Die kombinierte Nutzung von modernster Überwachungstechnologie hat ein mächtiges Instrument geschaffen, um die Rechte von Frauen im Iran systematisch zu verletzen und einzuschränken.
Laut einer Untersuchung der Internetüberwachungsorganisation Filterwatch setzen lokale Behörden in Isfahan fortschrittliche Überwachungstechnologien ein, um Frauen zu identifizieren und zu bedrohen, die sich den strengen Hidschab-Vorschriften des Landes widersetzen. Die NGO, die sich auf die Internetfreiheit im Iran und im Nahen Osten spezialisiert hat, veröffentlichte letzte Woche einen Bericht, in dem sie die neuen Technologien und Instrumente beschreibt, die von den Behörden in Isfahan, der drittgrößten Stadt des Irans, zur Durchsetzung der Hidschab-Vorschriften eingesetzt werden.
Dazu gehören IMSI-Catcher (International Mobile Subscriber Identity-Catchers), Daten von kontaktlosen Kartenlesegeräten und städtische Überwachungskameras. IMSI-Catcher, auch als gefälschte Mobilfunkmasten bekannt, können Mobilfunkkommunikation abfangen und verfolgen, indem sie sich als offizielle Mobilfunkmasten ausgeben. Ein tragbarer gefälschter Mobilfunkmast, der beispielsweise von einem Hidschab-Kontrolleur mitgeführt wird, kann sich mit dem Mobiltelefon einer Frau verbinden, die auf der Straße keinen Hidschab trägt, und ihre Nummer identifizieren.
»Die kombinierte Nutzung von IMSI-Catchern, kontaktlosen Kartenlesegeräten und Überwachungskameras zusammen mit dem Zugriff auf staatliche Datenbanken und der Zusammenarbeit von Telekommunikationsbetreibern hat ein mächtiges, vielschichtiges Instrument geschaffen, um die Rechte von Frauen durch Identifizierung, Verfolgung und Einschüchterung systematisch zu verletzen«, so Filterwatch in seinem Bericht.
Bislang scheint diese überwachungsorientierte Durchsetzungsstrategie auf Isfahan beschränkt zu sein, eine konservative Hochburg, in der Hardliner auf eine strengere Durchsetzung der Hidschab-Pflicht drängen, selbst nachdem der Oberste Nationale Sicherheitsrat (SNSC) im September ein umstrittenes neues »Hidschab- und Keuschheitsgesetz« vorübergehend auf Eis gelegt hatte, um Unruhen in der Bevölkerung zu vermeiden. Im Dezember veröffentlichten iranische Medien die Details des neuen Gesetzes, das bisher geheim gehalten worden war. Zu den strengeren Maßnahmen gegen Frauen, die sich in der Öffentlichkeit ohne Kopftuch zeigen, gehören Reiseverbote, Verbote der Nutzung sozialer Medien, Gefängnisstrafen und Auspeitschungen. Außerdem wird jeder strafrechtlich verfolgt, der zum Missachten der Hidschab-Pflicht aufruft.
Ausmaß des Datenzugriffs
In den letzten Wochen berichteten Dutzende von Frauen in den sozialen Medien, dass sie nach dem Besuch öffentlicher Orte in Isfahan während der Nowruz-Feiertage zum iranischen Neujahr Ende März Droh-SMS erhalten hätten. Online geteilte Screenshots zeigen Nachrichten von verschiedenen staatlichen Stellen, darunter die Provinzbehörde für die Förderung der Tugend und die Verhinderung des Lasters, das Justizministerium und die Polizei.
Die ersten beiden Behörden warnten die Empfängerinnen vor möglichen rechtlichen Schritten, sollten sie erneut gegen die Hidschab-Regeln verstoßen. Die dritte Nachricht, die von der Polizei stammte, informierte darüber, dass »Beweise für die Straftat« an die Justiz weitergeleitet worden seien.
Die Nachrichten enthielten die vollständigen Namen der Frauen und gaben die genauen Orte an, an denen die mutmaßlichen Verstöße stattgefunden hatten, was darauf hindeutet, dass die Behörden Zugang zu ihren persönlichen Daten und Standortdaten hatten. In einigen Fällen wurden dieselben Nachrichten auch an den Ehemann oder Vater der Empfängerin gesendet, was das Ausmaß der Datenerfassung weiter verdeutlicht.
Während Berichte über solche per SMS verschickten Warnungen erstmals im Juni 2023 auftauchten, bestätigten die lokalen Behörden diese Praxis erst kürzlich ganz offiziell. Das Versenden solcher Textnachrichten habe »vor einiger Zeit begonnen und die Auswirkungen sind bereits zu beobachten: Etwa achtzig bis neunzig Prozent der Empfängerinnen halten sich nach Erhalt der Textnachricht daran. Diese Methode hat sich als wirksam erwiesen, ohne soziale Spannungen zu verursachen«, so der Abgeordnete Amir-Hossein Bankipour aus der Provinz Isfahan.
Der öffentliche Widerstand gegen den Hidschab hat im vergangenen Jahr neue Höhen erreicht, trotz der Androhung strenger rechtlicher Maßnahmen durch die Behörden, gelegentlicher Gewalt gegen Frauen auf der Straße und Maßnahmen wie der Beschlagnahmung von Fahrzeugen, in denen Frauen ohne Kopftuch unterwegs sind. Viele Iranerinnen weigern sich, die vorgeschriebene Kopfbedeckung, lange Tuniken und Hosen zu tragen, wie es die Scharia des Landes vorschreibt. Oft sind sie nun auch in der Öffentlichkeit zu sehen, wo sie verbotenerweise singen und tanzen und sich damit der religiösen Obrigkeit widersetzen.