Mediale Immunität, eine Politik der Infantilisierung und das White-Savior-Privileg schützen Greta Thunberg vor Kritik. Im Zuge der umstrittenen Global-Sumud-Flottille blendete die Presse wesentliche Fakten aus.
Greta Thunberg bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen Unschuldslamm und weißer Erlöserfigur. Dieses Feld bildet die Kernachse für die mediale Immunität, die sie wortwörtlich genießt. Das in der Soziologie als Infantilisierung bekannte Phänomen – die Reduktion eines politischen Akteurs auf emotionale Unschuld – beschert ihr einen Schutzschild, durch den sie nahezu unangreifbar wird, selbst, wenn sie fragwürdige, gezielte Provokationen unternimmt.
Die Rolle des »kindlichen Propheten« ist im politischen Diskurs des Westens keineswegs neu. Traditionell dient sie dazu, unbequeme Wahrheiten – etwa die Klimakrise – mit disruptiver, moralisierender Wucht zu vermitteln. Gretas fundiertes Wissen über Umweltfragen hat stets beeindruckt und ihr dabei geholfen, sich als sozial bewusstes Kind aus dem weißen Bürgertum in Szene zu setzen. In ihrer Doppelrolle als Poster-Girl und Patin der globalen Jugendbewegung Fridays for Future gewann sie nicht nur Abermillionen loyale Anhänger, sondern erhielt gewissermaßen auch eine narrative Carte blanche.
Problematisch wird es allerdings, wenn sie sich in andere Kompetenzbereiche wagt – etwa in geopolitische oder gesellschaftlich hochkomplexe Themen –, ohne über dementsprechendes Fachwissen zu verfügen. Die moralische Autorität, die sie sich im Kontext der Klimakrise erarbeitet hat, wird dann unhinterfragt auf fremde Felder übertragen und kann so die öffentliche Debatte verzerren. Denn eine moralische Überzeugung vermag analytische Durchdringung nicht zu ersetzen, insbesondere nicht in tief verwurzelten Konflikten wie jenem im Gazastreifen.
Greta Thunberg calling herself a hostage is spitting in the face of Eli Sharabi — whose wife and daughters were murdered, and who is still waiting for the body of his brother Yossi to finally bury him.
You want to talk about hostages? Talk about him. pic.twitter.com/Q4hKvBCJLS
— Hen Mazzig (@HenMazzig) October 5, 2025
Freibrief und Versagen
Die öffentliche Wahrnehmung ist darauf konditioniert, Thunbergs Aufrufe als moralische Imperative wahrzunehmen und nicht als strategische politische Manöver zu hinterfragen. Stattdessen wird jegliche Kritik an ihren Methoden oder ihrer politischen Agenda reflexartig als zynisch, unverhältnismäßig oder gar rechtslastig abgetan. Sie profitiert also davon, dass die Medien sie kaum zur Rechenschaft ziehen.
Die zweiundzwanzigjährige Schwedin solidarisierte sich öffentlich mit der Global-Sumud-Flottille, deren humanitärer Anspruch sich bei näherem Hinsehen als hohle Propagandaaktion entpuppte: Trotz lauter, medienwirksamer Rhetorik befanden sich kaum nennenswerte Hilfsgüter an Bord. Anstatt ernstzunehmender humanitärer Hilfestellung diente die Mission vor allem als kalkulierte Provokation gegen den jüdischen Staat – während die Hamas weiterhin israelische Geiseln unter völkerrechtswidrigen Bedingungen festhält.
Damit stellt sich unweigerlich die Frage nach den politischen Konsequenzen solcher Gesten – und der besonderen Verantwortung der Presse, diese nicht nur oberflächlich abzubilden, sondern differenziert einzuordnen. Die israelische Regierung verurteilte die Flottille umgehend als von der Hamas gesteuert und verwies auf in Gaza sichergestellte Dokumente, die eine direkte Verbindung belegen sollen. Doch statt diese Hinweise journalistisch zu prüfen, verschweigen viele Medien den Zusammenhang weitgehend und verstärken so ungewollt die Wirkmacht der Inszenierung.
