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Das Parlament der Narren: Hidschab-Petitionen statt Krisenbewältigung (Ein Kommentar)

Hidschab und Keffiyeh (Palästinensertuch) sind iranischen Parlamentariern wichtiger als Probleme des Landes
Hidschab und Keffiyeh (Palästinensertuch) sind iranischen Parlamentariern wichtiger als Probleme des Landes (Imago Images / ZUMA Press Wire)

Im Iran, in dem nahezu täglich eine neue Krise entsteht, haben die Abgeordneten des Parlaments nur ein Anliegen, nämlich das korrekte Tragen des Hidschabs.

Die Gefahr eines Kriegs wegen der fehlgeleiteten Politik der Machthaber? Der in die Höhe schießende Dollarkurs? Die Inflation? – Nicht wichtig. Jugendarbeitslosigkeit? – Ein nebensächliches Problem. Veruntreuung und Plünderung des nationalen Reichtums? – Keine Priorität. Aber in dem Moment, in dem eine einzige Haarsträhne unter einem Kopftuch hervorlugt, wird das gesamte iranische Parlament aktiv. Petitionen werden unterzeichnet, restriktive Gesetze entworfen, und es scheint, als wäre gerade die größte Krise des Landes entdeckt worden.

Diese Abgeordneten, die noch angesichts jeder der grassierenden Ungerechtigkeiten schweigen, werden plötzlich beredt, wenn es um den Hidschab geht; so, als ob ihre einzige Aufgabe darin bestünde, die Bekleidung der (weiblichen) Bevölkerung zu überwachen.

Inkompetente Abgeordnete

Abgesehen von ihrer unerschütterlichen Loyalität gegenüber dem Obersten Führer Ayatollah Ali Khameneistellt sich die Frage, warum diese Abgeordneten Petitionen über den Hidschab verfassen, anstatt sich mit den dringenden Themen des Landes zu befassen. 

Die Mitglieder des Parlaments der Islamischen Republik sind weder Experten noch kompetente Entscheidungsträger, da die meisten von ihnen ihre Universitätsabschlüsse durch kostenpflichtige Einrichtungen, Diplomfabriken oder Betrug erworben haben und nur eine Handvoll über echte akademische Qualifikationen verfügt. 

Nach der Revolution des Jahres 1979 wurde das Bildungssystem nicht gestärkt, sondern in eine Branche für den Verkauf von Diplomen verwandelt, in der jeder durch Zahlung von ein paar Millionen Toman einen Abschluss erwerben konnte (und kann). Universitäten wie Azad, Payam Noor und Applied Science wurden zu reinen Ausgabestellen für akademische Grade, anstatt intellektuelle Eliten zu fördern. Parallel dazu blühte das Geschäft mit Ghostwriting-Abschlussarbeiten, Prüfungsbetrug und Bestechung.

Die teuren Universitäten, die zwar oft wegen ihres Elitismus kritisiert werden, bringen aber auch einige wirklich gut ausgebildete und fähige Akademiker hervor. Doch während einige Absolventen dieser renommierten Institutionen über das Wissen und die Fähigkeiten verfügen, die zur Bewältigung der Krisen des Landes erforderlich sind, haben viele Parlamentarier nur Abschlüsse von Institutionen, die den Profit vor die intellektuelle Kompetenz stellen. Ihnen fehlen trotz ihrer Abschlüsse oft die praktischen Fähigkeiten oder Kenntnisse, um effektive Entscheidungen für die Zukunft zu treffen.

In entwickelten Ländern dient die Hochschulbildung als Tor, um in die nationale Führung einzutreten. Im Iran hat sich dieser Prozess jedoch umgekehrt, sodass unqualifizierte Personen mit gefälschten Zeugnissen wichtige Entscheidungen treffen. 

Als das Mullah-Regime einen Master-Abschluss als Voraussetzung für Parlamentskandidaten vorschrieb, glaubten viele, dies würde das intellektuelle Niveau der Legislative erhöhen. Stattdessen wurde dadurch nur der Handel mit Diplomen angeheizt. Tatsächlich fehlt vielen Abgeordneten nicht nur das Verständnis für wirtschaftliche, soziale oder administrative Angelegenheiten, sondern das grundlegende Verständnis von Regierungsführung.

