Historische Misserfolge lassen begründete Zweifel an der Fähigkeit internationaler Truppen aufkommen, mit Terrororganisationen fertig zu werden.
Yaakov Lappin
Die Idee, eine internationale Truppe zur Sicherung des Gazastreifens und zur Bekämpfung der Hamas zu entsenden, ist nicht unproblematisch, denn historische Präzedenzfälle zeigen, dass derartige Initiativen immer wieder scheitern. Eine Version der Idee, die in den vergangenen Monaten vom israelischen Verteidigungsminister Yoav Gallant erörtertwurde, ist eine multinationale arabische Truppe unter Führung der Vereinigten Staaten. Diese Idee hat bisher offenbar keine Länder angezogen, sich für eine solche Aufgabe freiwillig zu melden.
Historische Beispiele und die aktuelle Situation im Gazastreifen zeigen, warum eine solche Mission bestenfalls unwirksam wäre und schlimmstenfalls die Operationen der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) behindern würde.
Negativbeispiel UNIFIL
Der ehemalige Nationale Sicherheitsberater des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu und jetzige leitende wissenschaftlicher Mitarbeiter am Jerusalemer Institut für Strategie und Sicherheit Yaakov Amidror erläuterte die bisherigen Erfahrungen mit den UN-Kräften im Nahen Osten: »Es gibt eine lange Geschichte mit UN-Truppen im Nahen Osten, wovon das vielleicht bemerkenswerteste Beispiel die UNIFIL im Libanon ist. Dieser Truppe ist es nie gelungen, angemessen über die Geschehnisse vor Ort zu berichten«, so der ehemalige Direktor der Analyseabteilung des militärischen Nachrichtendienstes der IDF.
Die Unfähigkeit der UNIFIL, die Aktivitäten der Hisbollah zu überwachen und darüber zu berichten geschweige denn die Resolution 1701 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen durchzusetzen, die der Hisbollah verbietet, im Südlibanon zu operieren, ist ein Präzedenzfall, der schwerlich außer Acht gelassen werden kann, wenn man den Kontext des Gazastreifens untersucht.
»Nach Angaben der Vereinten Nationen sind keine Waffen der Hisbollah jemals in den Südlibanon gelangt«, so Amidror. Wenn doch Behauptungen über Waffenlieferungen an die Hisbollah erhoben wurden, »ist es der UNO-Truppe nie gelungen, ihnen nachzugehen und sie zu verifizieren, da sie in den meisten Fällen nicht zu den verdächtigen Orten vordringen durfte«. Derartige Beschränkungen behindern die Fähigkeit der internationalen Truppen, ihre Aufgaben wirksam zu erfüllen, erheblich.
Asymmetrische Kriegsführung
Amidror wies darauf hin, dass der Sechstagekrieg 1967 begann, nachdem die Vereinten Nationen beschlossen hatten, ihre Streitkräfte zu einem kritischen Zeitpunkt aus dem Gazastreifen abzuziehen, was die Unzuverlässigkeit der internationalen Streitkräfte bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit in unbeständigen Zeiten verdeutlicht. »Nach allen Erfahrungen im Nahen Osten sind die Vereinten Nationen allenfalls ein Brückenorgan zwischen den Seiten, haben aber nie ein Problem gelöst oder eine handlungsfähige Überwachung ermöglicht«, erklärte er.
Darüber hinaus wirke sich der Einsatz internationaler Truppen eher negativ auf Israel als auf seine Feinde aus: »Wenn die Vereinten Nationen vor Ort sind, behindern sie Israel mehr als die Terrororganisationen. Israel muss die UN-Truppe berücksichtigen, während die Terrororganisation sie ignorieren und sogar die internationale Truppe bei der Erfüllung ihrer Aufgabe behindern kann, bis hin zur Tötung ihrer Soldaten.«
Diese Dynamik sei besonders im Gazastreifen problematisch, wo die Hamas die Anwesenheit internationaler Truppen zu ihrem Vorteil ausnutzen könne, indem sie die Operationen der IDF behindere und die internationalen Truppen als Deckung benutze, warnte er. »Daher ist eine UN-Präsenz aus der Sicherheitsperspektive des Staates Israel äußerst negativ. Sie hilft nicht nur nicht, sondern schadet sogar.«
Mangelnder Zusammenhalt
Der Vizerektor der Universität Tel Aviv und Inhaber des Lehrstuhls für Neuere Geschichte des Nahen Ostens, Eyal Zisser, stellte ebenfalls fest, dass internationale Streitkräfte in der Regel davon abgehalten werden, gegen lokale Terrorkräfte wie die Hisbollah oder die Hamas vorzugehen. Multinationale Streitkräfte »haben kein klares Mandat, sie [die Terrorgruppen] zu bekämpfen. Ihr allgemeines Mandat besteht darin, die Ruhe entlang der Grenze aufrechtzuerhalten«. Dies stelle die Fähigkeit der internationalen Streitkräfte infrage, gegen die Verankerung der Hamas im Gazastreifen oder künftige Angriffe der Terrorgruppe vorzugehen.
