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Internetsperre: Erzwungenes Schweigen im Iran

Ausgerechnet in Zeiten des Krieges sperrt das iranische Regime seiner Bevölkerung das Internet

Die Islamische Republik Iran sperrt den Internetzugang in weiten Teilen des Landes, um in dieser für das Regime so gefährlichen Zeit der Bevölkerung jegliche Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten zu nehmen.

In einer Zeit, in der Millionen iranischer Bürger aufgrund der wachsenden Gefahr im militärischen Konflikt, der zusammenbrechenden Infrastruktur und der Warnungen vor bevorstehenden Angriffen gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, hat die Islamische Republik erneut beschlossen, den Internetzugang in weiten Teilen des Landes zu sperren oder stark einzuschränken. 

Diese Entscheidung ist keineswegs eine technische oder taktische Notwendigkeit, sondern ein eklatanter Akt der Grausamkeit, der die langjährige Strategie des Regimes offenbart, die Wahrheit zu unterdrücken und die öffentliche Wahrnehmung durch Manipulation von Informationen – oder besser gesagt durch deren vollständige Vorenthaltung – zu kontrollieren.

In der heutigen Welt ist das Internet weit mehr als eine Plattform für Unterhaltung oder zwanglose Kommunikation. In Zeiten von Krieg und Katastrophen wird es zu einer Lebensader – einer lebenswichtigen Infrastruktur, die Menschen mit Informationen über sichere Routen und Unterkünfte versorgt, den Kontakt zu Angehörigen ermöglicht, Zugang zu medizinischer Hilfe gewährt und jenen, die in Gefahr sind, die Möglichkeit gibt, Notrufe abzusetzen. 

Für Menschen ohne Zugang zu Fernsehen, Radio oder Satellit ist das Internet oft der einzige Kanal, über den sie die um sie herum abspielende Realität verstehen können. Genau aus diesem Grund fürchtet die Islamische Republik das Internet: Denn wenn die Wahrheit frei zirkuliert, wird das repressive Gesicht des Regimes entlarvt.

Internetsperren im Iran sind nichts Neues. In den letzten Jahren sind sie zu einem beunruhigenden Kennzeichen staatlicher Unterdrückung geworden. Eines der bekanntesten Beispiele ereignete sich im November 2019, als im ganzen Land weitreichende Proteste ausbrachen, woraufhin die Regierung mit einer landesweiten Sperrung des Internets reagierte. Erst Tage später, als die Verbindung wiederhergestellt war, erfuhr die Welt, dass in diesen wenigen Tagen mehr als 1.500 Menschen von den Sicherheitskräften getötet worden waren. 

Dieselbe Taktik wurde bei den Protesten in den Jahren 2021 und 2022 angewendet: Wo immer Dissens aufkam, verschwand der Internetzugang. So konnte das Regime hinter einem Schleier der Stille gewaltsam vorgehen, bevor es der Öffentlichkeit eine verfälschte oder erfundene Darstellung präsentierte.

Zensur und Propaganda

Heute wiederholt sich die Geschichte. Tausende Familien, die aus ihren Häusern geflohen sind – viele ohne Zugang zu Radio, Fernsehen oder Satellitendiensten –, sind nun völlig von Echtzeitinformationen abgeschnitten. Sie bewegen sich auf gefährlichen Autobahnen und Landstraßen, schlafen in ihren Autos oder provisorischen Unterkünften, ohne Zugang zu aktuellen Informationen über den Krieg oder die Gefahren, denen sie ausgesetzt sind. 

Das Internet, ihr einziges verbliebenes Mittel zum Überleben und zur Kommunikation, wird ihnen bewusst vorenthalten. Dies allein zeigt, wie wenig Rücksicht das Regime auf das Leben und die Sicherheit seiner Bevölkerung nimmt. Was für sie zählt, ist nicht das Überleben der Bürger, sondern das Überleben seines eigenen, streng kontrollierten öffentlichen Images.

Ohne Internetzugang ist die einzige verbleibende offizielle Informationsquelle für die meisten Iraner der staatlich kontrollierte Sender IRIB; ein Nachrichtenkanal, der weithin nicht als nationales, sondern als Medium des Regimes bekannt ist. Seit Jahrzehnten fungiert er nicht als öffentlich-rechtlicher Sender, sondern als Propagandainstrument der herrschenden Elite. 

