Die Tagesschau und die Tagesthemen senden einen Beitrag über den Wassermangel in der Westbank, in dem Israel an den Pranger gestellt wird und elementare journalistische Grundsätze vernachlässigt werden. Der offenkundige Unwille zur Recherche und die einseitige Auswahl der Gesprächspartner seitens des Filmautors sind dabei jedoch nicht bloß Schlamperei, sondern haben andere Ursachen. Zur Geschichte eines öffentlich-rechtlichen Skandalstücks.
Manchmal sind es vermeintliche Kleinigkeiten, die Rückschlüsse auf das große Ganze zulassen. Nachdem es reichlich Kritik an einem in der Tagesschau und den Tagesthemen ausgestrahlten Beitrag zum Wassermangel im Westjordanland gegeben hatte, in dem der jüdische Staat in ein ganz schlechtes Licht gerückt worden war, ließ Markus Rosch, Autor des Films und Israel-Korrespondent der ARD, gemeinsam mit seiner Kollegin Susanne Glass eine Stellungnahme auf dem Blog des ARD-Studios Tel Aviv folgen.
Darin verteidigten sich Rosch und Glass und thematisierten zum Schluss auch eine von Gerd Buurmann auf seinem Blog verbreitete Äußerung der SPD-Bundestagsabgeordneten Michaela Engelmeier, die den Film auf Facebook mit ungewöhnlich scharfen Worten gerügt hatte. Das Zitat der Parlamentarierin sei für sie, so schrieben die beiden ARD-Leute, „derzeit nicht zu verifizieren“, denn es sei „nicht auf der Facebook-Seite der Politikerin wiederzufinden, die sich – wie dort zu lesen ist – offenbar gerade in Rio befindet“.
Die naheliegende Idee, auch mal auf der Facebook-Seite der Tagesschau nachzusehen – wie Buurmann es getan hatte –, kamen Rosch und Glass anscheinend nicht. Genau dort fand sich Engelmeiers Statement aber.
Man könnte das als Petitesse abtun, wäre es nicht so symptomatisch für den Unwillen zur Recherche, den man sowohl Roschs Beitrag als auch der Entgegnung des Studios in Tel Aviv auf die Kritik anmerkt. Was der gebührenfinanzierte Sender wider alle journalistischen Grundsätze versäumte, erledigten schließlich andere, allen voran der Nahostkorrespondent Ulrich Sahm (in zwei ausführlichen Texten), die Bild-Journalistin Antje Schippmann sowie Gerd Buurmann und Michaela Engelmeier.
Sie prüften die Behauptungen der Familie Osman, die im Film gewissermaßen als Hauptbelastungszeugin herangezogen wurde, und des Hydrogeologen Clemens Messerschmid, der Markus Rosch als Experte diente. Sie recherchierten Zahlen und Fakten zur Wasserversorgung im Westjordanland, gingen den Ursachen für die Wasserknappheit nach, holten israelische Stimmen ein und forschten nach den Hintergründen von Messerschmid, der im ARD-Beitrag eher wie ein politischer Aktivist klang denn wie ein Fachmann.
Eine Blamage für die ARD
Was sie herausfanden, gereicht der Tagesschau und den Tagesthemen zur Blamage. Schon die Aussage von Rosch und Glass, man habe wegen eines „hohen jüdischen Feiertags“ leider keine O-Töne israelischer Experten einholen können und schließlich „der Schnelligkeit den Vorrang gegeben“, mutet befremdlich an. Zum einen gab es in den drei Wochen vor der Ausstrahlung lediglich einen Fastentag, an dem Juden zwar keine Lederschuhe tragen und keinen Geschlechtsverkehr haben sollen, aber durchaus mit Journalisten sprechen dürfen.
Zum anderen bestand bezüglich des Filmbeitrags ganz gewiss kein Anlass zur Hast – es handelte sich ja nicht um ein tagesaktuelles Thema, bei dem man notfalls auch ohne Äußerungen derjenigen Seite auskommt, die an den Pranger gestellt wird. „Wie kann seriöser, glaubhafter und unabhängiger Journalismus funktionieren, wenn man gründliche Recherche aus fragwürdigen Zeitgründen vernachlässigt?“, fragt Michaela Engelmeier deshalb völlig zu Recht.
Auch hinsichtlich der im Tagesschau-Beitrag kolportierten Gründe für die Wasserknappheit in Salfit – jenem palästinensischen Dorf, in dem die Familie Osman lebt und Rosch mit seinem Team drehte – sind Zweifel angebracht. In dieser Ortschaft hatte es einige Wochen zuvor einen Bruch an einer Hauptversorgungsleitung gegeben, der – so berichtet es die koordinierende Regierungsbehörde Israels in den palästinensischen Gebieten (Cogat) – dadurch entstanden war, dass palästinensische Bewohner die Rohre zwecks Wasserentnahme angezapft und folgenreich beschädigt hatten.
