Einblicke in die Geheimdienstinformationen, die Israels Angriff auf den Iran ausgelöst haben, zeigen, dass die Islamische Republik in jüngster Zeit beschleunigt an Atomwaffen gearbeitet hat.
Yaakov Lappin
Die politische Führung Israels und die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) starteten in den frühen Morgenstunden des Freitags eine als präventiv, präzise und kombiniert bezeichnete Offensive mit dem Codenamen Operation Rising Lion, die sich gegen das iranische Atomprogramm und militärische Ziele in der Islamischen Republik sowie gegen hochrangige iranische Militärs und Kommandeure der Islamischen Revolutionsgarde (IRGC) richtet.
Die Entscheidung wurde laut einem Verteidigungsbeamten am Montag, dem 9. Juni, von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Israel Katz in Abstimmung mit dem IDF-Stabschef Eyal Zamir getroffen und stellt den Höhepunkt jahrelanger Warnungen und Informationsbeschaffung dar, die laut Militärbeamten ergeben hatten, dass das iranische Regime bei seinem Streben nach Atomwaffen einen Punkt erreicht hatte, an dem es kein Zurück mehr gab.
In den letzten Monaten enthielten die von Israel gesammelten Geheimdienstinformationen Hinweise auf die Bemühungen des iranischen Regimes, Tausende Kilogramm angereichertes Uran zu produzieren sowie Hinweise auf dezentrale und befestigte unterirdische Anreicherungsanlagen. Dies würde es dem Regime ermöglichen, Uran auf waffenfähiges Niveau anzureichern und innerhalb kurzer Zeit eine Atomwaffe in Händen zu haben, so israelische Verteidigungsbeamte. Darüber hinaus wurden in den letzten Jahren konkrete Fortschritte bei den Bemühungen des Regimes um die Herstellung von Waffenkomponenten für eine Atombombe festgestellt.
Die IDF erklärten, das iranische Regime habe einen geheimen Plan zur technologischen Weiterentwicklung aller Teile der Entwicklung einer Atomwaffe vorangetrieben, an dem hochrangige Atomwissenschaftler heimlich gearbeitet hatten. In den letzten Monaten habe sich dieses Programm erheblich beschleunigt, so ein Militärbeamter, der über die Operation sprach und dabei näher auf die konkreten Geheimdienstinformationen einging, die einen Präventivschlag zum jetzigen Zeitpunkt notwendig gemacht haben: »Wir verfolgen die Entwicklungen im Iran seit Jahren genau. Kürzlich haben wir festgestellt, dass das Regime der Beschaffung einer Atomwaffe und seiner Fähigkeit, konkret gegen uns vorzugehen, erheblich nähergekommen ist.«
Drei Komponenten
Der Beamte nannte drei kritische Komponenten der Bedrohung, die zusammenkommen. Die erste sei der »Auslöser einer Nuklearreaktion. Das iranische Regime ist auf dem Weg zur Erlangung einer Atomwaffe. In den letzten Monaten hat die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) eine Reihe von Berichten veröffentlicht, die einen besorgniserregenden Trend beim Fortschritt des iranischen Atomprogramms aufzeigen, der über die zivile Nutzung hinausgeht. Vergangenen Donnerstag hat der IAEO-Gouverneursrat zum ersten Mal seit zwanzig Jahren erklärt, dass das iranische Regime in eklatanter Weise gegen die Atomabkommen verstößt.«
Entscheidend daran ist, wie der Militärvertreter zum ersten Mal offenlegte, dass diese Aktivitäten weit über die Urananreicherung hinausgehen: »Wir enthüllen zum ersten Mal, dass das iranische Regime ein geheimes Programm zum Bau einer Atomwaffe vorantreibt. Im Rahmen dieses Plans arbeiten Atomwissenschaftler und hochrangige Beamte daran, heimlich alle für die Entwicklung einer Atomwaffe erforderlichen Komponenten zu entwickeln – Sprengstoffe, den Kern, sprich: angereichertes Uran und die Neutronenquelle.«
Eine Neutronenquelle ist eine Vorrichtung, die im Kern einer Atomwaffe platziert wird und bei der Detonation eine Neutronenflut freisetzt, um die für eine Explosion erforderliche schnelle Kernkettenreaktion auszulösen. Nach Angaben des Beamten habe das iranische Regime beschlossen, diese geheime Montage voranzutreiben, da es bereits genug spaltbares Material für fünfzehn Atombomben angesammelt habe, das innerhalb weniger Tage auf waffenfähiges Niveau angereichert werden kann.
