Latest News

Die Illusion der Sicherheit: Ein Mythos, der zu bitterem Hohn wurde

Das Sicherheitsgerede des iranischen Regimes ist nur Mittel der Propaganda und der Repression
Das Sicherheitsgerede des iranischen Regimes ist nur Mittel der Propaganda und der Repression (© Imago Images / Middle East Images)

Aktuell zeigt sich deutlich, was immer schon der Fall war: Wenn die Islamische Republik von Sicherheit sprach, ging es immer nur um die eigene, nie um die der iranischen Bevölkerung.

Seit Jahrzehnten wiederholen die Funktionäre der Islamischen Republik mit einer Mischung aus Drohungen und herablassendem Mitleid immer wieder stolz ein Wort, das der iranischen Bevölkerung heute mehr als alles andere ein Grinsen entlockt: »Sicherheit«. Ein Begriff, der nicht nur zur ideologischen Waffe des Regimes wurde, um die Massen zu kontrollieren, sondern auch zu einem Knüppel, um jede Forderung nach Leben, Freiheit oder einem würdigen Lebensunterhalt niederzuschlagen.

Hungerten die Menschen, wurde ihnen gesagt: »Seid geduldig, wenigstens haben wir Sicherheit.« Forderten sie Freiheit, hörten sie: »Keine Freiheit ist besser als keine Sicherheit. Wenigstens sind wir sicher.« Als die Menschen unter Inflation, Unterdrückung, einer sich verdüsternden Zukunft für sich und ihre Kinder stöhnten, kam derselbe Sermon: »Wir haben vielleicht unsere Probleme, aber wenigstens haben wir Sicherheit. Stellt euch vor, wir hätten keine …«

Diese Illusion von Sicherheit mag einmal funktioniert haben – damals, als die Menschen keine wirklichen Vergleichsmöglichkeiten hatten, als das Regime sie mit dramatischen Geschichten aus dem Irak, dem Libanon, Afghanistan und Palästina zum Schweigen bringen konnte. »Wären wir nicht an der Macht«, sagten sie, »würde der Iran zu einem zweiten Aleppo oder Mossul werden«.

Was das Regime jedoch nicht bemerkte, war, dass die Menschen irgendwann nur noch erschöpft waren und aufhörten, Angst zu haben. Wenn man jeden Tag in wirtschaftlicher, sozialer und psychologischer Unsicherheit lebt, fürchtet man keine abstrakte Bedrohung in der Zukunft mehr. Die Menschen im Iran haben ständige Unsicherheit erfahren – nicht durch Bomben und Invasionen, sondern durch die völlige Instabilität ihres Alltags.

Eine Tragödie

In einem Land, in dem Frauen wegen eines Kopftuchs von Überwachungskameras verfolgt werden, in dem Männer wegen Liedern und Parolen gehängt werden, in dem Demonstranten verschwinden und in dem Hunger und Inflation still und leise töten, von »Sicherheit« zu sprechen, ist keine Rhetorik mehr, es ist eine schwarze Komödie – und nicht einmal das: In solch einem Land bedeutet »Sicherheit« nichts anderes als das Überleben des Regimes um jeden Preis, das erzwungene Schweigen der Bevölkerung und den Schutz der Funktionärsposten. Es bedeutet etwas, das weder vom Volk gewünscht wird noch in seinem Interesse liegt. Es ist zu einem bitteren Witz geworden, der über eine nationale Tragödie gelegt ist.

Und jetzt bekommen es die Iraner nur allzu deutlich vor Augen geführt: Diejenigen, die all die Jahre »Wir haben den Iran sicher gehalten« gerufen haben, konnten nicht einmal sich selbst schützen. Man muss nur einen Blick hinter die Kulissen werfen: Dieselben Funktionäre, die einst warnten, dass »ohne uns der Iran wie Syrien werden würde«, verstecken sich jetzt Dutzende Meter unter der Erde und zittern hinter Stahltüren aus Angst, ein Drohnensplitter oder eine gezielte Rakete könnte ihren Mythos ein für alle Mal zerstören.

Wo also ist ihre »Sicherheit«? An diesen Orten, die für die Bevölkerung nicht einmal zugänglich sind? In Bunkern, zu denen kein normaler Bürger Zutritt hat?

Todernste Ironie

Noch ironischer – und für viele Iraner aufschlussreich – ist, was sich derzeit im Konflikt mit Israel abspielt. Das Land, das 45 Jahre lang als der leibhaftige Teufel, als das Epizentrum des Chaos und der Unsicherheit dargestellt wurde, ist in den Augen vieler Iraner nun zu einem Symbol für echte Macht und tatsächliche Sicherheit geworden. – Warum? Weil Israel im Gegensatz zur Islamischen Republik gezeigt hat, dass es auf Angriffe mit Präzision, Zielstrebigkeit und Kompetenz reagiert. Seine Führer verstecken sich nicht unter der Erde – sie zeigen sich vor Ort. In Kriegszeiten stellen sie sich vor die Kameras, sprechen zu ihren Landsleuten und produzieren keine Propagandavideos, in denen ein Führer aus einem mythischen Kommandoraum heraus das Geschehen überwacht.

Und hier schreibt sich die Satire wie von selbst: In dem Moment, in dem israelische Drohnen in den iranischen Luftraum eindringen, Explosionen in Teheran und anderen Städten widerhallen und die Kommandeure der Revolutionsgarde aus Angst vor israelischen Luftschlägen schlaflose Nächte verbringen, sind die Anhänger des Regimes damit beschäftigt, filmreife Clips zu erstellen – mit After Effects und Hollywood-Filtern –, um ihren Obersten Führer zu zeigen, wie er das Schlachtfeld von seinem Hightech-Kriegsraum aus kommandiert.

In Wirklichkeit sitzt er an einem Ort, der einer Rattenhöhle gleicht, tief unter der Erde, weit entfernt von jeder wirklichen Gefahr – und ganz sicher nicht nur vor israelischen Bomben, sondern auch vor der eigenen Bevölkerung, die ihm in unzähligen Sprechchören den Tod wünscht.

Jetzt also lacht die Bevölkerung, aber nicht vor Freude, sondern vor Sarkasmus. Dieselben Funktionäre, die sonst so vollmundig »Tod für Israel« skandierten, verstecken sich jetzt vor eben diesem Israel. Dieselben, die behaupteten, für »Sicherheit« zu sorgen, haben das Leben zutiefst unsicher gemacht – nicht nur physisch, sondern auch emotional, wirtschaftlich und existenziell.

Die Bevölkerung hat erkannt, dass die vom Regime im Mund geführte »Sicherheit« nie die ihre war. Sie war ein Werkzeug und ein Vorhang, eine Ausrede und ein Zaubertrick, um ihnen ihr Brot, ihre Stimmen, ihr Glück, ihre Rechte und letztendlich ihre Zukunft zu rauben.

Heute lassen sich die Iraner nicht mehr von Parolen täuschen. Sie wollen Haifa nicht in Schutt und Asche legen und fantasieren auch nicht davon, irgendjemanden zu vernichten. Ihnen stellt sich lediglich eine Frage – nicht als Satire, sondern als todernste Bitte um Ehrlichkeit: »Wenn das, was ihr uns gegeben habt, Sicherheit war, wie sieht dann Unsicherheit aus?«

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir reden Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!