Hat Anti-BDS-Beschluss des Bundestages außenpolitische Konsequenzen?

Protest gegen deutschen Anti-BDS-Beschluss in Ramallah

Der begrüßenswerte Beschluss des Deutschen Bundestages, die BDS-Bewegung als antisemitisch einzustufen und ihr öffentliche Räume und finanzielle Mittel zu verweigern, hat die Aktivisten, Unterstützer und Kooperationspartner dieser Bewegung auf die Palme gebracht – nicht nur in Deutschland, sondern auch in den palästinensischen Gebieten. Sie fürchten, dass die Resolution gravierende politische und finanzielle Konsequenzen haben wird. Genau das aber wäre zu hoffen, denn Fortschritte kann es nur ohne und gegen BDS geben.

Mitte Mai stimmte der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit für den interfraktionellen Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen mit dem Titel „Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“. In ihm wird die Bewegung, die einen Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen gegen Israel fordert, unumwunden als antisemitisch verurteilt. Die Antragsteller fordern als Konsequenz daraus, keine Räumlichkeiten und Einrichtungen des Bundes für BDS-Gruppierungen zur Verfügung zu stellen. Außerdem sollen keine Organisationen und keine Projekte finanziell gefördert werden, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen, zum Boykott des jüdischen Staates aufrufen oder die BDS-Bewegung aktiv unterstützen. Weiter heißt es im Beschluss: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, keine Veranstaltungen der BDS-Bewegung oder von Gruppierungen, die deren Ziele aktiv verfolgen, zu unterstützen.“

Deutlich benennt die Resolution, was das Problem mit BDS ist: „Der allumfassende Boykottaufruf führt in seiner Radikalität zur Brandmarkung israelischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger jüdischen Glaubens als Ganzes. Dies ist inakzeptabel und scharf zu verurteilen. Die Argumentationsmuster und Methoden der BDS-Bewegung sind antisemitisch.“ Die „Don’t buy“-Aufkleber der BDS-Bewegung auf israelischen Produkten weckten unweigerlich Assoziationen zur nationalsozialistischen Parole „Kauft nicht bei Juden!“. Der Deutsche Bundestag verurteile „alle antisemitischen Äußerungen und Übergriffe, die als vermeintliche Kritik an der Politik des Staates Israel formuliert werden, tatsächlich aber Ausdruck des Hasses auf jüdische Menschen und ihre Religion sind“, und werde ihnen „entschlossen entgegentreten“.

Das lässt an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig, und deshalb war es abzusehen, dass Organisationen und Personen, die der BDS-Bewegung angehören, sie zumindest gutheißen oder mit BDS-Gruppierungen kooperieren, gegen den Beschluss protestieren würden. So sagte beispielsweise der Grünen-Politiker Jürgen Trittin in einem Interview der taz: „BDS in toto für antisemitisch zu erklären, bedeutet, weite Teile der palästinensischen Zivilbevölkerung, die seit mehr als 50 Jahren unter der Besatzung leidet, in die antisemitische Ecke zu stellen. Es bedeutet auch, Gruppierungen, die sich gewaltfrei für die Zwei-Staaten-Lösung starkmachen, mit dem Label ‚Antisemiten‘ zu belegen.“

BDS ist kein Naturgesetz

Hat Anti-BDS-Beschluss des Bundestages außenpolitische Konsequenzen?Ähnlich äußerte sich Barbara Unmüßig, die Leiterin der den Grünen nahestehenden Heinrich-Böll-Stiftung, in einem Interview von Spiegel Online: „Wir fürchten eine Pauschalverurteilung unserer palästinensischen Partner, die nun mit Antisemiten gleichgesetzt werden.“ Es ist so bemerkenswert wie bezeichnend, wie Trittin und Unmüßig argumentieren: Sie tun so, als wäre BDS in den palästinensischen Gebieten eine Art Naturgesetz, das man nun mal hinzunehmen hat und nicht grundsätzlich infrage stellen darf. Der FDP-Abgeordnete Frank Müller-Rosentritt, der zu den maßgeblichen Initiatoren des interfraktionellen Antrags gehört, weist derlei mit Recht zurück. Gegenüber der taz sagte er: „Viele Kritiker suggerieren, dass es ohne die – ausgesprochen problematische – BDS-Bewegung keine zivilgesellschaftliche Aktivität und keinen Einsatz für Menschenrechte aufseiten der Palästinenser geben könne.“ Das sei jedoch nicht der Fall.