Das Ergebnis ist ein Parlament voller inkompetenter Personen, die ihre Zeit damit verbringen, Hidschab-Petitionen zu unterzeichnen und oberflächliche Themen zu debattieren, während die Nation vor existenziellen Herausforderungen steht.

Funktionäre als Narren

Ein Beispiel für diese Realität ist Mohsen Rezaei, der behauptet, einen Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften zu haben, dessen einzige vorgeschlagene Lösung für Wirtschaftskrisen jedoch die Geiselnahme von amerikanischen Bürgern ist. Denn während echte Wirtschaftsexperten Daten analysieren und wissenschaftliche Strategien entwickeln, schlug Rezaei einmal vor, das Land sollte zur Lösung der wirtschaftlichen Probleme erneut Amerikaner als Geiseln nehmen. Selbst die Regimefunktionäre wissen, dass Rezaei keine Ahnung von Wirtschaftagenden hat, dennoch halten sie ihn in Schlüsselpositionen. Dies ist nicht nur ein Zeichen für den Zusammenbruch der wissenschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Standards im Land, sondern auch ein Beweis dafür, dass das System bewusst inkompetente und unwissende Personen in Machtpositionen bringt.

Wer in der heutigen Regierung erfolgreich sein will, hat umso bessere Chancen, in der Hierarchie aufzusteigen, je ungebildeter und uninformierter er ist, dafür aber umso gehorsamer. Als Ergebnis wird der Iran von Menschen regiert, denen es an Wissen, Fähigkeiten und politischem Bewusstsein mangelt. Ein Beispiel für diese Entwicklung ist auch Mir Salim, der von Insidern verspottet wird, aber dennoch in hochrangigen Positionen verbleibt, weil er zum inneren Kreis der Macht gehört. Wollen Parlamentsmitglieder in diesem System über Korruption, den Zusammenbruch der Landeswährung oder den Braindrain diskutieren, werden sie ignoriert, sobald sie aber über den Hidschab sprechen, vom Regime gelobt und belohnt. Dies ist eine bewusste Politik, welche die Unwissenheit kultiviert und die klügsten Köpfe des Landes vertreibt.

Dieselbe alte Geschichte 

Die Vergangenheit des Irans ist voll von Geschichten über Herrscher, deren Unfähigkeit zum Untergang des Landes führte. So heißt es, dass im Jahr 1722, als der Feind vor den Toren Isfahans stand, der Hof von Schah Sultan Hossein mit einer Debatte darüber beschäftigt war, ob Rosinen im Reis halal oder haram seien, anstatt sich auf die Schlacht vorzubereiten.

Heute wiederholt sich dieselbe tragische Komödie. Während das Volk unter erdrückender Armut, Inflation, Arbeitslosigkeit, Umweltverschmutzung, Wasserknappheit und lähmenden Sanktionen leidet, ist das Parlament damit beschäftigt, Petitionen zur Verschärfung der Hidschab-Gesetze zu unterzeichnen. Während die Wirtschaft zusammenbricht, die Jugend verzweifelt und sich die Korruption wie ein Krebsgeschwür ausbreitet, sind die Gesetzgeber davon besessen, die Bevölkerung zu kontrollieren, als ob das Verschärfen der Kopftuchpflicht die Probleme des Landes auf magische Weise lösen würde.

Solange die Kriterien für den Einzug ins Parlament und die Führung des Landes gefälschte Abschlüsse, Ignoranz, Kriecherei und blinden Gehorsam gegenüber dem Obersten Führer sind, wird der Iran in der gleichen Abwärtsspirale verharren. Die klügsten Köpfe sind gezwungen zu fliehen, während Dummköpfe in Machtpositionen gehoben werden. Das Ergebnis ist eine Nation, die in wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krisen versinkt, während ihr Parlament Zeit damit verschwendet, Hidschab-Petitionen zu entwerfen.

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