Die Versorgungsengpässe in Salfit – wie auch in den umliegenden israelischen Siedlungen – könnten also damit zusammenhängen. Markus Rosch und Susanne Glass schreiben dazu in ihrer Replik an die Kritiker, dass der Rohrbruch zum Zeitpunkt der Dreharbeiten als repariert „galt“. Zu recherchieren, ob das tatsächlich stimmt, hielten sie offenbar wiederum nicht für nötig.
Schließlich hatten sie dafür ja den deutschen Experten Clemens Messerschmid. Der behauptet, den Palästinensern im Westjordanland mangele es an Wasser, weil die Israelis sie keine Brunnen bauen ließen, da sie das gesamte Grundwasser in der Westbank für sich selbst beanspruchten.
Eine überaus heftige Anschuldigung, weshalb es spätestens an dieser Stelle geboten gewesen wäre, einen israelischen Fachmann vor die Kamera zu holen. Haim Gvirtzman beispielsweise, einen Professor für Hydrologie an der Hebrew University in Jerusalem, der zudem Mitglied im Council der israelischen Wasserbehörde und lange Jahre ein Berater des gemeinsamen israelisch-palästinensischen Wasserkomitees (JWC) war. Oder Uri Schor, den Sprecher der israelischen Wasserbehörde. Mit beiden hat dafür Antje Schippmann gesprochen, und was sie zu sagen hatten, widerspricht den Thesen Messerschmids fundamental.
Fakten, die Rosch unterschlug
Demnach repariert die Palästinensische Autonomiebehörde die Infrastruktur nicht, die vor allem durch den von Teilen der Bevölkerung verursachten Wasserdiebstahl beschädigt wird – obwohl sie dazu verpflichtet ist. Der Wasserverlust ist infolgedessen mit 33 Prozent immens (in Israel liegt er lediglich bei rund zehn Prozent). Nur ein Drittel der genehmigten Bohrungen ins Grundwasser ist bislang durchgeführt worden. Kläranlagen werden nicht gebaut, das Abwasser wird dadurch nicht wiederaufbereitet, sondern in kleine Flüsse geleitet, was eine Verschmutzung von Grundwasser und Umwelt zur Folge hat.
Das Angebot Israels, recyceltes Wasser für die Landwirtschaft zu liefern, lehnen die palästinensischen Behörden aus politischen Gründen ab. Stattdessen wird Frischwasser verwendet, wodurch den Haushalten weniger Wasser zur Verfügung steht. Zudem sind die landwirtschaftlichen Bewässerungsmethoden nicht mehr zeitgemäß, weshalb mehr Wasser verbraucht wird, als es erforderlich wäre.
Wirft man zusätzlich einen Blick ins Gvirtzmans Studien – vor allem in jene aus dem Jahr 2012 zum israelisch-palästinensischen Wasserkonflikt –, in die Auswertungen der israelischen Wasserbehörde von 2009 und die Erläuterungen der israelischen Botschaft vom Februar 2014, dann wird deutlich, dass der jüdische Staat keineswegs das gesamte Grundwasser des Westjordanlandes für sich beansprucht, wie Messerschmid sagt, sondern sogar mehr Wasser an die Palästinenser liefert als Mitte der 1990er Jahre in den Osloer Verträgen vereinbart.
Im Schnitt stünden jedem Palästinenser heute 143 Liter Wasser pro Tag zur Verfügung – wenn durch den enormen Wasserverlust nicht bis zu einem Drittel verloren ginge. Diesen Verlust hat aber nicht Israel zu verantworten, sondern die Palästinensische Autonomiebehörde. Und noch immer verweigert diese in Sachen Wasser die Zusammenarbeit mit dem jüdischen Staat, ruft „Haltet den Dieb!“ und setzt auf Konfrontation, wie der Schweizer Historiker und Politikwissenschaftler Lauro Burkart in seiner Dissertation mit dem Titel „Die Politisierung der Wasservereinbarung von Oslo“ schreibt.
Nicht die israelische Besatzungspolitik sei verantwortlich für die relativ langsame Entwicklung des palästinensischen Wassersektors, so Burkart weiter, sondern der Widerstand der Palästinenser gegen eine Kooperation mit Israel und das Missmanagement der palästinensischen Wasserbehörde.