Zisser wies auf einen weiteren kritischen Punkt hin, nämlich die mangelnde Bereitschaft der Truppen entsendenden Staaten, Opfer in Kauf zu nehmen. »Die Länder, die die Truppen entsandt haben, wollen keine Verluste und keine Opfer, weil diese zu Kritik im eigenen Land führen würde«, erklärte er. Diese Risikoscheu führe zu einem vorsichtigen Ansatz, der die operative Effizienz der Truppen untergräbt.
Außerdem, so Zisser, seien die Streitkräfte oft nur für eine begrenzte Zeit im Einsatz und verfügten nicht über das für eine dauerhafte Sicherheit erforderliche langfristige Engagement. Der zeitlich begrenzte Charakter internationaler Einsätze führe dazu, dass die Befehlshaber und Soldaten vor Ort zögerten, sich eingehend mit der Komplexität des Konflikts zu befassen.
Infolgedessen »suchen sie in der Regel nach Absprachen mit lokalen Elementen, um für beide Seiten Ruhe zu gewährleisten«. Eliminiere Israel die Hamas vollständig, sodass nur ein Machtvakuum entstehe, sei das eine Sache, aber wenn die Hamas vor Ort und weiterhin bewaffnet bleibe, eine ganz andere.
Zisser wies auch auf die Schwierigkeiten hin, die mit der Koordinierung einer Länderkoalition für derartige Einsätze verbunden sind: »Eine Koalition von Ländern ist schwieriger zu mobilisieren als ein einzelnes Land. Es reicht aus, wenn Jordanien zum Beispiel beschließt, die Hamas bei sich zu bekämpfen, und schon bricht die ganze Struktur zusammen.« Der fehlende Zusammenhalt und die mangelnde Zielstrebigkeit der internationalen Streitkräfte beeinträchtigen ihre Wirksamkeit zusätzlich.
Menschliche Schutzschilde
»Kurz gesagt, es liegt alles an Israel. Niemand wird die Hamas für uns auflösen«, schloss Zisser seine Ausführungen. Auch er warnte ähnlich wie Amdror davor, dass die internationalen Streitkräfte neue Probleme schaffen werden, denn, »wenn sie vor Ort sind, wird Israel nicht in der Lage sein, gegen die Hamas vorzugehen, die sich neben den internationalen Truppen verstecken wird«.
Ein Blick auf den Libanon scheint diese Zweifel zu bestätigen. So stellte das auf die Sicherheitsherausforderungen im Norden Israels spezialisierte Alma Center in einem Bericht vom Dezember 2023 fest, dass die Hisbollah die UNIFIL sowie die libanesischen Streitkräfte häufig als menschliche Schutzschilde benutzt. »Die Hisbollah hofft, dass das Vergeltungsfeuer der IDF die menschlichen Schutzschilde trifft, die Aktivitäten der IDF einschränkt und den internationalen Druck auf Israel erhöht«, so das Zentrum. Internationalen Streitkräfte im Gazastreifen würden von der Hamas wahrscheinlich auf genau dieselbe Weise ausgenutzt werden.
Yaakov Lappin ist Korrespondent und Analyst für militärische Angelegenheiten in Israel. Er ist hausinterner Analyst am MirYam-Institut, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Alma-Forschungs- und Bildungszentrum und am Begin-Sadat-Zentrum für strategische Studien an der Bar-Ilan-Universität sowie Autor von Virtual Caliphate – Exposing the Islamist State on the Internet. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)