Die zweite Komponente der iranischen Bedrohung für Israel seien die Trägerraketen, so der Beamte: »Das iranische Regime verfügt über Tausende ballistischer Raketen, deren Zahl es verdoppeln und verdreifachen will, da es dies als wirksame Drohung gegen Israel ansieht. Wir sprechen hier von einer Anzahl Raketen, die selbst ohne Atomwaffen eine existenzielle Bedrohung darstellen.«
Die dritte Komponente seien die anhaltenden Bemühungen des Irans um die »Weitergabe von Waffen und Rüstungsgütern an regionale Stellvertreter«, wobei Israel Versuche des Regimes identifiziert habe, seine Stellvertretermilizen im gesamten Nahen Osten mit Munition zu bewaffnen, die gegen Israel eingesetzt werden soll.
Diese drei Komponenten, kombiniert mit konkreten Informationen, die im Laufe der Jahre über einen Plan hochrangiger iranischer Beamter mit der Hisbollah und der Hamas zur Zerstörung Israels gewonnen worden waren, schufen laut dem Beamten eine unmittelbare und drohende existenzielle Bedrohung.
Iranische Doppelstrategie
Der IDF-Sprecher Effie Defrin verlautbarte am Freitag in einer separaten englischen Erklärung: »In den letzten Monaten haben Geheimdienstinformationen gezeigt, dass der Iran näher denn je ist, eine Atomwaffe zu erlangen. Heute Morgen hat die israelische Armee präventive und präzise Schläge gegen das iranische Atomprogramm durchgeführt, um das iranische Regime daran zu hindern, in naher Zukunft eine Atombombe zu bauen. Wir haben keine andere Wahl. Wir gehen gegen eine unmittelbare und existenzielle Bedrohung vor. Wir können nicht zulassen, dass das iranische Regime eine Atomwaffe erhält, die eine Gefahr für Israel und die ganze Welt darstellen würde.«
Der Militärsprecher betonte, dass Israel die Welt wiederholt vor dieser Bedrohung gewarnt habe: »Wir haben die Welt seit vielen Jahren gewarnt. Wir haben unsere Partner auf der ganzen Welt öffentlich und privat vor dem Vormarsch des Irans gewarnt und gesagt, dass es ein globales und nicht nur ein israelisches Problem darstellt, wenn das iranische Regime eine Atombombe hat. Und wir wissen, dass wir, wenn wir jetzt nicht handeln, wenn wir jetzt nicht operieren, an einen Punkt gelangen werden, an dem es kein Zurück mehr gibt.«
Defrin ging auch auf die doppelte Strategie des Irans ein, mit der er die Welt täuscht: »Wir wissen, und unsere Geheimdienste belegen das, dass der Iran gerade jetzt, in den letzten Monaten, während die Welt glaubte, dass er verhandle, seinen Atomplan vorantrieb und an der Entwicklung einer Atombombe arbeitete. Wie ich bereits sagte, verfügt er über genügend angereichertes Material für fünfzehn Atombomben. Er macht auch Fortschritte bei der Anreicherung, aber auch bei der Entwicklung von Waffen. Das sind zwei Dinge, die wir einfach nicht akzeptieren können. Ein Regime, das erklärt hat, seine Mission sei es, uns mit einer Atombombe zu vernichten, und das heimlich an diese Atombombe gelangt, können wir nicht akzeptieren, und wir müssen es stoppen.«
In Bezug auf die Sicherheitspartnerschaften Israels erklärte der Beamte: »Wir haben seit Beginn dieses Kriegs hervorragende Beziehungen zu vielen unserer Partner. An vorderster Front stand das US-Militär, das Leben gerettet hat. Das ist keine Übertreibung. Wie immer haben wir hervorragende Beziehungen zu unseren Partnern.«
Seit Jahren Krieg