Antiisraelischer Aktivist als Experte
Markus Rosch interviewte aber nicht Gvirtzman oder Schor und auch nicht Burkart, sondern ausschließlich Clemens Messerschmid. Der mag zwar tatsächlich „seit fast 20 Jahren vor Ort als Hydrogeologe für viele deutsche und einige internationale Organisationen und Stiftungen“ arbeiten, wie es im Blogbeitrag des ARD-Studios Tel Aviv heißt. Er hat allerdings schon seit langem auch eine klare, gegen Israel gerichtete ideologische Agenda, die er derart offensiv vertritt, dass die Frage erlaubt sein muss, ob das politische Interesse in seinem Fall nicht die wissenschaftliche Erkenntnis entscheidend trübt.
So schreibt Messerschmid beispielsweise regelmäßig für die Website Electronic Intifada (die ihren Namen nicht zufällig gewählt hat), hat dem Islamistenportal Muslim Markt ein freundliches Interview gewährt und in den Marxistischen Blättern auf dem Höhepunkt der zweiten „Intifada“ mit ihren zahllosen Selbstmordattentaten 49 Vorschläge „für eine linke deutsche Position“ zum „Nahostkonflikt“ unterbreitet.
Darin spricht Messerschmid von einem „Befreiungskampf“ der Palästinenser und findet deren Terror nicht so sehr deshalb kritikwürdig, weil dadurch Juden ermordet werden, sondern vor allem, weil er „der Überwindung der Besatzung abträglich“, also kontraproduktiv sei, eine „falsche Botschaft“ übermittle und damit vor allem den Palästinensern selbst schade.
Was im Umkehrschluss bedeutet: Würde der antisemitische Terror der „palästinensischen Sache“ weiterhelfen, dann wäre er ein diskutables Mittel. Eine Kosten-Nutzen-Rechnung also, in der Judenmord lediglich eine Variable darstellt. Messerschmids Plädoyer aus dem Jahr 2002 ist das eines „antiimperialistischen“ Aktivisten, und so ist es auch nur folgerichtig, dass er sich später islamistischen Portalen zur Verfügung stellte und noch heute bei antiisraelischen Initiativen Vorträge hält.
Seine seriösen Auftraggeber von GIZ bis KfW scheinen daran bislang gleichwohl keinen Anstoß genommen zu haben, was für die ARD wiederum ein Grund war, Messerschmid als ernstzunehmenden Kenner zu präsentieren.
Politisch motivierter Unwille zur Recherche
Dabei dürfte die ARD von den antiisraelischen Aktivitäten ihres Experten sehr wohl Kenntnis gehabt haben, und deshalb ist es albern, wenn Markus Rosch und Susanne Glass schreiben, sie seien „von den Angriffen auf seine Reputation schockiert“ gewesen. Zudem ist es bezeichnend, dass sie glauben, der ihnen vorgelegte Mailwechsel zwischen Messerschmid und Ulrich Sahm aus dem Jahr 2013 entlaste Ersteren vom Vorwurf, die absurde Behauptung erhoben zu haben, dass Israel Staudämme gebaut habe, um sie bei passender Gelegenheit zu öffnen und Gaza zu überfluten.
Wenn man die E-Mail von Messerschmid an Sahm liest, die Letzterer nun veröffentlicht hat, wird vielmehr deutlich, dass der erhobene Vorwurf berechtigt ist: Messerschmid kannte zwar keine „technischen Details“, wusste aber dennoch ganz genau über das „Design“ der „Flood Gates“ Bescheid, das „leider genau so“ sei, dass Israel das nutzbare Wasser zurückhalte, während es den „Starkregenabfluss über die Kammkannte nach Gaza“ ablasse. Ohnehin sei die „eventuelle aktive Öffnung der Schleusen nur die Spitze eines gewaltigen Eisbergs“ und lenke „vom eigentlichen Skandal“ ab, der „im Design verankert“ sei.
So redet einer, für den seit Jahr und Tag alles, was in den palästinensischen Gebieten geschieht, auf die Böswilligkeit der Israelis zurückzuführen ist. Wer ihn dennoch als Experten zu Wort kommen lässt – als alleinigen noch dazu –, der weiß sehr genau, was er tut, und macht sich seine Aussagen inklusive ihrem antisemitischen Spin zu eigen. Markus Roschs Film in der Tagesschau und den Tagesthemen ist – nicht zum ersten Mal, wie Gerd Buurmann deutlich macht – ein tendenziöser öffentlich-rechtlicher Beitrag zur Dämonisierung Israels, in dem wesentliche Tatsachen unterschlagen, fragwürdige Zeugen präsentiert und kritische Stimmen nicht eingeholt worden sind.
Roschs offenkundiger Unwille zur Recherche ist jedoch – was schon schlimm genug wäre – nicht bloß Schlamperei, sondern politisch motiviert: Dem jüdischen Staat sollte damit geschadet werden. Der Film und die Stellungnahme im Blog lassen jedenfalls keinen anderen Schluss zu.