Wunschvorstellungen über die Zukunft des Gazastreifens, in denen die Hamas einfach nicht vorkommt, kann man nicht als Plan bezeichnen.
Auf einem Gipfeltreffen in Kairo verabschiedeten die Staaten der Arabischen Liga am Dienstag einen »Wiederaufbauplan« für den Gazastreifen. Dieser sei, so ist der Berichterstattung zu entnehmen, gewissermaßen die arabische Antwort auf die Umsiedlungsfantasien von US-Präsident Donald Trump.
Die Salzburger Nachrichten schreiben dazu: »Der rund 90 Seiten lange Plan beschreibt einen Wiederaufbau über fünf Jahre mit geschätzten Kosten von 53 Milliarden US-Dollar (aktuell rund 50 Milliarden Euro).« Bis 2030 sollen demnach »Hunderttausende Wohnungen für drei Millionen Palästinenser« gebaut werden, darüber hinaus noch ein Flughafen, ein Seehafen und Industriegebiete, »aber auch Hotelanlagen, Parks und Strände, um den Tourismus zu fördern«.
ORF-Korrespondent Karim el-Gawhary zufolge solle »die Hamas als Verwalter des Gazastreifens ausgeschlossen werden« und eine »internationale Stabilisierungstruppe für Sicherheit sorgen«. Die Golfstaaten würden wohl einen großen Teil der Kosten übernehmen, »aber auch für Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien wäre es eine Voraussetzung, dass die Hamas dann im Gazastreifen keine große Rolle mehr spielt« (Ö1-Mittagsjournal, 4. März 2025).
Der Elefant im Raum
Die Sache hat allerdings gleich mehrere große Haken. Dazu gehört nicht zuletzt, dass niemand sagen kann, wie sichergestellt werden soll, dass die Hamas »keine Rolle mehr spielt«. Der arabische Plan hüllt sich darüber in Schweigen – und ist damit nicht einmal das Papier wert, auf dem er gedruckt wurde. Gloriose Vorschläge darüber zu machen, was in den nächsten fünf Jahren im Gazastreifen nicht alles umgesetzt werden soll, ist nicht schwierig, wenn man dabei so tut, als gebe es den sprichwörtlichen Elefanten im Raum einfach nicht.
Die Terrororganisation, die den Krieg und die umfangreichen Zerstörungen im Küstenstreifen zu verantworten hat, macht jedenfalls keine Anstalten, sich einfach in Luft aufzulösen. Die Hamas zeigte sich zwar bereit, die Verwaltung des Gebiets an ein Verwaltungsgremium abzugeben, gleichzeitig erklärte der hochrangige Hamas-Vertreter Sami Abu Zuhri aber in einer Reaktion auf die aus Kairo kolportierten Pläne, es sei völlig ausgeschlossen, dass die Gruppe ihre Waffen niederlege. »Jegliche Diskussion über die Waffen des Widerstands ist Unsinn. Die Waffen des Widerstands sind eine rote Linie für die Hamas und alle Widerstandsgruppen.« Auch lehne die Terrorgruppe jeden Versuch der Einsetzung einer »nicht-palästinensischen Verwaltung« sowie »die Anwesenheit ausländischer Streitkräfte auf dem Gebiet des Gazastreifens« strikt ab.
Mit anderen Worten: Die Hamas kann dem Gedanken durchaus etwas abgewinnen, sich nicht mehr um lästigen Aufgaben einer zivilen Verwaltung kümmern zu müssen, und sich stattdessen voll und ganz auf den »Widerstand« zu konzentrieren, also den Terror gegen Israel. Daraus macht sie, einem Bericht des Wall Street Journal zufolge, übrigens auch gar kein Geheimnis:
»Die meisten Hamas-Funktionäre räumen ein, dass die Gruppe als Machthaber in Gaza wahrscheinlich nicht überleben wird. Doch nach 15 Monaten brutaler Kämpfe wollen die im Gazastreifen ansässigen Hardliner der Gruppe, dass sie eine bewaffnete Kraft bleibt, die hinter den Kulissen Einfluss ausüben und möglicherweise wieder gegen Israel kämpfen kann, Vertreter arabischer Staaten und der Hamas sagten.«
Solange man nicht angeben kann, wie die Umsetzung der Pläne der Arabischen Liga an der Hamas vorbei geschehen soll und diese eine Entwaffnung sowie eine fremde Truppenpräsenz ausschließt, sind die Pläne schlicht nutzlos.
Im Vergleich zu diesem zentralen Schwachpunkt tritt der Umstand in den Hintergrund, das auch niemand sagen kann, wer konkret die 53 Milliarden Dollar zur Verfügung stellen soll, die laut den Vorschlägen der Arabischen Liga für den Wiederaufbau ausgegeben werden sollen. Hunderttausende Wohnungen, ein Flughafen, Hotels, Parkanlagen – die Frage »Darf’s noch ein bisserl mehr sein?« mag auf Gemüsemärkten üblich sein, aber auch dort vergisst man keine Sekunde lang, dass das Geld auch jemand berappen muss.
Was da in Kairo von den arabischen Staaten abgenickt wurde, ist jedenfalls nicht der »praktikable Plan für den Wiederaufbau, die Sicherung und die Verwaltung des Gazastreifens«, dessen es laut der New York Times jetzt bedürfe –, im Grunde genommen sind die Vorschläge so unausgegoren und lassen dermaßen zentrale Fragen aus, dass von einem Plan zu sprechen eigentlich schon zu viel der Ehre ist.