Der Kommandeur des IDF-Heimatfrontkommandos Rafi Milo forderte die israelische Bevölkerung auf, sich vorzubereiten: »Während dieser Operation rechnen wir mit weitreichenden Alarmmeldungen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Sie bestmöglich Schutz suchen, sei es in Ihrem privaten Zuhause oder in öffentlichen Räumen – vorzugsweise in einem sicheren Raum, einem Schutzraum oder einem vom Heimatfrontkommando genehmigten geschützten Bereich. Wenn es in Ihrer Nähe keine geschützten Räume gibt, müssen Sie sich in ein Treppenhaus oder einen Innenraum begeben.«
Er fügte hinzu, jeder Zivilist müsse »die am besten geschützten Räume in seiner Umgebung kennen. Wenn ein Alarm ertönt, müssen Sie sich in den geschützten Raum begeben und dort bis auf Weiteres bleiben. Sie müssen unnötige Bewegungen im Freien vermeiden und dürfen nicht mit dem Auto fahren. Vor uns liegen schwierige und komplizierte Tage. Gemeinsam sind wir stark und bereit, den Staat Israel zu verteidigen.«
In ihrer ersten Erklärung teilten die IDF mit, dass »vor Kurzem Dutzende von Jets der IAF [Israelische Luftwaffe] die erste Phase abgeschlossen haben, die Angriffe auf Dutzende von militärischen Zielen, darunter nukleare Ziele in verschiedenen Gebieten des Irans, umfasste.« Aktuell sei »der Iran näher denn je daran, eine Atomwaffe zu erlangen. Massenvernichtungswaffen in den Händen des iranischen Regimes sind eine existenzielle Bedrohung für den Staat Israel und eine erhebliche Bedrohung für die ganze Welt. Der Staat Israel wird nicht zulassen, dass ein Regime, dessen Ziel die Vernichtung des Staates Israel ist, Massenvernichtungswaffen erhält.«
Und weiter heißt es: »Seit Jahren führt das iranische Regime eine direkte und indirekte Terrorkampagne gegen den Staat Israel, indem es über seine Stellvertreter im gesamten Nahen Osten terroristische Aktivitäten finanziert und lenkt, und gleichzeitig auf die Beschaffung von Atomwaffen hinarbeitet. Das iranische Regime steht an der Spitze der Achse, die für alle Terroranschläge gegen den Staat Israel seit Beginn des [Gaza-]Kriegs Iron Swords verantwortlich ist, einschließlich der Bewaffnung und Finanzierung der Terrororganisation Hamas, die für das Massaker vom 7. Oktober 2023 verantwortlich ist. Während der Operation Iron Swords hat der Iran sogar zweimal direkt Israel angegriffen und Hunderte von Raketen auf den Staat Israel abgefeuert.«
In einer direkten Ansprache an die israelische Öffentlichkeit stellte Generalstabschef Eyal Zamir die Operation in einen historischen Kontext: »Bürger Israels, dies sind entscheidende Tage, wir stehen derzeit am Beginn einer neuen Phase der Operation zur Sicherung unserer Zukunft. Die IDF haben heute Nacht die Operation Rising Lion begonnen, um strategisch gegen die Bedrohungen des iranischen Regimes gegen den Staat Israel vorzugehen. Wir befinden uns in einer historischen Kampagne, die ihresgleichen sucht. Dies ist eine entscheidende Operation, um eine existenzielle Bedrohung durch einen Feind abzuwehren, der uns vernichten will.«
Israel könne es sich nicht leisten, »noch länger zu warten. Wir haben keine andere Wahl. Die jüngsten und vergangenen Ereignisse der Geschichte haben uns gelehrt, dass wir nicht wegsehen dürfen, wenn der Feind versucht, uns zu vernichten. Deshalb müssen wir für unsere Existenz kämpfen. Freiheit wird denen gegeben, die bereit sind, dafür zu kämpfen. Ich warne jeden, der versucht, uns herauszufordern, dass er einen hohen Preis zahlen wird. Wir gehen diese Operation mit einem gemeinsamen Ziel an – eine sicherere Zukunft für den Staat Israel und seine Zivilbevölkerung. Mit vereinten Kräften und im Glauben werden wir siegen.«
Die Islamische Republik
Der Iran, der größte Staat im Nahen Osten, erstreckt sich über eine Fläche von 1.648.195 Quadratkilometern und liegt etwa 1.500 Kilometer von Israel entfernt.
