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Die islamische Revolution von Ayatollah Khomeini sollte exportiert werden

Stephan Grigat: Die islamische Revolution von Ayatollah Khomeini sollte exportiert werden

Maya Zehden im Gespräch mit Stephan Grigat zu Hintergründen des aktuellen Krieges zwischen Israel und der Islamischen Republik Iran.

Maya Zehden (MZ): Wie wirkte der Einfluss des Irans seit 1979 auf die Region?

Stephan Grigat (SG): Unmittelbar nach der Revolution begann das Ayatollah-Regime mit Destabilisierungsversuchen, vor allem in den sunnitisch-arabischen Ländern. Das Ziel: Nach dem Modell der Islamischen Revolution und des Welāyat-e Faqīh (Herrschaft des Rechtsgelehrten), des spezifischen politischen Modells, das im Iran nach 1979 installiert wurde, auch dort ein islamisches Herrschaftssystem zu etablieren.

Das war lange Zeit erst einmal dahingehend nicht erfolgreich, als vor allem die sunnitischen arabischen Länder, Saudi-Arabien und die Golfstaaten, scharf gegen die Anhänger Khomenis in ihren eigenen Ländern vorgegangen sind. Aber es hat trotzdem seitdem massive Auswirkungen, weil nämlich die damals vorhandenen Reformbemühungen, einen sehr viel moderateren Islam gesellschaftlich und politisch zu verankern, zurückgenommen wurden.

Dann wurde in den 1980er Jahren die Hisbollah vom iranischen Regime gegründet und unter unmittelbarer Anleitung aufgebaut aus einer sehr spezifischen Situation im Libanon heraus, wo vollkommenes Chaos herrschte mit Bürgerkrieg usw. Das gilt als der erste gelungene Revolutionsexport. Und das wurde dann später als Beispiel genommen, auch in allen möglichen anderen arabischen Ländern und auch in den palästinensischen Gebieten zu versuchen, ganz ähnliche Entwicklungen in Gang zu setzen.

Der Durchbruch kam mit dem Atomabkommen, dem JCPOA, Joint Comprehensive Plan of Action, der 2015 verabschiedet wurde. Seitdem hat es das iranische Regime extrem gut geschafft, seine Revolution zu exportieren, und seine Strategie des Ring of Fire, eines Feuerrings, den man um Israel legen wollte, ist in dieser Zeit Wirklichkeit geworden. 

Im Libanon, dadurch, dass die Hisbollah de facto die Macht übernommen hat; in Syrien, damals noch unter Assad, der sich dann im Rahmen des Bürgerkriegs nur durch die Unterstützung der Hisbollah und des iranischen Regimes überhaupt an der Macht halten konnte; im Irak, wo pro-iranische Milizen damals eindeutig das Sagen hatten. Und in Sana’a, in der jemenitischen Hauptstadt, wo sich die Huthi-Rebellen, Ansar Allah (Helfer Gottes) nennen sie sich eigentlich, zu einem relativ neuen Proxy, direkten Verbündeten des iranischen Regimes entwickelt haben.

MZ: Welche Verantwortung hat der Westen an der Entwicklung im und um den Iran?

SG: Yitzhak Rabin hat bereits Anfang der 1990er Jahre gefordert, dass man eine deutlich andere Politik gegenüber dem Iran macht. Das passierte eben nicht. Und das hat dazu geführt, dass Israel sich genötigt sieht, militärisch dagegen vorzugehen.

MZ: Wie kann man diesen Angriff sehen? Als Präventivschlag? Oder hat Israel eine Linie überschritten?

SG: Die Kombination, dass ein UN-Mitglied einem anderen UN-Mitglied öffentlich mitteilt, wir werden euch auslöschen, wir werden euch vernichten, lässt es durchaus als einen legitimen Präventivschlag erscheinen. Und es gab genug Hinweise aus der amerikanischen Geheimdienstarbeit, wie weit der Iran mit dem Bau einer Atombombe fortgeschritten ist. Das sind keine Spekulationen gewesen, sondern wirklich konkrete Ergebnisse, die gerade auch veröffentlicht wurden.