Offenbar ahnen Einrichtungen und Vereinigungen, die mit palästinensischen NGOs zusammenarbeiten, dass der Bundestagsbeschluss für sie Konsequenzen haben könnte. Auch das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt sieht jedenfalls „die Gefahr, dass nun alle Organisationen, die ein Ende der völkerrechtswidrigen Besatzung fordern, verunglimpft werden und ihnen damit die Finanzierungsgrundlage entzogen wird“. Jürgen Trittin meint: „Viele Stiftungen und kirchliche sowie nichtkirchliche Organisationen befürchten, dass dies ihre Projekte in Israel und Palästina massiv gefährden wird.“ Tatsächlich müssten die Bundestagsfraktionen, die die für den Antrag gestimmt haben, nun auch gegenüber antiisraelischen NGOs im Nahen Osten und teilweise sogar gegenüber ihren eigenen Parteistiftungen konsequent sein, wenn sie ihren eigenen Beschluss ernst meinen. Und das Auswärtige Amt, das die Förderung von Projekten mit staatlichen Mitteln – etwa durch politische Stiftungen und Hilfswerke – vorab prüft, müsste seine Freigabepraxis ändern. Doch ob das wirklich geschehen wird?

Palästinensische BDS-Organisationen protestieren

Auch palästinensischen Organisationen passt der Anti-BDS-Beschluss des deutschen Parlaments nicht in den Kram. Sie sind der Ansicht, dass er einen Verstoß gegen grundlegende Rechte sowie einen Angriff auf die palästinensische Zivilgesellschaft und das Streben der Palästinenser nach Freiheit, Gerechtigkeit und Würde darstellt. So steht es jedenfalls im Titel eines Protestschreibens, das verschiedene Dachverbände unterzeichnet haben, denen mehrere hundert NGOs angehören. Zu den Unterstützern zählen führende Organisationen der BDS-Bewegung wie Badil, Al-Haq und Addameer, die teilweise Verbindungen zum Terrorismus haben. In der Stellungnahme heißt es, der Bundestagsbeschluss verschmelze „auf gefährliche Weise“ die BDS-Bewegung und den Antisemitismus und nehme „alle zivilgesellschaftlichen Akteure“ ins Visier, die sich „für die Förderung und den Schutz der grundlegenden Rechte und Freiheiten des palästinensischen Volkes“ einsetzten.

Er stelle einen Verstoß „gegen das Recht auf Meinungs-, Äußerungs- und Versammlungsfreiheit“ dar, schränke „den Raum der palästinensischen Zivilgesellschaft weiter ein“ und bringe sie „effektiv zum Schweigen“. BDS sei eine „friedliche und gewaltfreie“ Option, die sich gegen „Israels allgegenwärtige Verbrechen an den Palästinensern“ richte. Die BDS-Bewegung rufe nicht zum Boykott von Individuen, Gruppen und Einrichtungen auf, nur weil diese israelisch oder jüdisch sind.

In einem weiteren Statement von Vereinigungen, die sich als „Bündnisse der palästinensischen Zivilgesellschaft, Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften“ bezeichnen, wird dem Bundestag vorgeworfen, seinen Beschluss auf Lügen zu stützen. Die BDS-Bewegung rufe zu „friedlichem Druck auf das israelische Regime“ auf, das sich durch „Besatzung, Siedlerkolonialismus und Apartheid“ auszeichne, und auf „Verbände und Institutionen, die sich als Komplizen der Menschenrechtsverletzungen“ dieses „Regimes“ betätigten. Die BDS-Bewegung sei nicht antisemitisch, die Vorwürfe des Bundestages seien vielmehr „haltlose Unterstellungen und Erfindungen“, die dem Ziel dienten, „den gewaltfreien palästinensischen Widerstand gegen Israels Besatzungspolitik und Apartheid zu delegitimieren“.