Nach der Islamischen Revolution im Jahr 1979 und der Errichtung des fundamentalistischen schiitischen Ayatollah-Regimes ein Jahr später definierte die Islamische Republik ihre Kernaufgaben in der Verteidigung des Regimes als Macht im Nahen Osten, der Verwirklichung der ideologischen Ziele des für die Aufrechterhaltung der Ordnung im Iran verantwortlichen Herrschaftssystems und dem Export der Revolution und ihrer Ziele an seine Stellvertreter im gesamten Nahen Osten.
Die politische Führung wird vom Obersten Führer Ali Khamenei angeführt und umfasst mehrere Gremien: das Büro des Obersten Führers, die Justiz, die Präsidentschaft, Ministerien und den wichtigen Obersten Nationalen Sicherheitsrat. Der Rat arbeitet ähnlich wie das israelische Sicherheitskabinett, tritt regelmäßig unter dem Vorsitz des Präsidenten und manchmal unter dem Obersten Führer Khamenei zusammen und ist für die Koordinierung der verschiedenen Sicherheitsorgane und für zusätzliche strategische Aufgaben zuständig.
Im Laufe der Jahre kam es als Reaktion auf das repressive Vorgehen des iranischen Regimes zu mehreren Massenprotesten, die vor allem von wirtschaftlicher und politischer Opposition getragen wurden. Nach dem Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini in Haft im Jahr 2022, die wegen unsachgemäßem Tragen des Hidschabs festgenommen worden war, brachen weitverbreitete Massenproteste gegen das Regime aus, die etwa vier Monate andauerten – die längsten seit der Gründung der Islamischen Revolutionsgarde. Im Zuge der Proteste wurden 525 Zivilisten getötet und 19.571 Zivilisten verhaftet.
Das iranische Sicherheitssystem umfasst zwei bewaffnete Einheiten: die Islamische Revolutionsgarde (IRGC) und das reguläre Militär. Am Ende des Iran-Irak-Kriegs 1988 kam der Iran zu dem Schluss, dass zwei getrennte Verbände notwendig seien: das für die Verteidigung des Landes zuständige Militär und die Revolutionsgarde, deren Aufgabe es ist, die Interessen und das Überleben des islamistischen Regimes im Inland und im Nahen Osten durch Gewaltanwendung gegen Regimegegner und Länder in der gesamten Region zu fördern.
Der Generalstab der Streitkräfte verwaltet und koordiniert die verschiedenen Sicherheitsorganisationen in normalen Zeiten. Ein Gremium namens Notfallhauptquartier befehligt die iranischen Streitkräfte in Notfällen. Das iranische Sicherheitssystem ist dem Obersten Führer Ali Khamenei unterstellt.
Yaakov Lappin ist Korrespondent und Analyst für militärische Angelegenheiten in Israel, hausinterner Analyst am MirYam-Institut, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Alma-Forschungs- und Bildungszentrumund am Begin-Sadat-Zentrum für strategische Studien an der Bar-Ilan-Universität sowie Autor von Virtual Caliphate – Exposing the Islamist State on the Internet. (Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)