MZ: Wie ist das Verhältnis der iranischen Bevölkerung zu diesem Regime? Und wie ist das Verhältnis zu Israel?

SG: Dieses Regime ist mittlerweile bei der überwiegenden Mehrheit der iranischen Bevölkerung verhasst. Das war nicht immer so. Die Islamische Revolution hatte 1979 eine Massenbasis bis ungefähr Anfang der 1990er Jahre. Seitdem geht das relativ kontinuierlich und in den letzten zehn Jahren rapide bergab. 

Bei Protesten gegen das Regime 2009, als es Gerüchte gab, die Staatsspitze schmiede schon Fluchtpläne, hat sich der damalige US-Präsident Barack Obama hingestellt und in einer Rede von den legitimen Interessen der Islamischen Republik Iran geredet. Warum? Weil er damals schon auf dieses Atomabkommen gesetzt hat, das dann sechs Jahre später verabschiedet wurde.

Das war nicht nur moralisch ausgesprochen verwerflich, diese Menschen, die unter Lebensgefahr für ihre Freiheit – sowohl ihre politische als auch ihre individuelle – gekämpft haben, einfach im Stich zu lassen. Es war auch politisch extrem unklug, weil wenn man sich vorstellt, wie die weitere Entwicklung hätte laufen können im Nahen und Mittleren Osten; wenn 2009, also noch vor dem sogenannten Arabischen Frühling, das iranische Regime gestürzt worden wäre –, was das für eine Dynamik ausgelöst hätte.

Zu Israel: Gegen den eliminatorischen Antizionismus, also diese permanenten Vernichtungsdrohungen gegen Israel, gepaart mit einer Politik, die versucht, das auch in die Tat umzusetzen, richten sich mittlerweile große Teile der iranischen Opposition. Das war vor zwanzig Jahren durchaus noch anders. Mittlerweile gibt es Onlinetools, mit denen man herausgefunden hat, dass klassische antisemitische Vorstellungen unter Iranern deutlich weniger verbreitet sind als zum Beispiel in Ägypten oder in den palästinensischen Gebieten, also in vielen arabischen Gesellschaften.

Bei Studierenden im Iran gibt es eine Verweigerung dieser antizionistischen Propaganda. Sie sehen das Regime als etwas, das sie hassen, das sie loswerden wollen, und sie sagen mittlerweile einfach in jedem Punkt genau das Gegenteil von dem, was das Regime sagt. Das führt dann dazu – Aufnahmen kann man leicht im Internet finden –, dass an Universitäten vor den Eingängen am Fußboden israelische Fahnen, manchmal auch amerikanische Fahnen, liegen, und eigentlich sollen die Studierenden jeden Tag da drübertrampeln. Sie machen alle möglichen Verrenkungen, um gerade das nicht zu tun.

MZ: Wie ist die Verbindung von Syrien und Iran heute?

SG: Die pro-iranische Achse ist durch den Sturz von Assad massiv geschwächt worden und das jetzige syrische Regime steht eindeutig gegen den Iran und auch gegen die Hisbollah.  

MZ. Welche Rolle spielt mangelhafte Bildung in der arabischen Welt?

SG: In der Regel sind Leute, die aus Saudi-Arabien kommen, ausgesprochen gut gebildet, würde ich sagen. In Ägypten ist der Mangel an Bildung größer. Aber da würde ich das nicht als eine Form von Herrschaftsstrategie sehen, sondern als eine Folge mangelhafter Entwicklung.

Stephan Grigat ist Professor für Theorien und Kritik des Antisemitismus an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (katho) und Leiter des Centrum für Antisemitismus- und Rassismusstudien (CARS) in Aachen und Köln. Er ist Research Fellow an der Universität Haifa und am London Center for the Study of Contemporary Antisemitism. Er ist Autor des Buches Vom Antijudaismus zum Hass auf Israel: Interventionen zur Kritik des Antisemitismus (Verlag Barbara Budrich 2025) und Herausgeber des Bandes: Kritik des Antisemitismus in der Gegenwart“ (Nomos 2023.)

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