse schienen dann erst Mal zu enttäuschen. Yamina kam lediglich auf sieben Mandate (zum Vergleich: die Likud-Fraktion unter Netanjahu gewann dreißig, Yesh Atid unter Lapid siebzehn Sitze).

Im Vorfeld: Schwer zu fassen

Das war für Bennett und seine Parteigenossin, Ayelet Shaked, eine herbe Enttäuschung. Die beiden hatten sich dreimal so viele Stimmen erhofft. Woran also lag dieses mäßige Ergebnis?

Da war einmal die Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Wahlen die Corona-Krise in Israel abgeflaut war und damit der Bennett-Plan an Bedeutung verloren hatte. Was zudem wohl störte: die unklare Strategie des jungen Politikers im Vorfeld der Wahlen. Bennett bekräftigte, er wolle eine rechte Regierung bilden und ihr vorstehen, denn es gelte Netanjahu zu ersetzen. Wie er das ohne die Zustimmung der stimmenstärksten, Netanjahu-treuen Likud-Fraktion anstellen wollte, blieb allerdings ein Rätsel.

Überhaupt wich er bei der Frage, ob er es sich vorstellen könnte, als Minister unter Netanjahu zu fungieren, ständig aus. Einerseits verkündete er, man müsse den langjährigen Ministerpräsidenten loswerden, andererseits lehnte er es nicht ab, ihn in einer rechtsgerichteten Regierung zu unterstützen.

Einmal, allerdings, bekannte Bennett Farbe. Im konservativen TV-Channel 20 setzte er vor laufenden Kameras seine Unterschrift unter eine Proklamation, in der er sich verpflichtete, nicht mit Yair Lapid zusammenzuarbeiten, keiner Premier-Rotation mit Letzterem zuzustimmen und auch keine Koalition mit der arabischen Ra’am-Fraktion einzugehen.

Ein Mann der Gegensätze

Am Montag stimmte Bennett dann aber doch dem Rotationsabkommen mit Lapid und der Zusammenarbeit mit Ra’am zu. Sicher, der Entschluss war ihm nicht leichtgefallen.

Nach den Wahlen hatte er seine Karten lange bedeckt gehalten, und obwohl klar war, dass er das entscheidende Zünglein an der Waage sein würde, schien er weder den rechten Netanjahu-Block, noch den gemischten Anti-Netanjahu-Block zu bevorzugen.

Die Einen werteten dieses Verhalten als Zaudern, die anderen sahen darin eine klug-abwartende Strategie. Während der letzten Gaza-Eskalation änderte sich dann alles. Bennett verkündete kategorisch, eine Einheitsregierung mit Unterstützung der arabischen Parteien, die den Hamas-Terror nicht klar verurteilten, stünde für ihn nicht mehr zur Debatte.

Knapp eine Woche später änderte er seine Einstellung allerdings abermals. Bennett muss sich darob jetzt Opportunismus und politisches „Flip-Flopping“ vorwerfen lassen. Er selbst und viele Beobachter werten den Richtungswechsel aber als politische Notwendigkeit, weil, so ihre Überzeugung, in der gegenwärtigen Konstellation keine andere Regierung zustande kommen kann und damit das Land, andernfalls, einer erneuten Wahl ausgesetzt wäre.

Vielleicht hängt Bennets Kehrwendung aber auch mit seiner Persönlichkeit zusammen. Er scheint tatsächlich ein Mann der Gegensätze zu sein: Einerseits überzeugter Ideologe, andererseits knallharter Geschäftsmann; da religiöser Zionist, dort jemand, der fortan mit Gegnern der religiösen und der zionistischen Parteien kooperiert; vor Kurzem noch ein politischer „Loser“, der jetzt voraussichtlich zum Premier aufsteigt.

Held oder Verräter?

Seit seiner dramatischen Ankündigung wird in Israel hitzig über die Person Bennetts diskutiert. Die Einen nennen ihn einen Helden, einen wahren Patrioten, jemanden, der bereit ist, zum Wohl des Landes über den eigenen Schatten zu springen.

Tatsächlich wird Bennett einige Flexibilität an den Tag legen müssen, wenn er eine langfristig stabile Regierung mit der heterogenen Parteilandschaft des Anti-Netanjahu Blocks bilden will. Das ist dem Politiker auch klar, er betont aber immer wieder, jede Regierung, auch wenn sie nicht seinen Vorstellungen entspräche, sei einem fünften Wahldurchgang vorzuziehen. Deshalb, so sein Argument, würde er diesen Weg gehen. (Die Tatsache, dass er sich bei einem weiteren Wahlgang geringe Erfolgschancen ausrechnet, dürfte wohl auch eine Rolle gespielt haben.)

Die Mehrheit der Israelis ist ihm dankbar. Sie will nämlich endlich eine funktionierende Regierung bekommen. Die Bennett-Wähler, allerdings, rebellieren. Sie werfen ihm vor, er würde seine Versprechen brechen, seine Ideale verraten. Laut einer Umfrage, die im TV-Channel 12 veröffentlicht wurde, ziehen denn auch 65% der Yamina-Wähler, im Gegensatz zum Rest der Israelis, eine fünfte Wahl einer Einheitsregierung vor.

Bennett, dem das Amt des Ministerpräsidenten jetzt sozusagen in den Schoß gelegt wird, ist also nicht zu beneiden. Wenn die Regierung zustande kommt – und das steht zu diesem Zeitpunkt noch nicht schlüssig fest – muss er nicht nur Israels komplizierte Geschäfte erfolgreich führen und sich im Handumdrehen das außenpolitische Format seines Vorgängers zulegen.

Nein, er muss sich zudem auch persönlich bei seinen sechs, oft gegensätzlich eingestellten Koalitionspartnern durchsetzen und bei seinen enttäuschten Wählern rehabilitieren. Kurz, Bennett wird es nicht leicht haben und viel des ihm nachgesagten Verständnisses, Gegensätze zu vereinen, benötigen, um als Premier erfolgreich sein zu können.

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