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Hoffnung auf Frieden im Jemen rückt in weite Ferne 

Jemenitische Binnenflüchtlinge im Lager Dharawan im Norden der Hauptstadt Sanaa
Jemenitische Binnenflüchtlinge im Lager Dharawan im Norden der Hauptstadt Sanaa (© Imago Images / Xinhua)

Der mühsam ausgehandelte Waffenstillstand hielt nur sechs Monate an, und eine Verlängerung ist durch die Verhärtung der Fronten nicht in Sicht.

Im Jemen findet nach wie vor eine der größten humanitären Krisen der Welt statt. Nach acht Jahren Konflikt und Krieg sind rund 23,4 Mio. Menschen auf Hilfe angewiesen, darunter fast 13 Millionen Kinder. Ende 2022 stand die ohnehin schon schlimme Hungerkrise im Jemen kurz vor einer regelrechten Katastrophe. Etwa 2,2 Millionen Kinder unter fünf Jahren litten an einer durch Hunger verursachten Auszehrung, mehr als 500.000 davon an besonders schwerer.

Dabei hatte es von April bis Oktober noch echte Hoffnung auf ein Ende des Konflikts gegeben. Ein Waffenstillstand zwischen den vom Iran unterstützten Huthi-Milizen und der anerkannten Regierung war vom UN-Sondergesandten Hans Grundberg mühsam ausgehandelt und zweimal verlängert worden, was zur längsten Phase einer gewissen Ruhe und Stabilität seit Beginn des Bürgerkriegs im Jahr 2014 führte. 

Am 2. Oktober wurde diese Hoffnung allerdings zunichte gemacht, als die Huthis sich weigerten, die Waffenruhe zu verlängern. Der Waffenstillstand war immer ein fragiles Arrangement, und als die Frist auslief, war die Lage zu instabil geworden, um ihn zu verlängern. Die Verstöße gegen die Waffenruhe hatten zugenommen und auch die Gespräche über weitere Zugeständnisse waren in eine Sackgasse geraten. 

Zwei Haupthindernisse

Dabei gibt es zwei wesentliche Hindernisse für eine dauerhaft friedliche Lösung: Die vom Iran mit hochentwickelten Waffen ausgestatteten Huthis fühlen sich immer stärker, und die Koalition, die sie bekämpft, ist durch interne Konflikte zerrissen. So streben die südjemenitischen Provinzen nach Autonomie oder sogar nach vollständiger Abspaltung von der anerkannten jemenitischen Regierung.

Im August brachten bewaffnete Gruppen, die von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt werden, wichtige Öl- und Gasfelder im Süden in ihre Gewalt, die zuvor von Verbündeten der von Saudi-Arabien geführten Koalition kontrolliert worden waren. Bei Zusammenstößen zwischen ihnen und anderen Kräften der Allianz wurden Dutzende Menschen getötet.

Nach Auslaufen des Waffenstillstands erstattete Sondergesandter Grundberg am 13. Oktober dem UN-Sicherheitsrat erneut Bericht. Er erklärte, seit dem Ende des Waffenstillstands seine »unermüdlichen Bemühungen fortgesetzt zu haben, die Parteien sowie regionale und internationale Partner über Optionen für eine Erneuerung des Waffenstillstands zu informieren«. Grundberg persönlich glaube, »dass es immer noch eine Möglichkeit für die Parteien gibt, zu einer Einigung zu kommen«.

In Anbetracht der gegenwärtigen Umstände scheint diese Möglichkeit allerdings sehr gering. Der Jemen wurde in eine neue Ungewissheit und in ein erhöhtes Kriegsrisiko gestürzt. So erklärte der Militärsprecher der Huthis, seine Gruppe sei zu weiteren Kämpfen bereit. Auch ist die Anzahl der Toten und Verletzten unter der Zivilbevölkerung infolge von Scharfschützenangriffen und Granatenbeschuss gestiegen.

Ungewisse Zukunft

Am 21. Oktober teilte die Regierung mit, ihre Streitkräfte hätten bewaffnete iranische Drohnen abgefangen, die von der Huthi-Miliz auf den Öltanker Nissos abgefeuert worden seien, als dieser am Ölterminal al-Dubba anlegen wollte, um zwei Millionen Barrel Rohöl zu laden. Die Drohnen seien jedoch in der Luft abgefangen worden, sodass weder der Terminal noch der Tanker beschädigt wurden.

Die Huthis, die einen großen Teil des westlichen Jemen kontrolliert, bezeichneten den Angriff ihrerseits als Warnung sowie als Maßnahme, um das Schiff am »Schmuggel« von Rohöl aus dem Hafen zu hindern. In einer Erklärung wurden alle Ölgesellschaften gewarnt, »die Entscheidungen der Behörden in Sanaa vollständig zu befolgen und nicht zur Plünderung der jemenitischen Ressourcen beizutragen«. Sanaa, die Hauptstadt des Jemen, wurde 2014 von den Huthis eingenommen und wird seitdem von ihnen gehalten.

Einige Tage später teilte die UNO den Medien mit, die »Mitglieder des Sicherheitsrats verurteilen die terroristischen Drohnenangriffe der Huthis am 21. Oktober aufs Schärfste«, da sie eine ernsthafte Bedrohung des Friedensprozesses und der Stabilität im Jemen seien. Die UNO forderte die Huthis auf, »solche Angriffe unverzüglich einzustellen und sich konstruktiv an den Bemühungen um eine Erneuerung des Waffenstillstands zu beteiligen« und bekräftigte ihre »Unterstützung für den UN-Sondergesandten Hans Grundberg bei seinen Bemühungen um eine politische Lösung auf dem Verhandlungsweg, die alle Seiten einbezieht und von den Jemeniten getragen wird«.

Die sechs Monate des Waffenstillstands von April bis Oktober 2022 scheinen nur eine kurze Atempause inmitten eines nicht enden wollenden Konflikts gewesen zu sein, dessen Hauptopfer die Bevölkerung ist. Während der Iran weiterhin immer modernere Waffen liefert und die Huthis davon überzeugt sind, die Regierung stürzen und den gesamten Jemen übernehmen zu können, scheinen die Bitten an sie, einen weiteren Waffenstillstand auszuhandeln, auf taube Ohren zu stoßen. Unterdessen rückt die Hoffnung der Bevölkerung auf eine friedliche Zukunft in weite Ferne.

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