In nur vier Tagen haben Israels militärische Maßnahmen bereits den Einfluss der Islamischen Republik Iran erheblich geschwächt und deren regionale Gegner ermutigt.
Israel Kasnett
Am 7. Oktober 2023 veranlasste der brutale Hamas-Angriff auf Israel den Premierminister des Landes, Benjamin Netanjahu, zu folgender Erklärung: »Wir werden den Nahen Osten neu gestalten.« Seitdem hat Israel eine vielschichtige Kampagne gestartet, um das Netzwerk terroristischer Stellvertreter des Irans im Libanon, im Gazastreifen und im Jemen zu zerschlagen. Diese Bemühungen gipfelten letzte Woche in der Operation Rising Lion, einem Präventivschlag gegen die iranische Führung, militärische Einrichtungen und Nuklearstandorte.
Diese gewagte Operation hat intensive Debatten über ihre geopolitischen Auswirkungen ausgelöst, während Israel zuversichtlich ist, diesen Krieg zu gewinnen, die nuklearen Ambitionen des Irans zu zerstören und den Nahen Osten zum Besseren zu verändern.
Die israelischen Angriffe markieren einen Wendepunkt in einer Region, die seit Langem unter dem wachsenden Einfluss des Irans leidet, meint David Menashri. Der Experte am Alliance Center for Iranian Studies der Universität Tel Aviv bestätigte gegenüber dem Jewish News Syndicate (JNS), dass sich die geopolitische Lage im Nahen Osten seit dem 7. Oktober 2023 und insbesondere seit dem im April 2024 erfolgten iranischen Angriff auf Israel mit Drohnen, Marschflugkörpern und ballistischen Raketen erheblich verändert habe.
Dieser Angriff, dem im Oktober ein weiterer folgte, deutete zunächst darauf hin, dass Israels Abschreckungsmacht geschwächt war, was eine für das Land verheerende Situation darstellte, so Menashri. Die anschließende Zerschlagung des iranischen Stellvertreter-Netzwerks Hamas, Hisbollah und mit Teheran verbündete Elemente in Syrien hat jedoch das Gleichgewicht verschoben. »Die Hamas und die Hisbollah sind aus dem Spiel, Syrien ist zusammengebrochen und der Irak [die schiitischen Milizen; Anm. Mena-Watch] wurde neutralisiert«, sodass die Huthi im Jemen als einziger bedeutender Verbündeter des Irans übrigbleiben, wenn auch als weniger potente Bedrohung.
Auch wenn die in den letzten Tagen erfolgten israelischen Angriffe die nuklearen und militärischen Ressourcen und Fähigkeiten des Irans erheblich geschwächt haben und seine nuklearen Ambitionen um Jahre verzögern könnten, warnt Menashri vor einem ungewissen Ergebnis: »Wenn dieser Krieg aus israelischer Sicht nicht angemessen beendet wird, könnte er das Streben des Irans nach Atomwaffen sogar noch beschleunigen.« Im Falle eines Erfolgs könnte Israel jedoch das erreichen, was viele für unmöglich gehalten haben: die nukleare Bedrohung durch den Iran für einen bedeutenden Zeitraum, wenn nicht sogar für immer, zu beseitigen.
Regionale und globale Auswirkungen
Der Senior Research Fellow am Jerusalem Institute for Strategy and Security (JISS) Avi Davidi gab Einblicke in die diplomatischen und wirtschaftlichen Auswirkungen. Er meint, dass die Angriffe Israels zwar mutig, aber angesichts der wiederholten Warnungen Israels vor den Atom- und Raketenprogrammen des Irans nicht unerwartet kamen.
Israel habe »seine roten Linien seit Langem klar gezogen«, sagte Davidi, doch der Zeitpunkt und die Präzision der Operation – die Lähmung der iranischen Nuklearinfrastruktur und die Eliminierung wichtiger Kommandeure – hätten die Beobachter dennoch überrascht.
Die Angriffe folgten auf die festgefahrenen Atomgespräche zwischen den USA und dem Iran und die Ablehnung eines US-Vorschlags durch den Iran sowie die Bestätigung der IAEO, dass Teheran weiterhin Täuschungsmanöver betreibt.
Globale Mächte wie Russland und China könnten jedoch die Schwäche des Irans ausnutzen, gibt Davidi zu bedenken: »Der Schaden, den Israel dem Iran zugefügt hat, bietet russischen und chinesischen Unternehmen attraktive Möglichkeiten, beim Wiederaufbau und der Wiederherstellung der iranischen Atom- und Raketenkapazitäten zu helfen.« Dies stehe im Einklang mit ihrem strategischen Interesse, ihren Einfluss auf einen abhängigen Iran zu vertiefen und damit möglicherweise die Machtverhältnisse im Nahen Osten weiter zu verschieben.
