Der ehemalige Einsatzleiter der IDF-Gaza-Division erklärte, in den letzten zwei Monaten habe die Terrorgruppe versucht, sich neu zu bewaffnen und auf weitere Terrorangriffe vorzubereiten.
Yaakov Lappin
Am Dienstagmorgen gegen zwei Uhr nahm die israelische Luftwaffe ihre groß angelegten Angriffe gegen die Hamas und den Palästinensischen Islamischen Dschihad im Gazastreifen wieder auf. Zu den ersten etwa achtzig Zielen, die innerhalb weniger Minuten angegriffen wurden, zählten hochrangige und mittlere Mitglieder des politischen Flügels der Hamas sowie wichtige militärische Infrastruktur.
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu genehmigte die Wiederaufnahme der Militäraktionen, während die Regierung und die Sicherheitsbehörden die Entscheidung zur Fortführung der Operationen gegen das Terrorregime im Gazastreifen koordinierten. Die Entscheidung folgte laut Netanjahu auf die wiederholte Weigerung der Hamas, weitere Geiseln freizulassen, trotz mehrfacher Vermittlungsbemühungen, insbesondere unter der Leitung des US-Gesandten Steve Witkoff. Die erneuten Angriffe markieren eine entscheidende Wende in der Vorgehensweise Israels und signalisieren sowohl eine militärische Eskalation als auch die politische Entschlossenheit, die Kriegsziele zu erreichen.
Aufrüstung und Vorbereitung
Die Wiederaufnahme der israelischen Militäroperationen war aber nicht allein auf die Weigerung der Hamas zurückzuführen, Geiseln freizulassen, sondern auch auf eindeutige Geheimdienstinformationen, die darauf hindeuteten, dass die Terrororganisation die Waffenruhe genutzt hatte, um ihre militärischen Fähigkeiten zu stärken. Während der zweimonatigen Waffenpause, die am 19. Januar begonnen hatte, arbeitete die Terrorgruppe daran, ihre Streitkräfte wieder aufzubauen, Waffen zu horten und sich auf künftige Angriffe vorzubereiten.
Die israelische Reaktion richtete sich gegen Hamas-Kommandeure auf mittlerer Ebene, hochrangige Persönlichkeiten ihres politischen Flügels und relevante Bestandteile der Infrastruktur. Die Angriffe waren Teil einer anhaltenden militärischen Anstrengung, die darauf abzielt, die operativen Fähigkeiten der Hamas zu schwächen und gleichzeitig Druck auszuüben, um die Freilassung von Geiseln zu erreichen.
Der Zeitpunkt der Operation wurde auch durch Geheimdienstbewertungen beeinflusst, wonach die Hamas neue Angriffe vorbereitete. So war die Gruppe dabei beobachtet worden, wie sie ihre militärischen Stellungen verstärkte und Sprengstoff entlang der erwarteten Einmarschrouten der IDF verlegte. Diese Aktivitäten deuteten auf eine konzertierte Aktion zur Vorbereitung eines neuen, grenzüberschreitenden Angriffs auf israelische Gemeinden hin, was die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) zu einem Präventivschlag veranlasste. Die Militäroperation wird voraussichtlich solange wie nötig fortgesetzt und könnte je nach Entwicklung der Lage auf dem Schlachtfeld und auf diplomatischer Ebene ausgeweitet werden.
Die wiederholten Erklärungen der Hamas, weitere Angriffe durchführen zu wollen, verstärkten den Eindruck, dass sie die Waffenruhe lediglich als taktische Pause nutzte, um weitere Attacken gegen Israel vorzubereiten. Der israelische Geheimdienst hatte die Aktivitäten genau beobachtet und kam zu dem Schluss, dass ihre Führung weiterhin entschlossen war, neue, groß angelegte Operationen auf israelischem Gebiet durchzuführen.
Angesichts dieser Einschätzung hätte ein längeres Abwarten seitens Israel der Hamas ermöglicht, sich weiter zu etablieren. Während sich die aktuelle Phase der Operation weiterhin auf Luftangriffe konzentriert, haben israelische Beamte darauf hingewiesen, dass eine militärische Eskalation weiterhin möglich ist. Seit Dienstagabend sind nun auch wieder Bodentruppen im Gazastreifen im Einsatz, die vor allem mit der Sicherung des Netzarim-Korridors betraut sind, der den nördlichen vom südlichen Küstenstreifen trennt.
Terroristen im Visier
In einer gemeinsamen Erklärung der Streitkräfte und des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet vom Dienstag hieß es, Israel greift »weiterhin Terrorziele der Terrororganisationen Hamas und Palästinensischer Islamischer Dschihad im gesamten Gazastreifen an«. Zu den Zielen, die in den letzten Stunden getroffen wurden, gehören Terrorzellen, Abschussrampen, Waffenlager und weitere militärische Infrastruktur, die zur Planung und Durchführung von Angriffen auf israelische Zivilisten und Soldaten genutzt werden.
Die Angriffe trafen die Hamas unvorbereitet. Das Ausmaß und die Geschwindigkeit waren darauf ausgelegt, maximalen Schaden anzurichten und gleichzeitig die Fähigkeit der Hamas, effektiv zu reagieren, zu minimieren. Laut einer anschließenden Erklärung von IDF und Shin Bet führte die Operation zur Eliminierung hochrangiger Hamas-Funktionäre, darunter:
- Essam al-Da’alis, ranghöchste Autoritätsperson und Chef der Hamas-Regierung im Gazastreifen,
- Mahmoud Marzouk Ahmed Abu-Watfa, Innenminister der Hamas und Chef der internen Sicherheitskräfte, die laut IDF auch für terroristische Einsätze eingesetzt wurden,
- Bahajat Hassan Mohammed Abu-Sultan, Chef der internen Sicherheitskräfte der Hamas, der an Terrorakten beteiligt war,
- Ahmed Amar Abdullah Alhata, Justizminister der Hamas, dessen Aufgabe darin bestand, von der Hamas kontrollierte Rechtsinstitutionen für terroristische Zwecke zu nutzen.
