Um auf die Notlage des von der Hamas Entführten Musikers Alon Ohel aufmerksam zu machen, wurden weltweit über fünfzig Klaviere aufgestellt.
Amelie Botbol
»Mein Sohn ist dort unten, schreit und weint und bittet darum, dass ihn jemand herausholt, aber niemand hört ihn. Ich muss seine Stimme sein, damit er gehört wird. Ich habe keine andere Wahl«, beklagte Idit Ohel, die Mutter des in Hamas-Gefangenschaft befindlichen Alon Ohel, am vergangenen Sonntag gegenüber dem Jewish News Syndicate (JNS). »Alon kommt lebend nach Hause. Ich werde es tausendmal sagen. Alon kommt lebend nach Hause, ich muss nur dafür sorgen. Ich muss alles tun, damit er so schnell wie möglich zurückkommt.«
Der Musiker Alon ist das älteste von drei Kindern. Er wurde im Alter von 22 Jahren entführt, nachdem er einen Monat davor von einer Asien-Reise zurückgekehrt war. Nach über einem Jahr in Geiselhaft musste er am 10. Februar, als er 24 Jahre alt wurde, seinen zweiten Geburtstag in einem Hamas-Tunnel verbringen.
Lebensgefährliche Verletzungen
Am Morgen des 7. Oktobers 2023 brach Alon zum Supernova Music Festival auf. Als die Hamas begann, Raketen auf Südisrael abzufeuern, stiegen Alon und seine Freunde in ihr Auto und fuhren zum nächsten Schutzraum am Straßenrand in der Nähe des Kibbuz Re’im. Es war derselbe Schutzraum, in dem Hersh Goldberg-Polin, Aner Shapira und Elya Cohen Zuflucht suchten. Von den 27 Menschen, die sich hier versteckten, überlebten nur sieben, indem sie sich unter den Überresten anderer versteckten; vier wurden in den Gazastreifen entführt.
Zwei von Alons Freunden wurden ermordet, zwei überlebten. »Einer von Alons Freunden, der mit ihm im Luftschutzkeller war, hat der Polizei davon erzählt. Mein Mann fuhr ins Soroka-Krankenhaus, weil die Person, welche die sieben gerettet hat, Alons Handy mitgenommen und ins Soroka-Krankenhaus gebracht hatte«, erzählte Idit Ohel. »Später in dieser Nacht erhielten wir die Information, dass Alon entführt worden war. Die offizielle Mitteilung erhielten wir erst zwei Wochen später.«
Weitere Einzelheiten über Alons körperlichen und geistigen Zustand wurden über die ehemaligen Hamas-Gefangenen Eli Sharabi, Eliya Cohen und Or Levy bekannt, die mit ihm festgehalten worden waren und Teil der Gruppe von 25 Geiseln und acht Verstorbenen sind, die in der ersten Phase des Waffenstillstands vom 19. Januar freigelassen wurden.
Laut Eli, Eliya und Or wurde Alon durch Schrapnelle verletzt, wobei sein rechtes Auge erblindete. »Wir wissen, dass die Hamas, als sie im Gazastreifen ankamen, einige von Alons Wunden ohne Betäubung nähten, aber ohne die Schrapnelle zu entfernen«, erzählte seine Mutter. »Er wird bis heute unter schlimmsten Bedingungen festgehalten. Er wurde geschlagen, ist mit Ketten an den Beinen fixiert und kann sich kaum bewegen. Er wird ausgehungert. Er schläft auf dem Boden und kennt den Unterschied zwischen Tag und Nacht nicht. Seine Entführer machen das Licht nicht aus, weil sie ihn foltern wollen.«
Seine Verletzungen seien »lebensgefährlich, er braucht dringend medizinische Hilfe. Die Verletzten müssen medizinisch versorgt werden, aber das ist noch nicht geschehen. Das Rote Kreuz hat weder Alon noch andere Geiseln jemals gesehen. Das verstößt gegen das Völkerrecht«, fügte sie hinzu.
Aufgrund mangelnder Informationen über seinen Zustand zu diesem Zeitpunkt, so Idit Ohel, sei Alon nicht in der ersten Phase des Waffenstillstands freigelassen worden, in der nur »humanitäre Fälle« berücksichtigt wurden. »Ich wusste, dass er lebend gefangen genommen wurde, weil es Filmmaterial davon gibt. Ich wusste nicht, unter welchen Bedingungen er festgehalten wurde. Niemand wusste es. Als er entführt wurde, war er voller Blut, aber die israelischen Streitkräfte dachten nie daran, dass er diese Art von Verletzungen erlitten haben könnte. Ich weiß nicht, warum.«
Ein Kämpfer
Um auf Alons Notlage aufmerksam zu machen, wurden 34 Klaviere in ganz Israel aufgestellt, darunter auf dem »Platz der Geiseln« in Tel Aviv, und weitere zwanzig auf der ganzen Welt – alle mit einem Schild mit der Aufschrift »Alon, du bist nicht allein« versehen.