Russlands facettenreiche Rolle
Russlands Verurteilung der israelischen Angriffe auf iranische Militäranlagen unterstreicht seine tiefe strategische Partnerschaft mit Teheran, die laut Irina Tsukerman, einer in New York ansässigen Anwältin und Analystin für Menschenrechte und nationale Sicherheit, auf »jahrzehntelangen Waffenverkäufen, Informationsaustausch und gemeinsamen Operationen in Syrien« beruht. Die öffentliche Verurteilung der israelischen Angriffe durch Moskau sei »daher nicht nur ein Zeichen der Solidarität, sondern auch eine strategische Warnung, um die sorgfältig ausgewogene regionale Ordnung zu erhalten, die es mitgestaltet hat«.
Die Maßnahmen Israels und die daraus resultierende Schwächung des Irans stellen zwar erhebliche Herausforderungen für die strategischen und wirtschaftlichen Interessen Russlands im Nahen Osten dar, bieten Moskau aber auch Chancen, sich anzupassen. Die israelischen Angriffe haben die militärische Infrastruktur zerstört, das Regime geschwächt und Russlands regionale Strategie gefährdet.
In wirtschaftlicher Hinsicht betonte Tsukerman, dass »die interne Instabilität und der militärische Niedergang des Irans den Fluss russischer Waffenexporte und die technologische Zusammenarbeit gefährden«. Sanktionen und politische Unruhen schränken die Möglichkeiten zum Kauf und zur Wartung russischer Waffen weiter ein, was Moskaus wirtschaftliche Interessen untergräbt und seinen strategischen Einfluss in der Region verringert.
Ein geschwächter Iran eröffnet rivalisierenden Mächten wie Saudi-Arabien, der Türkei und den Golfstaaten Möglichkeiten, ihren Einfluss auszubauen, oft auf Kosten Russlands. Diese Verschiebung erhöhe »die Komplexität der diplomatischen Arena für Moskau und zwingt es, sich in einer zersplitterten und wettbewerbsintensiveren Landschaft zu bewegen«. So stelle der Aufstieg regionaler Akteure das Gleichgewicht infrage, das Russland durch seine Partnerschaft mit dem Iran zu wahren versucht hat.
Trotz dieser Herausforderungen meinte Tsukerman, dass »die Schwäche des Irans Russland auch mehr strategische Flexibilität verschaffen könnte«. Moskau könnte sich neu orientieren, indem es andere regionale Akteure einbindet, Allianzen neu kalibriert und konkurrierende Interessen ausnutzt, um seinen Einfluss zu erhalten. Solch ein pragmatischer Ansatz spiegelt Russlands Anerkennung der »dynamischen und multipolaren Natur« des Nahen Ostens wider und ermöglicht es dem Land, sich anzupassen, anstatt sich ausschließlich auf einen geschwächten Iran zu verlassen.
Um seinen regionalen Einfluss zu bewahren, muss Russland seine nachrichtendienstlichen Fähigkeiten sowie seine Spionageabwehr stärken, seine Allianzen anpassen und aufkommende Rivalitäten bewältigen.
Tsukerman betonte, dass »die Kombination aus israelischen Angriffen, Rückschlägen im Geheimdienstbereich und der Instabilität des Irans die regionale Strategie Russlands neu gestaltet«. Durch die Diversifizierung seiner Partnerschaften und die Nutzung der Wettbewerbsdynamik im Nahen Osten will Russland die Risiken mindern, die von den Schwächen des Irans ausgehen, und gleichzeitig seine Position in einer zunehmend komplexen Region behaupten.
Laut Tsukerman haben die israelischen Angriffe auf den Iran die sorgfältig ausgearbeitete regionale Strategie Russlands durcheinandergebracht und sowohl Herausforderungen als auch Chancen geschaffen. Während wirtschaftliche Rückschläge und zunehmende Rivalitäten den Einfluss Moskaus bedrohen, könnte seine Fähigkeit, sich durch flexible Diplomatie und strategische Neukalibrierung anzupassen, es ihm ermöglichen, sich erneut effektiv in der sich wandelnden geopolitischen Landschaft des Nahen Ostens zu bewegen.