Die Iraner haben längst das Vertrauen in seine Berichterstattung verloren. Es ist derselbe Sender, der während der Wahlen Bilder von unverschleierten Frauen in der Nähe von Wahllokalen sendet, um eine breite Beteiligung aller Bevölkerungsschichten vorzugaukeln – nur um dasselbe weibliche Erscheinungsbild im Alltag zu kriminalisieren. In Zeiten von Krieg oder Unruhen widmet der Sender seine Ressourcen der Ausstrahlung gefälschter Berichte, übertriebener Siegesmeldungen und sogar KI-generierter Videos, in denen der Oberste Führer angeblich aus einem Kriegsraum heraus Militäroperationen leitet – Bilder, die nicht informieren, sondern manipulieren sollen.

In dieser jüngsten Runde von Blackouts und Zensur sehen wir die gleichen Muster: Gefälschte Berichte über abgeschossene feindliche Flugzeuge, übertriebene Angaben zu feindlichen Opfern und aufgeblähte Siegesmeldungen, während die tatsächlichen Schäden und Verluste der iranischen Zivilbevölkerung heruntergespielt oder ganz geleugnet werden. Das Ziel ist klar: die Kontrolle über die Berichterstattung und den Schutz des Regimes vor Rechenschaftspflicht.

Irreparabel beschädigt

Wenn Menschen in einem so kritischen Moment der Zugang zum Internet verwehrt wird, wenn sie auf der Straße sind, vertrieben, schutzlos und verzweifelt nach Informationen suchen, ist das nicht nur eine einfache Unannehmlichkeit. Es ist eine vorsätzliche Schädigung. Es bedeutet, dass die Menschen keine Warnungen über Gefahrenzonen erhalten, keine Unterkünfte finden, Nachrichten über Angriffe nicht überprüfen und keine Hilfe bekommen können. Es bedeutet, dass ihre Fähigkeit, sich selbst und ihre Familien zu schützen, stark eingeschränkt ist. Und es bedeutet, dass die Welt ihre Stimmen nicht hören wird, wenn Gewalt ausbricht oder erneut eine Tragödie geschieht.

Eine der aufschlussreichsten Reaktionen der Öffentlichkeit in den letzten Wochen war die offene Freude, als israelische Raketen Berichten zufolge das Hauptquartier der staatlichen iranischen Medien angriffen. Diese Reaktion entsprang der tiefen Verbitterung gegenüber einer Institution, die das Volk seit langem belügt und betrügt. Wenn Bürger die Bombardierung eines Gebäudes feiern, das sie informieren und schützen soll, ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass das Vertrauen in die Regierung irreparabel zerstört ist.

Letztendlich sind Internetsperren im Iran nicht nur technische oder sicherheitsrelevante Entscheidungen. Sie sind Akte der Unterdrückung, die darauf abzielen, eine Bevölkerung zu entwaffnen, die bereits durch Krieg, Vertreibung und wirtschaftliche Verzweiflung belastet ist. Menschen in Krisenzeiten von Informationen abzuschneiden, bedeutet, ihnen ihr Recht auf Überleben, auf Wissen und auf freie Meinungsäußerung zu nehmen. Eine Gesellschaft, der der Zugang zur Wahrheit verwehrt wird, ist nicht nur uninformiert – sie wird als Geisel gehalten.

Diese stille Geiselnahme muss aufgedeckt werden. Unabhängige Medien, Menschenrechtsorganisationen und Aktivisten im Exil müssen Alarm schlagen. Sie müssen zur Stimme derer werden, die gewaltsam zum Schweigen gebracht wurden. Im Iran ist jede Internetsperre ein Signal dafür, dass sich hinter der Stille etwas Verheerendes verbirgt. Wenn die Welt genau hinhört, wird sie die Wahrheit hören, die versucht, den Lärm zu durchbrechen: Das Regime versucht nicht, sein Volk zu schützen – es versucht, sich vor seinem Volk zu schützen.

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