Alon ist ein begabter Pianist und »die Klaviere sind ein Leuchtfeuer, denn es geht darum, anderen etwas zu geben. Sie sind ein starkes Zeichen für Einigkeit und dafür, Menschen zusammenzubringen, und zwar nur aus einem Grund: um den Geiseln zu helfen, nach Hause zu kommen«, erklärte Alons Mutter. »Wenn man für jemanden spielt, gibt man ihm etwas von sich selbst und sendet all diese Liebe an ihn. Musik ist eine internationale Sprache, sie bringt Menschen zusammen, und wenn Menschen im öffentlichen Raum Klaviermusik hören, kommen sie, um sie zu hören.«
Idit Ohel beschrieb Alon, von dem angenommen wird, dass er allein vierzig Meter unter der Erde festgehalten wird, als »einen Kämpfer. Er hat durchgehalten, an die Zukunft gedacht, auf seinem Körper Musik gespielt und einfach versucht, zu überleben. Mein Sohn ist sehr stark. Er kämpft um sein Leben, aber er braucht uns, um ihn nach Hause zu bringen. Er braucht ein Abkommen, damit er nach Hause kommen kann. Wir alle dachten, der Waffenstillstand vom 19. Januar sei ein beschlossener Deal mit Phasen, aber Phase zwei tritt nicht in Kraft, und für mich ist Phase eins noch nicht beendet, weil Alon verletzt ist. Sie müssen etwas dagegen unternehmen.«
In Gefangenschaft pfeife Alon die Version des Liedes Shir Lelo Shem (Lied ohne Namen) von Asaf Amdursky, um sich bei Laune zu halten, erzählten die befreiten Gefangenen.
Hoffen auf Trump
Idit Ohel und ihr Ehemann sind seit dem 7. Oktober 2023 nicht mehr zur Arbeit zurückgekehrt und setzen sich in Israel und im Ausland für die Freilassung ihres Sohnes ein. »Wir leben nicht in Tel Aviv. Wir leben im Norden des Landes, in Lavon, in der Nähe von Carmiel, und fahren hin und her. Meine fünfzehnjährige Tochter lebt immer noch im Norden, sie braucht uns dort. Jeden Tag pendeln wir fünfeinhalb Stunden. Es ist sehr schwer.«
Ohel hofft, dass die Entscheidung von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu und US-Präsident Donald Trump dazu beitragen werde, alle verbleibenden 59 Geiseln nach Hause zu bringen, von denen 24 vermutlich noch am Leben sind. »Wir brauchen Trump, wir brauchen seine Hilfe. Wir müssen sicherstellen, dass er keine der Geiseln vergisst und alles in seiner Macht Stehende tut, um sie nach Hause zu bringen. Ich weiß, dass er es kann, ich weiß, dass er die Macht dazu hat. Ich denke, das ist keine Aufgabe für eine Person allein. Es gibt viele Menschen, die wir jetzt brauchen, insbesondere Trump und Netanjahu.«
Während seines Treffens mit Netanjahu im Oval Office des Weißen Hauses am vergangenen Montag sagte Trump gegenüber der Presse: »Wir versuchen sehr intensiv, die Geiseln herauszuholen. Wir erwägen eine weitere Waffenruhe. Wir werden sehen, was passiert. Aber wir wollen die Geiseln herausholen. Das israelische Volk will die Geiseln mehr als alles andere herausholen«, und Israels Premier arbeite »sehr hart« auf dieses Ziel hin.
Die Hamas lehnte Anfang April das jüngste Angebot Israels zu einem Waffenstillstand ab und bekräftigte stattdessen ihr Engagement für einen Vorschlag, der unter Vermittlung von Ägypten und Katar ausgearbeitet worden war. Dieser ursprünglich am 17. Januar ausgearbeitete Plan sieht eine fünfzigtägige Einstellung der Feindseligkeiten und einen schrittweisen Prozess für den Austausch israelischer Geiseln gegen palästinensische Sicherheitsgefangene vor.
Gemäß den Bedingungen dieses Rahmenplans würde die Hamas in mehreren Phasen fünf israelische Geiseln freigeben, darunter den amerikanisch-israelischen Staatsbürger Edan Alexander. Im Gegenzug würde Israel etwa 250 inhaftierte palästinensische Terroristen sowie 2.000 Terrorverdächtige, die nach den Anschlägen vom 7. Oktober 2023 festgenommen wurden, freilassen. Die Initiative umfasst auch eine Pause bei den israelischen Militäraktionen und die Wiedereröffnung von Grenzübergängen, um die Einfuhr von Hilfsgütern zu ermöglichen.
Der Vorschlag Israels enthält Forderungen wie die vollständige Entwaffnung der Hamas und garantiert keinen kompletten militärischen Rückzug aus dem Gazastreifen. Er fordert außerdem die sofortige und bedingungslose Freilassung von Edan Alexander und zehn bis zwölf weiteren lebenden Geiseln sowie die Rückgabe der Leichen der verstorbenen Gefangenen.
»Vergessen Sie die Geiseln nicht und tun Sie alles in Ihrer Macht Stehende, um sicherzustellen, dass ihnen Gehör geschenkt wird und das Thema nicht in Vergessenheit gerät. Die jüdische Gemeinschaft ist eine globale Gemeinschaft und wir müssen für die Geiseln da sein. Heute geschieht es in Israel, aber morgen könnte es woanders sein. Terrorismus ist überall und wir lassen Geiseln und Verletzte nicht zurück«, sagte Idit Ohel gegenüber Jewish News Syndicate.
Alon sei ein unschuldiger Zivilist, »der aus Israel entführt wurde. Er wollte das nicht, aber wir müssen dafür sorgen, dass man ihm zuhört, damit er, wenn er zurückkommt, die Welt verändern kann. Ich hoffe, dass er aufgrund dessen, was er durchgemacht hat, Frieden und Wohlstand bringen wird. Ich
hoffe, dass alle Geiseln ein Licht für die Welt sein und Veränderungen bewirken werden. Ich werde niemals aufgeben, bis mein Sohn und alle Geiseln zurückkehren, und das sollten Sie auch nicht. Wir sollten es als Chance betrachten, die Dinge zu verbessern. Unterstützen Sie uns dabei!«, fordert die verzweifelte Mutter Idit Ohel das Gespräch.
Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)