Golfstaaten und Ägypten
Von Israels arabischen Partner, insbesondere den Golfstaaten, scheint die Operation insgeheim begrüßt zu werden. »Die Beseitigung der strategischen Raketen- und Nuklearkapazitäten des Irans dürfte tatsächlich als positiv bewertet werden«, beobachtet Davidi unter Verweis auf gemeinsame Bedenken hinsichtlich der regionalen Ambitionen des Irans. Die Abraham-Abkommen und die wachsende Zusammenarbeit hinter den Kulissen haben Israel mit diesen Staaten gegen den Iran verbündet, auch wenn die öffentlichen Äußerungen weiterhin vorsichtig sind.
Zugleich warnt Davidi jedoch vor wirtschaftlichen Risiken, insbesondere für die globalen Ölmärkte. Zwar hat der Konflikt wichtige Handelsrouten wie die Straße von Hormus noch nicht unterbrochen, doch könnte das iranische Potenzial, diesen Engpass zu blockieren, die Situation eskalieren lassen und die USA und die Golfstaaten in den Konflikt hineinziehen: »Die Ölmärkte sind angespannt, aber noch nicht in einer Krisensituation.«
Die ägyptische Wissenschaftlerin und Senior Fellow am Jerusalem Center for Security and Foreign Affairs (JCFA) Dalia Ziada bezeichnet die israelischen Angriffe als »unvermeidlichen Präventivschlag, der die Region des Nahen Ostens und die Vereinigten Staaten vor dem islamischen Regime retten soll, das seit Jahrzehnten Chaos verursacht«.
Sie hob die destabilisierende Rolle des Irans hervor, der nicht nur Gebiete der Vereinigten Arabischen Emirate besetzt hält, sondern auch Milizen wie die Hisbollah und die Huthi unterstützt, die arabische Zivilisten und Infrastrukturen angegriffen haben. »Die arabischen Länder haben zwar Erklärungen abgegeben, in denen sie Israel verurteilen, aber sie haben keine Unterstützung für den Iran gezeigt.« Vielmehr würden die Golfstaaten »im Stillen für den Erfolg Israels« und den Sturz des iranischen Regimes beten.
Ziada wies aber auch auf die komplexe Haltung Ägyptens hin, die durch innenpolitische und regionale Faktoren bedingt sei. Ägyptens Einfluss als regionale Führungsmacht habe aufgrund »fehlgeleiteter Politik« und des wachsenden Einflusses Katars und der Türkei seit 2022 nachgelassen. Ägyptische Staatsmedien und Social-Media-Aktivisten haben sich auf die Seite des Irans gestellt, angeheizt durch »blinden Hass auf Israel«, so Ziada und wies auf die Ironie dieser Situation hin angesichts der historischen Feindseligkeit der sunnitischen Mehrheit Ägyptens gegenüber dem schiitischen Regime im Iran.
In dem Zusammenhang zitierte die Expertin nicht nur Reaktionen in den sozialen Medien, in denen einige Ägypter ihre Bereitschaft zum Ausdruck brachten, »sich auf die Seite des Teufels und aller zu stellen, die gegen die Juden kämpfen«, sondern verwies auch auf die jüngsten diplomatischen Annäherungsversuche des Irans an Ägypten, darunter ein Besuch seines Außenministers in Kairo. Diese Schritte unterstreichen die Bemühungen Teherans, die antiisraelische Stimmung in der arabischen Welt auszunutzen.
Netanjahus Vermächtnis?
Der Krieg Israels, der nach jahrzehntelangen Warnungen vor dem Iran nun folgte, wird von einigen als derjenige Moment gesehen, der Netanjahus Vermächtnis prägen könnte. Kritiker argumentieren, dass die jahrelange Beschwichtigungspolitik der USA gegenüber dem Iran – beginnend mit Obamas Politik, die unter Trump kurzzeitig unterbrochen und unter Biden wieder aufgenommen wurde – Teherans nukleare Ambitionen und seine Stellvertreterkriege bestärkt habe.
Die israelischen Angriffe zielen darauf ab, diesen Kurs umzukehren, aber der Ausgang hängt von ungewissen Faktoren ab, darunter auch das Engagement der USA. Menashri merkte diesbezüglich an, noch kenne man »das Engagement der USA nicht und weiß nicht, ob Präsident Trump in den Krieg eintreten oder sich heraushalten will«.
Der Erfolg des Kriegs wird davon abhängen, ob Israel die von ihm entfachte Dynamik aufrechterhalten und die nuklearen und ballistischen Fähigkeiten des Irans neutralisieren kann. In nur vier Tagen haben die Aktionen Israels bereits die Machtverhältnisse im Nahen Osten erheblich verändert, den Einfluss des Irans geschwächt und seine Gegner ermutigt. Doch, wie Menashri warnt: »Es gibt so viele Unbekannte.«
Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)