Die „beschämende Resolution“ des deutschen Parlaments, so ist in der Erklärung weiter zu lesen, unterminiere die Meinungsfreiheit, was ein „Charakteristikum von undemokratischen und autoritären Regimes“ sei, zu denen auch „die rechtsextremistische israelische Regierung“ gehöre. Mit diesen Protestschreiben, denen Demonstrationen in Ramallah und Gaza folgten, haben die palästinensischen Organisationen ungewollt die Richtigkeit und Notwendigkeit des Bundestagsbeschlusses bestätigt. Schon die Verwendung von Begriffen wie „allgegenwärtige Verbrechen“, „Siedlerkolonialismus“ und „Apartheid“, mit denen Israel dämonisiert und delegitimiert wird, macht die antisemitische Absicht deutlich. Das Ziel der BDS-Bewegung ist das Ende des jüdischen Staates, eine Kein-Staat-Israel-Lösung. Und dazu werden sehr wohl jüdische und israelische Individuen in Kollektivhaftung genommen.

Fortschritte kann es nur ohne und gegen BDS geben

Hat Anti-BDS-Beschluss des Bundestages außenpolitische Konsequenzen?Daran ändert sich auch nichts, wenn 240 jüdische und israelische Wissenschaftler einen Aufruf an die deutsche Regierung veröffentlichen, BDS nicht mit Antisemitismus gleichzusetzen. Sie schreiben, die BDS-Bewegung versuche lediglich, „die Regierungspolitik eines Staates zu beeinflussen, der für die anhaltende Besetzung und Unterdrückung des palästinensischen Volkes verantwortlich ist“, während die „am stärksten rechtsgerichteten Regierung Israels in der Geschichte des Landes“ den Kampf gegen Antisemitismus instrumentalisiere und der Bundestagsbeschluss nicht von der Sorge über den wachsenden Antisemitismus angetrieben sei, sondern von den politischen Interessen der israelischen Regierung. Das ist blanker Unsinn und verharmlost BDS sträflich, was aber bei näherem Blick auf die Unterzeichner wenig erstaunlich ist: Zu ihnen zählen einige der radikalsten jüdischen Kronzeugen der Anklage gegen den jüdischen Staat, darunter Judith Butler, Moshe Zuckermann, Rolf Verleger, Shlomo Sand, Avraham Burg und Noam Chomsky.

Beifall bekamen sie dafür vom Jüdischen Museum in Berlin, das über seinen Twitter-Account einen affirmativen Beitrag der taz zu diesem Appell mit dem Kommentar „#mustread“ ausdrücklich bewarb. Nicht zum ersten Mal positionierte sich das Museum damit auf der Seite der Feinde des jüdischen Staates: Bereits in der Vergangenheit war es in die Kritik geraten, weil es Referenten eingeladen hatte, die beispielsweise Verbindungen zu den antisemitischen Muslimbrüdern haben oder für einen Boykott Israels eintreten. Nun sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster: „Das Maß ist voll. Das Jüdische Museum Berlin scheint gänzlich außer Kontrolle geraten zu sein.“ Man müsse darüber nachdenken, ob die Bezeichnung „jüdisch“ noch angemessen sei. Das Vertrauen der jüdischen Gemeinschaft, so Schuster, habe die Leitung des Hauses jedenfalls verspielt.

Der Beschluss des Bundestages bietet eine echte Chance, die schädliche Kooperation von Stiftungen, Hilfswerken und anderen Organisationen mit palästinensischen Vereinigungen, die zur antisemitischen BDS-Bewegung gehören oder sie unterstützen, zu beenden und die diesbezügliche staatliche Förderpraxis zu ändern. Die Zusammenarbeit mit NGOs, die die Existenz des jüdischen Staates bekämpfen, ihn delegitimieren und dämonisieren und glauben, Israelis mit Boykotten, Drohungen und Sanktionen begegnen zu müssen, ist ein Friedenshindernis, das beseitigt werden muss. Die BDS-Bewegung ist weder alternativlos noch eine Errungenschaft der palästinensischen Zivilgesellschaft, sondern vielmehr ein antisemitischer Störfaktor. Fortschritte kann es nur ohne und gegen sie geben.

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