Die gezielten Tötungen dieser Personen schwächen die interne Organisationsstruktur der Hamas erheblich und beeinträchtigen die Aufrechterhaltung der Regierungsführung und militärischen Koordination.
Drei Ziele
Der ehemalige Einsatzleiter in der Gaza-Division des israelischen Militärs, Yaron Buskila, erklärte am Dienstag in einem vom Jerusalem Press Club organisierten Telefonat gegenüber Journalisten: »Mit dem Angriff wurden eigentlich drei Ziele verfolgt. Das erste und meiner Meinung nach wichtigste Ziel war es, die unmittelbare Gefahr eines Hamas-Überfalls auf die israelischen Stellungen oder Dörfer zu beseitigen. Und wir wissen um die Gefahren.«
In den letzten zwei Monaten seit dem Waffenstillstand habe die Hamas versucht, sich erneut zu bewaffnen: »Es hat viele Warnungen gegeben, dass die Hamas einen Überfall vorbereitet. Dabei kann es sich um Zivilisten handeln, die auf dem Feld neben der Grenze oder in der Nähe der israelischen Dörfer arbeiten.«
Das zweite Ziel sei es, die Hamas erneut an den Verhandlungstisch zu bringen, und zwar unter den Bedingungen der ersten Gesprächsrunde, so Buskila, laut dem die Hamas derzeit versuche, die Verhandlungen so zu gestalten, dass sie als Herrscher und bewaffnete Kraft im Gazastreifen verbleiben und einen neuen Massenangriff auf Israel im Stil des 7. Oktobers 2023 vorbereiten kann. »Wir können nie wissen, wann [die Hamas einen neuen Angriff versuchen wird]. Und das ist eines der Dinge, die wir nicht zulassen dürfen. Wir müssen bleiben, unsere Streitkräfte im Philadelphi-Korridor belassen und erneut in den Gazastreifen eindringen, um gegen die Hamas zu kämpfen und sicherzustellen, dass sie nicht mehr im Gazastreifen bleibt. Andernfalls werden sie sich einfach wieder bewaffnen und sich auf den nächsten Angriff vorbereiten.«
Das dritte Ziel sei die Beseitigung von Sprengkörpern, Raketen und Panzerabwehrraketen, die von der Hamas in Häusern entlang jener Straßen platziert wurden, in die das israelische Militär voraussichtlich bei einer künftigen Bodenoffensive eindringen wird.
Buskila betonte, dass »Israel versucht, so viele Möglichkeiten wie möglich auszuschöpfen, um die Geiseln zu befreien«, fügte jedoch hinzu, dass »uns klar ist, dass die Hamas nicht alle freilassen wird, ohne ihr Ziel zu erreichen, weil die Geiseln für sie nur ein Druckmittel sind, das sie in der Hand haben. Wenn wir also die Bedingungen der nächsten Verhandlungen ändern wollen, müssen wir in den Gazastreifen eindringen und erneut kämpfen und mit Bedingungen an den Verhandlungstisch zurückkehren, die für Israel besser sind.«
Geänderte Spielregeln
In einer Erklärung an die Nation am Dienstag sagte Premierminister Netanjahu, die Hamas habe »ein Angebot nach dem anderen zur Freilassung unserer Geiseln abgelehnt. In den letzten zwei Wochen hat Israel keine Militäraktionen eingeleitet, in der Hoffnung, dass die Hamas ihren Kurs ändern würde. Nun, das ist nicht geschehen. Während Israel das Angebot des Sondergesandten von US-Präsident Trump, Steve Witkoff, annahm, weigerte sich die Hamas rundheraus, dies zu tun. Aus diesem Grund habe ich gestern die Wiederaufnahme der Militäraktionen gegen die Hamas genehmigt.«
Verteidigungsminister Israel Katz bekräftigte diese Botschaft bei einem Besuch auf dem Luftwaffenstützpunkt Tel Nof im Süden Israels: »Die Hamas muss verstehen, dass sich die Spielregeln geändert haben. Wenn sie nicht sofort alle Geiseln freilässt, werden sich die Pforten der Hölle öffnen und sie wird der vollen Wucht der IDF ausgesetzt sein – zu Luft, zu Wasser und zu Land –, und zwar bis zu ihrer vollständigen Vernichtung.«
Der neue IDF-Generalstabschef Eyal Zamir besuchte am Dienstag Rafah im südlichen Gazastreifen und bekräftigte das Engagement der Streitkräfte für die Sicherung des südlichen Israels. Die Mission der Truppen sei, »die Gemeinden hier zu schützen. Wir führen eine laufende Operation gegen die Hamas durch, neben der uneingeschränkten Verpflichtung der israelischen Streitkräfte, die Geiseln zurückzubringen.«
Yaakov Lappin ist Korrespondent und Analyst für militärische Angelegenheiten in Israel. Er ist hausinterner Analyst am MirYam-Institut, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Alma-Forschungs- und Bildungszentrum und am Begin-Sadat-Zentrum für strategische Studien an der Bar-Ilan-Universität sowie Autor von Virtual Caliphate – Exposing the Islamist State on the Internet. (Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)