Während der ORF-Radiosender Ö1 mit Israelkritik nicht geizt, macht er sich gar nicht erst die Mühe sein Publikum über das Handeln der Hamas zu informieren.
Als das Morgenjournal des ORF-Radiosenders Ö1 am Dienstag und Mittwoch über das erste der neu eröffneten Verteilungszentren für Hilfsgüter im Gazastreifen berichtetet, sparte es nicht mit Israelkritik. So wurde die von Israel und den USA initiierte Gaza Humanitarian Foundation (GHF) unter anderem deswegen als »umstritten« bezeichnet, weil sie die internationalen Hilfsorganisationen, die bisher die Verteilung innehatten, umgehen wolle, um sicherzustellen, dass die Lieferungen nicht mehr von der Hamas gestohlen und zu Geld gemacht werden. »Die Stiftung steht stark in der Kritik«, hieß es in der Nachrichtenübersicht am Dienstag, »ihr Verteilungsplan sieht etwa vor, dass Familien, die Hilfe erhalten wollen, auf Verbindungen zur Hamas geprüft werden«.
Im Morgenjournal am Mittwoch war dann von »dramatischen Szenen« die Rede, die sich bei der erstmaligen Verteilung von GHF-Hilfsgütern abgespielt hätten, als es während der Verteilung kurzzeitig zu Tumulten gekommen war. Zwar wurde ein Gaza-Bewohner zitiert, der sich »sehr dankbar« gegenüber der GHF zeigte, weil außer ihr »niemand hier« sei und selbst »unsere arabischen Freunde« die Menschen vergessen hätten – auf den durchgehend kritischen Ton der Berichterstattung hatte das jedoch nicht den geringsten Einfluss. »Die Vereinten Nationen zeigen sich entsetzt«, hieß es unter Bezug auf die Sprecherin des UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA) Juliette Touma, die der GHF die Kompetenz absprach, die Versorgung des Gazastreifens gewährleisten zu können.
Hamas warnt Menschen in Gaza offiziell, Lebensmittel aus israelischen Hilfslieferungen anzunehmen.
Mal in einfachen Worten für Medien
und Linke: Hamas droht, Menschen zu töten, wenn sie sich von Israel helfen lassen – und niemanden interessiert es. Hat Antisemitismus gewonnen? pic.twitter.com/KLRTD5l5zl— Marie von den Benken (@Regendelfin) May 27, 2025
Die große Abwesende
Wer in der ganzen Berichterstattung nicht weiter angesprochen und am Dienstag lediglich in zwei Nebensätzen, am Mittwoch nur in einem Netanjahu-Zitat erwähnt wurde, war wieder einmal: die Hamas. Ganz so, als gäbe es sie für den ORF gar nicht als einen der zentralen Akteure in Gaza. Damit, dass die Terrorgruppe der Hilfsgüterverteilung ruhig und unbeteiligt zugesehen und sich in die berichteten Ereignisse nicht weiter eingemischt hätte, kann das Schweigen des ORF jedenfalls nichts zu tun haben, schließlich hat die Terrorgruppe nichts dergleichen getan.
Vielmehr hatte das Innenministerium der Hamas die Einwohner von Gaza bereits im Vorfeld aufgefordert, den neuen Verteilungsmechanismus zu boykottieren. In ihrem ideologischen Wahn behauptete die islamistische Terrororganisation, die GHF-Mission sei eine nachrichtendienstliche Operation, die darauf abziele, Informationen zu sammeln und eine interne Spaltung herbeizuführen. Dementsprechend drohte sie allen Bewohnern, die Lebensmittel annehmen, die »notwendigen Maßnahmen« gegen sie zu ergreifen und sie für ihr Verhalten »den Preis bezahlen« zu lassen.
Darüber hinaus berichtete die Times of Israel von durch die Hamas ausgesprochene Morddrohungen gegen Hilfsorganisationen, die sich zur Zusammenarbeit mit der GHF bereit erklärt hatten, sowie von Versuchen, Palästinenser mittels Straßensperren daran zu hindern, die Verteilungsstellen zu erreichen. Nachdem Zivilisten diese Sperren durchbrochen hatten, machte die Terrorgruppe dann Israels »Missmanagement« für das Gedränge und den Tumult verantwortlich. »Es ist offensichtlich, dass die Hamas sich durch dieses neue Arbeitsmodell bedroht fühlt und alles in ihrer Macht Stehende tun wird, um es zum Scheitern zu bringen«, wurde die GHF mit einer Reaktion auf die Hamas-Drohungen und -Aktionen zitiert.
A source at one of the Gaza distribution sites tells me that Hamas set up a roadblock to prevent Gazans from getting aid.
They broke through it and were shouting “thank you America” upon reaching the site. pic.twitter.com/5bfRoy6mcO
— Kassy Akiva (@KassyAkiva) May 27, 2025
Hamas der Verlierer
Die Angst der Islamisten sei real, beschreibt Timo Lokoschat den wahren Grund der Ablehnung durch die Terrorgruppe, »denn mit der direkten Versorgung verliert die Hamas erstmals die Kontrolle über ein zentrales Machtinstrument: die humanitäre Hilfe. Seit Jahren kassiert sie mit, verkauft abgefangene Hilfsgüter zu Wucherpreisen, bezahlt damit ihre Kämpfer und rekrutiert neue. Jetzt bricht dieses System erstmals sichtbar zusammen.« In der Vergangenheit verdiente die Hamas Unsummen mit dem Diebstahl und Weiterverkauf der humanitären Hilfe, doch seit einiger Zeit werden Berichte laut, dass diese Geldquelle zusehends am Versiegen ist.
Nichts davon erfuhr das Publikum des Ö1-Morgenjournals, im Gegenteil: Dort wurde sogar allen Ernstes kritisiert, dass Israel diejenigen, die Hilfe erhalten, auf Hamas-Verbindungen prüfen wolle – ganz so, als teilten die Sendungsmacher heimlich den Groll der Terrorgruppe, mehr und mehr von ihren Finanzierungsnetzwerken ausgeschlossen zu werden.
Dies ist ein Auszug aus unserem Newsletter vom 28. Mai. Wenn Sie den nächsten Newsletter erhalten möchten, melden Sie sich an!
Left: What the pro-Hamas crowd thinks of them new Gaza aid system.
Right: What actual Gazans think of it. https://t.co/yQ6s35lz9N pic.twitter.com/yXsSl1j31T
— Eitan Fischberger (@EFischberger) May 28, 2025