Nachdem sie bereits im vergangenen Juni aus Israel abgeschoben worden war, landete Greta Thunberg in Paris. Auf dem Flughafen inszenierte sie sich mit hinter dem Rücken verschränkten Händen, als wäre sie in Handschellen abgeführt – obwohl es in Frankreich keine Festnahme gegeben hatte. Vor laufenden Kameras machte sie vage Andeutungen über die angebliche Härte ihrer Behandlung durch die israelischen Behörden, ohne konkrete Vorwürfe zu benennen. Zuvor hatte sie es übrigens ohne jede Konsequenz abgelehnt, sich ein Video des Terrorangriffs vom 7. Oktober 2023 anzusehen. Kaum jemand aus dem anwesenden Pressepool stellte ihr eine kritische Frage zu ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem Leid der israelischen Opfer.
Auch innerhalb der Flottille selbst zeigten sich Brüche im »woken« Selbstverständnis: Queere Teilnehmende wurden offen angefeindet und schließlich ausgebootet. Thunberg, die sich sonst lautstark für Menschenrechte inszeniert, schwieg demonstrativ. Und die vermeintlich progressiven Medien? Auch diese hielten sich auffallend zurück – ganz wie bei der jüngst wiederholten Videoszene, in der Sumud-Aktivisten unter großem Pathos ihre Mobiltelefone über Bord warfen, als israelische Truppen die Schiffe enterten. Dass dabei mutwillig funktionsfähige Elektronik im Meer entsorgt wurde samt Lithium-Akkus, Seltenen Erden und Kunststoffgehäusen, sei nur nebenbei erwähnt.
UNBELIEVABLE: In a post about Palestinian prisoners held by Israel, Greta Thunberg included a photo of hostage Evyatar David from a propaganda video published by Hamas.
Their evidence of Israel’s crimes is literally footage of the crimes committed against us. pic.twitter.com/G5IwWdyUCk
— Hen Mazzig (@HenMazzig) October 7, 2025
Umweltikone?
Doch damit nicht genug: Die Sumud-Flottille verursachte jüngst wieder geschätzte 3.000 bis 5.000 Tonnen CO₂-Emissionen auf ihrer Route mit Schiffen, die bis zu 45 Liter Diesel pro Stunde verbrauchten. [1] Dies stellt einen unverhältnismäßig hohen ökologischen Schaden dar. Und wofür eigentlich? Offenbar gab es keine Hilfsgüter an Bord. Der moralische Gestus überwog also jedwedes ökologische Bewusstsein. Widersprüche, Inszenierung, gezieltes Schweigen – kaum jemand fragt nach.
Es scheint die vermeintlich umweltbewussten Kreise nicht weiter zu stören und Thunberg selbst schon gar nicht. Sie bleibt das »Kind«, das nichts Böses meinen könne und dessen moralische Intentionen wichtiger genommen werden als die realen Folgen ihres Handelns. Damit verkörpert sie zugleich die postkoloniale Dynamik, in der weiße Subjekte moralische Autorität beanspruchen dürfen, ohne politische Verantwortung tragen zu müssen – ein klassisches Muster des White Saviorism.
Wenn unabhängige Medien zu Sprachrohren emotiv-moralischer Bewegungen werden, verkümmern gesellschaftlich notwendige Debatten zu bloßer Applausverwaltung.
[1] Die Schätzung basiert auf öffentlich zugänglichen technischen Daten der beteiligten Schiffe, darunter typische Verbrauchswerte von Dieselmotoren der entsprechenden Größenordnung (45 Liter Diesel pro Stunde, siehe Herstellerangaben z. B. MAN Energy Solutions, MTU). Die Fahrstrecke der Flottille belief sich je nach Route auf etwa 250 bis 400 Seemeilen. Unter Berücksichtigung der Fahrtdauer und Durchschnittsgeschwindigkeit wurden die Gesamtemissionen anhand des Emissionsfaktors für Schiffsdiesel von etwa 3,15 kg CO₂ pro Liter Diesel (laut European Environment Agency, EEA) kalkuliert. Je nach Schiffstyp und Einsatzbedingungen können die Werte leicht variieren, weswegen ein Emissionsbereich von 3.000 bis 5.000 Tonnen CO₂ angegeben wird. Vergleichbar hohe Emissionen entstehen bei konventionellen Frachtschiffen ähnlicher Größe auf ähnlichen Strecken.
BREAKING:
Israel releases pictures of Greta being put on a deportation flight to Greece.
She refused flying for years, making a big show of sailing to the UN Climate summit in NYC in 2019 instead of flying.
Now, she’s flying every few weeks from Israel pic.twitter.com/z3oS30YRmU
— Visegrád 24 (@visegrad24) October 6, 2025






